Das 42. Filmfestival Max Ophüls Preis findet vom 17. bis 24. Januar erstmals digital statt. Das FORUM-Interview mit Festivalleiterin Svenja Böttger und dem Künstlerischen Leiter Oliver Baumgarten fand als Telefonkonferenz statt.
Frau Böttger, Herr Baumgarten, freuen Sie sich, dass das 42. Filmfestival Max Ophüls Preis mehr Menschen – auch bundesweit – erreichen kann, als live in den Kinos vor Ort?
(beide lachen) Böttger: Tatsächlich freuen wir uns, dass wir überhaupt die Möglichkeit geben können, dass die jungen Filmemacher ihre Projekte präsentieren können. Wir sind supergespannt und freuen uns darauf zu sehen, aus welchen Teilen Deutschlands, und wie viele auch aus dem Saarland, online zuschalten werden.
Baumgarten: Wir haben auch deshalb geschmunzelt, weil es eine Frage trifft, deren Antwort wir noch nicht haben, oder abschätzen können, nämlich: Was wird der Umzug ins Digitale für das Publikum bedeuten? Wir sind sicher, dass wir neue Schichten dazugewinnen können, wissen aber gleichzeitig nicht, ob wir den Kern der Besucher ansprechen können.
Böttger: Genau, die Nutzerschaft verändert sich online. Es kommen auch neue Nutzer, die nicht die Möglichkeit haben, nach Saarbrücken zu fahren, dazu. Das wird auch für uns spannend. Wichtig ist uns, dass unser Programm im Internet nicht unbegrenzt sein wird. Wir bieten Tickets in ähnlichem Verhältnis wie physisch an.
Dazu passend die nächsten Fragen: Was wird die Karte kosten? Gibt es die beliebten Festivalpässe weiterhin?
Böttger: Die Karten kosten als Einzelabruf acht Euro. Wir haben andere, thematische Pässe: Spielfilm-, Dokumentar-, Kurz- und Mittellanger-Filmpass und: den Goldenen Fan-Pass. Mit dem Goldenen Fan-Pass bekommt man Zugang zu allen Filmen und dazu eine Festivaltasche mit verschiedenen Goodies und dem Magazin – das wird auch verschickt.
Wie lassen sich die Filmtalks, die in Lolas Bistro stattfanden, realisieren?
Baumgarten: Eine der Herausforderungen ist, die Verbindung zwischen Filmschaffenden, Publikum und Branche herzustellen. Diese Gespräche, die uns so wichtig sind, werden in verschiedene Bereiche aufgeteilt. Zu jedem Film, der online steht, wird auf der Seite auch ein Filmgespräch liegen. Wir werden auch eine Möglichkeit schaffen, dass das Publikum in Dialog mit den Filmschaffenden treten kann.
Böttger: Wir bauen unsere SR-Medienpartnerschaft aus und machen eine Mischung aus SR-Talks und Lounge. Da auch die SR-Lounge wegfällt, haben wir uns überlegt, wie ein Webformat aussehen kann – da kann ich sagen: Lasst euch überraschen!
Tagen die Jurys per Videokonferenz?
Böttger: Ja, genau!
Wie dürfen wir uns die PreisÂverleihung vorstellen?
Böttger: Wie bei der Feierlichkeit zur Eröffnung auch, werden wir auf unserer Plattform den Livestream der Preisverleihung anbieten können, beides kostenfrei. Die Filmemacher sollen live und virtuell zugeschaltet werden.
Wie war die Anzahl der Einreichungen in Relation zu den Vorjahren?
Baumgarten: Wir haben einen deutlichen Rückgang an Filmeinreichungen zu verzeichnen. Das ist nicht überraschend, die Pandemie hat sich auf die gesamte Filmproduktion ausgewirkt.
Lässt sich bei den WettbewerbsÂbeiträgen ein thematisch roter Faden ausmachen?
Baumgarten: Ein grundsätzlicher Trend ist, dass die gesellschaftlichen Fragen, die uns beschäftigen, definitiv sehr viel deutlicher in den Filmbeiträgen zu spüren sind. Themen wie Kapitalismuskritik bis soziale Ausgrenzung sind stark vertreten.
Taucht das Pandemie-Thema bereits in Wettbewerbsbeiträgen auf?
Baumgarten: Bei den Langfilmen 1:1 nicht. Bei den Kurzfilmen, die in der Zeit des Lockdowns entstanden sind, schwingt das Thema in der Frage der Isolation mit.
Manch einer sehnt sich – gerade jetzt – nach humorvollen KinoÂgeschichten.
Baumgarten: Das, was da draußen in der Welt passiert, beschäftigt natürlich die Filmschaffenden. Wir haben aber auch Filme im Programm, die einen heiteren Ton anschlagen, die die sozialen Themen in einer komödiantischen Art erzählen, das schon.
Böttger: Es war auch in den letzten Jahren schon schwierig, gute Komödien mit im Programm haben zu können.
Können Sie trotzdem Filmtitel nennen?
Baumgarten: „3Freunde2Feinde" von Sebastian Brauneis, ein österreichischer Wettbewerbsbeitrag, dem es gelingt, seine Themen auf komödiantische Art zu erzählen. Oder der Kurzfilm „Smallratts" von Lisa Miller …
… unsere Max Ophüls Preisträgerin von 2018, die für den wunderÂschönen Film „Landrauschen", ausgezeichnet wurde?
Baumgarten: Ja, genau. Das ist wirklich toll, dass wir ihren Kurzfilm als Uraufführung zeigen dürfen.
Dokumentarfilme eröffnen oftmals Welten, die fremd oder ganz anders erscheinen …
Baumgarten: Ja, grundsätzlich möchte ich sagen: Die Kunstform Film mit ihrer Zusammensetzung aus den Elementen Ton, Bild, Schnitt, Montage ermöglicht uns in Perspektiven hineinzugehen, in die wir normalerweise nie kommen würden. In Zeiten in denen wir von Spaltung in der Gesellschaft reden, ist das eine extrem wichtige Eigenschaft der Kunstform Film. Wir haben, das können wir sagen, sehr starke Dokumentarfilm-Beiträge in diesem Jahr.
Welche Dokumentarfilm-Titel fallen Ihnen ein?
Baumgarten: Wir werden in diesem Jahr mit „A Black Jesus", einem Dokumentarfilm, eröffnen – ein Novum beim Filmfestival Max Ophüls Preis. Im Wettbewerb läuft „The Case You" von Alison Kuhn, sie bringt uns in die Perspektive von Schauspielschülerinnen, die bei einem Casting sexuellen Missbrauch erleben müssen.
Was glauben Sie, wenn wir uns an das Streamen von Kinofilmen gewöhnt haben, gehen wir dann künftig selten oder gar nicht mehr ins Kino?
Böttger: (antwortet nach einem Moment bedächtigen Schweigens): Ich glaube weder noch. Ich glaube, dass für diejenigen, die das Kino lieben, deutlich geworden ist, wie wichtig der Ort Kino ist. Ich glaube, die Pandemie hat uns auch gezeigt, wie wichtig das gemeinsame Kinoerlebnis ist. Ich glaube, man wird den Fokus künftig auch auf die Wertschätzung des Kinoerlebnisses richten. Beides, Kino und Streaming, kann gut nebeneinander existieren, auch, dass das eine dem anderen nichts wegnimmt – aber: Sprechen müssen wir darüber.