Das wiedereröffnete „Circus Hotel", das neue „Codos"-Café und die „Black Apron"-Bäckerei sind eine kulinarische Allianz miteinander eingegangen. Frühstücks-Fans, Kuchenliebhaber und Kaffee-Nerds finden rund um den Rosenthaler Platz an einem der drei Orte das Passende für ihre Gelüste.
Vorkosten für eine Zeit, in der das Frühstück wieder „richtig" auf die Tische kommen darf: Das durften der Feinschmeckerfotograf und ich für diesen Artikel im generalüberholten und redesignten „The Circus Hotel" am Rosenthaler Platz. Wir begaben uns, weitgehend maskiert aber unerschrocken, auf die Spur von Türkischen Eiern, Avocado-Lachs-Biscuits und Cruffins. Die kulinarische Mission lautete: herausfinden, wie Kuchen, Croissants und Frühstücke schmecken und wie Hotel, das benachbarte neue „Codos"-Café sowie die nahe „Black Apron Bakery x Coffeehouse" zusammenhängen.
In der runden Ecke im Erdgeschoss des „Circus Hotel" ist das „Codos" eingezogen. Das Café funktioniert eigenständig. Wer sich seinen Cappuccino oder Filterkaffee, Croissant oder Bananabread mitnehmen will und gerade auch muss, betritt es vom Bürgersteig aus. Wer im Hotel übernachtet, hat die Wahl: „Man kann bei uns in der Circus Lounge oder nebenan im ‚Codos‘ frühstücken", erklärt Hotel-Managerin Katrin Schönig. Die Backwaren-Prachtstückchen präsentieren sich appetitanregend unter Glasstürzen und werden von Porzellanobjekten umrahmt. Die Kuchenplatten sind selbst Kunstwerke – sie wurden von der Berliner Porzellandesignerin und Keramikmeisterin Stefanie Hering gefertigt.
Gebacken wird alles, was darauf liegt, im „Black Apron" nur eine Straßenecke weiter. „Wir fahren Backwaren und Kuchen mit dem Lastenfahrrad herüber", erklärt Norbert Stanni, Pastry-Chef bei „Black Apron". Keiner der Passanten in dieser mittigsten Mitte der Stadt würde sich wohl wundern, wenn auf dem Bürgersteig zwischen Veteranenstraße und Rosenthaler Platz ein zünftig gekleideter Bäcker Bleche mit Croissants, Zimtschnecken und herzhaften Danish Pastries balancieren würde. So viel Kreuzung aus Zilles Milljöh und Hipstertum muss dann aber doch nicht sein, von der Abweichung von den Hygienestandards des Jahres 2021 ganz zu schweigen.
„The Circus Hotel" bezieht sich in vielem auf die Nachbarschaft und auf die Historie der Gegend. Schriftsteller Paul Scraton entwickelte ein interaktives, exklusives Literaturprojekt, das die Geschichte des Rosenthaler Platzes und des heutigen Hotel-Gebäudes vermittelt, das einst dem Kaufmann Philipp Fabisch gehörte. Aber auf den petrolfarbenen Keramiktellern für den täglichen Gebrauch geht es zeitgenössisch berlinerisch zu – ganz international. Die hartgekochten Türkischen Eier, traditionell als Çılbır beliebt, betten sich auf einen dicken Klacks Ziegen-Labneh. Dazu gibt’s angemachte rote und gelbe Cocktailtomaten und Sauerteigbrot; darauf Sprossen, Dukkah-Brösel aus Kräutern, Gewürzen und Nüssen. Ein Chilli-Öl feuert kleine Schärfepfeile auf Labneh und Eier ab.
„Wollt ihr das Öl darüber haben?", hatte uns Norbert Stanni gefragt. Denn der „Everybody’s Darling" bei den Frühstücken, den es normalerweise auch im Kaffeehaus bei „Black Apron" gibt, ist manchem mit Öl-Guss obenauf zu pikant. Danke für die rücksichtsvolle Frage, aber das passt prima so. Der Ziegenjoghurt darf über Nacht so richtig abhängen. Am nächsten Morgen wacht er als dicker Labneh-Frischkäse in der Küche wieder auf. Die Ziege lässt sich nur ganz diskret blicken, sehr angenehm. Diesen Teller möchte ich unbedingt müßig und genüsslich „in echt" essen, wenn es wieder möglich ist. Ich schaue in Richtung wärmeres Frühjahr, imaginiere ein Ende des Lockdowns und freue mich jetzt schon auf ein schwunghaftes Frühstück, gern im Freien.
Cruffins sind crunchige Berliner im French-Style
Ohne es zu wissen, treffe ich damit den Punkt: „Selbst wenn es etwas ganz Einfaches ist, wollen wir es so machen, dass man dafür rausgeht", sagt Stanni. „Die Scrambled Eggs sollen eben nicht so wie zu Hause sein." Der Bäckermeister mit langjähriger internationaler Erfahrung sorgt dafür, dass sich etwa die Cruffins nachdrücklich im Gedächtnis verankern. Der verzwirbelt in Muffin-Förmchen gesteckte Croissant-Teig wächst beim Backen zu schnörkeliger Höhe empor. Anschließend wird ihm eine cremige Füllung eingespritzt – fertig ist der crunchigere „Berliner" im French-Style, der in Wirklichkeit 2013 in San Francisco erfunden wurde.
Die Cruffins sendeten kürzlich süße „Season’s Greetings": Vor Weihnachten gab es sie in der „Chocolate-Cranberry"-Ausführung oder in der Bratapfel-Spielart „Roasted Apple". Die englischen Bezeichnungen verweisen auf die amerikanische Tradition, in der sich „Black Apron" und „Codos" sehen. Der Ursprung von „Codos" liegt in Hamburg. Dort eröffneten die Betreiber Özlem und Cihan Sögüt ihr erstes Café. „Es war als „Brew Bar" geplant", erzählt Cihan Sögüt. Er liebt Kaffee, seine Frau Özlem Kuchen. Seither ergänzen „Codos" und „Black Apron" in mehreren Städten einander. Drei Filterkaffees und der „Bandit" Haus-Espresso aus eigener Röstung werden ausgeschenkt. Außerdem gibt es immer wieder wechselnde Gastkaffees von befreundeten Röstern.
Um alle urbanen Klischees abzudecken, ordern wir im Hotel ebenfalls einen Avocado-Lachs-Biscuit. Das halbe „Brötchen" bringt unter der üppigen Feldsalat-Haube einen Tick Süße ein. Avocado, Frischkäse und Räucherlachs sind ohnehin eine bewährte Kombi. Sie verpartnern sich mit einem pochierten Ei à la Benedict, das gern renitent vor dem Klick fürs Foto vom Feldsalat-Hügel herunterrollt. Geröstete Haselnüsse sorgen für den kleinen Knack zwischendurch. Den Frühstücks-Burrito auf dem Nebenteller würde ich glatt als Mittagessen durchgehen lassen: Rührei, Frischkäse, Champignons, karamellisierte Zwiebeln, Avocado und Römersalat verwickeln sich in einer Wrap-Hülle. Toll ist sie, die scharfe, paprikabetonte Chorizo mittendrin, in flauschiger Umarmung von Cheddar und Appenzeller Käse. Die feurige Spanierin stammt von „The Sausageman never sleeps", einer Berliner Institution für handgemachte frische Qualitätswürste. Mit Ofenkartoffeln, Sauerrahm und grüner Harissa dazu wächst sich der Burrito zur vollgültigen Hauptmahlzeit aus, die gut und gern für einen ausgiebigen Berlin-Bummel vorhält. Später dann wieder, in neuen „normalen" Zeiten.
Schlichtes Aussehen, genialer Geschmack
Wir laufen nun erst einmal die 400 Meter zu „Black Apron" herüber und werfen einen ausführlichen Blick in die Vitrinen und in die offene Backstube. Wir lassen es so richtig krachen! Wir knuspern und krümeln an einem puren Croissant und an einem herzhaft mit Tomaten, Appenzeller, Frisch- und Blauschimmelkäse gefüllten „Danish" herum. Es wurde nicht an „guter Butter" gespart. Genauer gesagt: Es wird ausschließlich französische Beurre d’Isigny verwendet, deren vollmundiges Aroma durchscheint. Norbert Stanni, der schon in vielen gut ausgestatteten High-End-Hotelbäckereien in fernen Ländern tätig war, ist beglückt, seit eineinhalb Jahren in Berlin bei „Black Apron" freie Hand zu haben: „Wir können mit Produkten arbeiten, bei denen es um die Qualität und nicht um Kosteneinsparungen geht." Ein Natur-Croissant etwa für 2,50 Euro oder ein Danish für 4,80 Euro ist jeden einzelnen Cent wert. Die Frühstücksteller kosten zwischen 11,90 und 14,90 Euro. Der Croissant-Teig darf ebenfalls Wurst vom „Sausageman" umschlingen und es in ein Pig in Blanket verwandeln. „Würstchen im Schlafrock" im Fifties-Brit-Style adé; hier liegt eine anglo-französische Delikatess-Kombi auf dem Teller!
So manches, was aus der Backstube kommt und ein Renner ist, sieht eher schlicht und unspektakulär aus. Der Almond-Lemon-Cake zum Beispiel: ein flaches Stück Kuchen, nur mit Puderzucker bestäubt. Mandeln, Zitrone, Butter, Eier, Rohrzucker und viel Vanille kommen hinein. Sonst nichts. Das Resultat ist: mild, mandelig und zart, aber zitronig nachschwingend. Sehr saftig und nebenbei glutenfrei. Ehe wir uns versehen haben, haben der Fotograf und ich mehr davon probiert als wir wollten. „Nicht die Deko ist entscheidend, sondern der Geschmack", sagt Norbert Stanni. Es wird schnickschnackfrei gearbeitet, mit qualitätvollen Produkten und Geräten, viel Bio und alles „from scratch", von Grund auf selbst gemacht. „Wir arbeiten mit ganz normalen Zutaten, die jeder bekommen kann."
Auf Industriezucker wird hier verzichtet
Fragt sich nur, ob jeder so einen kompakten New York Cheesecake, wie wir ihn später in unseren kleinen Carepaketen wiederfinden, zu Hause selbst hinbekommt. Oder das ordentlich mit Schokobrocken versetzte Bananabread mit ausgeprägtem Geschmacksprofil. Ein Cheesecake-Schoko-Brownie bringt das Beste aus zwei Welten zusammen – die Frischkäsigkeit des Toppings mit der Vollmundigkeit des Blechklassikers. Die Kuchen und Gebäcke sind nie übersüß, aber ebenso wenig betont gesund-unsüß. Der Verzicht auf Industriezucker führt vorrangig zum Kokosblüten-Zucker und feinerer Süß-Nuancierung, die dem Gaumen und, wo nötig, auch dem gesundheitsbewegten Gemüt guttut.
Kurzum: „Black Apron" ist ebenso wie sein neues Geschwister „Codos" in Mitte einen kalorienreichen Abstecher wert. Die To-go-Schachteln mit Kuchen, Croissants und Co oder eine „Feelgood-Box" mit Backwaren, Granola, Mandelcreme, Kurkumapaste und Kumquat-Kompott fürs @-home-Frühstück lohnen unbedingt den Weg und sogar das Außer-Haus-Gehen gleich nach dem Aufstehen.