Ein Jahr ist es nun her, dass wir mit dem Kürzel Sars-Cov-2 Bekanntschaft gemacht haben. Danach ging alles bekanntermaßen rasend schnell. Normal war nur noch, dass nichts mehr normal war. Es hilft wenig, all die Zitate von damals besserwisserisch aufzuwärmen. Jedenfalls gingen wohl die meisten lange davon aus, bis Ostern, aber sicher spätestens Pfingsten sollte sich alles wieder irgendwie eingerenkt haben. Wir haben das Nichts von „nichts mehr normal" unterschätzt.
Damit könnte der Welt-Nichts-Tag (16. Januar) zu ganz neuen Ehren kommen. Der wurde einst in den USA erfunden, sozusagen als selbst verordnete Pause im ständigen (Konsum-)Rausch. Die Pause im ersten Lockdown mag ja noch – teilweise zumindest – ganz nette Seiten gehabt haben, zumal die Baumärkte offen waren. Die Wertstoffzentren konnten danach bezeugen, dass die Zeit vielfach alles andere als eine Nichtstun-Zeit war.
Inzwischen lässt das Nichtstun aber die Nerven ziemlich blank liegen. Es ist eine merkwürdige Form, gegen etwas anzukämpfen durch permanente Zurückhaltung, und das in einer Gesellschaft, die eigentlich nichts anderes kennt als das ständige und immer rastlosere Treiben in der permanenten Angst, etwas zu verpassen. Dazu gleichzeitig die Erwartung, dass alles auf Knopfdruck sofort und perfekt funktioniert. Wobei uns vielfach Algorithmen immer öfter sogar die Betätigung des Knopfdrucks abnehmen.
Je länger die Ungewissheiten dauern, umso mehr macht sich die Suche nach möglichen Schuldigen breit. Und das längst nicht mehr nur in den Kreisen, die dabei üblicherweise schnell bei der Hand sind. Die jüngsten Auseinandersetzungen um die angelaufenen Impfungen sind nur ein Beispiel. Dass jetzt der Streit um die Einteilung der Welt in Geimpfte und den Rest entbrannt ist, war vorhersehbar. Auch der zeigt ein Stück mehr das wahre Gesicht unserer Gesellschaft.
Wir bräuchten alle dringend einen Welt-Nichts-Tag, Luft holen von der Erkenntnis, dass wirklich nichts mehr so ist wie noch vor einem Jahr. Und auch nicht mehr so sein wird. Nur: Wer sagt das dem Virus? Das hat bislang so gar kein Verständnis für menschliche Bedürfnisse entwickelt. Damit wird Virus sei Dank auch aus dem Nichts-Tag nichts.