Heiner Dornburg ist USA-Chef von Groninger, einem weltweit tätigen Maschinenbauunternehmen aus Baden-Württemberg. Im Interview spricht der CEO über die Bedeutung des US-Präsidenten und erklärt, warum er auf eine Verbesserung des Images der USA in der Welt setzt.
Herr Dornburg, wir erreichen Sie in Charlotte, wo Sie die US-Niederlassung von Groninger leiten. Können Abfüllmaschinen Menschenleben retten?
Das kann man so sehen. Wir sind Teil des „Rettungsteams". Zum Beispiel sind wir in die „Operation Warp Speed" involviert. So heißt das Programm, das von der US-Regierung ins Leben gerufen wurde, um die Herstellung und Verteilung von Covid-19-Impfstoffen in kürzester Zeit zu ermöglichen. Unsere Produktionslinien können 1.000 Spritzen pro Minute abfüllen.
Der Impfstoff sorgt für volle Auftragsbücher. Wie kann Groninger der großen Nachfrage gerecht werden?
Die Maschinen werden in Deutschland gebaut. Durch Priorisierung und Straffung der Produktionsabläufe haben wir dort die Lieferzeiten deutlich verkürzen können. Hier am Service-Standort Charlotte haben wir zum Glück schon vor der Pandemie unser Personal aufgestockt. Die Produktionskapazität für Bau- und Ersatzteile konnte so mehr als verdoppelt werden.
Wie stark beeinträchtigt die Pandemie den Geschäftsbetrieb?
Unter den 60 Beschäftigten traten glücklicherweise bisher nur vier Infektionsfälle auf, alle mit leichtem Verlauf. Der Bundesstaat North Carolina stufte Groninger als essenziell für die Pandemie-Bekämpfung ein, sodass der Lockdown uns nicht betroffen hat. Trotzdem haben wir zeitweise rund die Hälfte der Belegschaft im Homeoffice arbeiten lassen.
Wie haben Sie den Wahlkampf und die Präsidentschaftswahl erlebt?
Im Vergleich zu den vorangegangenen Wahlen fiel mir auf, dass sich die Menschen mit ihrer Meinung enorm zurückhielten. In den Vorgärten waren kaum Steckschilder mit den Namen der Kandidaten zu sehen. Nur wenige Autos hatten Wahlsticker auf der Karosserie. Der Wahlkampf tobte vor allem in den sozialen Medien und im TV.
Worüber haben Sie sich am meisten gewundert?
Über das starke Interesse und die große Anteilnahme meiner Freunde und Familie in Deutschland. Ich bekam viele, teils besorgte Telefonanrufe und E-Mails. Aufgeheizt war die Stimmung aber vor allem in den Medien. Dagegen war die Präsidentschaftswahl in meinem privaten und beruflichen Umfeld kein ständiges Hauptthema. In den vier Jahren unter Donald Trump hat sich im Land die Politikverdrossenheit verstärkt.
Sind Sie mit Joe Bidens Wahl zum US-Präsidenten zufrieden?
(denkt lange nach) Man sollte die Rolle des Präsidenten nicht überschätzen. Die amerikanische Demokratie ist stark. Das System von Checks und Balances, der gegenseitigen Kontrolle von Verfassungsorganen, schränkt die tatsächliche Macht des Präsidenten wirkungsvoll ein. Unter Trump wurde vieles nur halb so heiß gegessen wie gekocht. Ich erinnere zum Beispiel an seinen Aufruf zum zivilen Ungehorsam oder zum Aufstand im Fall seiner Wahlniederlage. Dieser Aufruf lief weitgehend ins Leere. Das ist für mich ein Beweis, wie stabil die amerikanische Demokratie tatsächlich ist. Auch nach den Ereignissen in Washington Anfang Januar sehe ich das so.
Viele Medien zeichnen aber ein ganz anderes Bild von den USA als einem politisch zerrütteten Land, das quasi an der Schwelle zur Diktatur steht. Wie erklären Sie sich das?
Die Berichterstattung über Donald Trump war in meinen Augen selten sachlich. Es ist deutlich einfacher, persönliche Ansichten zu äußern statt sich unvoreingenommen und gründlich mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Trumps Stil hat es natürlich nicht leichter gemacht. Doch eins ist sicher: Die Menschen in Amerika wollen eine Diktatur genauso wenig wie die in Deutschland.
Können Sie Trumps Ära auch etwas Positives abgewinnen?
Die Arbeitslosenquote ging zurück und die Wirtschaftsleistung nahm zu, wenn man das Coronajahr 2020 ausblendet. Und die von ihm geforderte gesteigerte lokale Fertigung hilft uns gerade jetzt sehr. Aber wir hatten unter Trump auch ein bis dato nicht gekanntes Problem, nämlich hochqualifiziertes Personal aus Deutschland einzustellen. Ein Beispiel: Eine deutsche Praktikantin, die wir hier anderthalb Jahren beschäftigten und anschließend fest anstellen wollten, musste das Land verlassen, weil sie kein Arbeitsvisum bekam.
In wenigen Tagen wird Joe Biden sein Amt antreten. Welche Hoffnungen und Erwartungen verbinden Sie mit dem neuen US-Präsidenten?
Joe Biden ist berechenbarer als sein Vorgänger. Das sorgt für Planungssicherheit. Er wird die internationale Zusammenarbeit stärken. Wie sein Vorgänger auch wird er die lokale Wertschöpfung ins Zentrum seiner Wirtschaftspolitik stellen. Trumps Protektionismus in der Wirtschaftspolitik unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von Bidens Wirtschaftsprogramm. Nur die Beweggründe sind andere: Trump hatte die Profitmaximierung im Blick, Biden will den unteren Bevölkerungsschichten bessere Chancen ermöglichen. Dazu müssen mehr Jobs hier bleiben. Das kommt Groninger entgegen.
Inwiefern?
Mit lokaler Produktion von Teilen sind wir rascher beim Kunden. Der Fachkräftemangel macht uns aber zu schaffen. Deshalb haben wir vor fünf Jahren eine unternehmensinterne Berufsausbildung für Mechatroniker nach deutschem Vorbild ins Leben gerufen. Dieses innovative Ausbildungsmodell weckte sogar das Interesse von Obamas Regierung, die sich von Groninger dazu beraten ließ.
Der neue Präsident macht Hoffnung auf einen Neuanfang in den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Welche Erwartungen haben Sie?
Ich wünsche mir, dass Deutschland und Europa sich als verlässliche Partner und Freunde der USA präsentieren, ohne Vorurteile. Ich bin sicher: Unter dem neuen Präsidenten wird sich das USA-Bild in Europa und der Welt wieder verbessern, was zu mehr gegenseitigem Austausch führen wird. Die globale Kooperation hat der Welt über Jahrzehnte viel Gutes gebracht.