Stellt die deutsche Sprache ihre Komparativ-Regeln manchmal auf den Kopf?
Wer mit offenen Ohren durch unser Land geht, kann es nicht überhören: Die „Besserverdienenden" sind auch hinter der Maske wieder in aller Munde. Der Staat soll Besserverdiener höher besteuern; Besserverdienende sollen mehr an den Lasten der Allgemeinheit beteiligt werden; Besserverdienende werden allerorts bevorzugt; Besserverdienende kaufen schlechter gestellten Mitbürgern die FFP2-Masken weg und so weiter.
Aber wer gehört eigentlich zu den Besserverdienenden? Hoffentlich nicht Sie, liebe Leserinnen und Leser, denn diese bedauernswerte Bevölkerungsgruppe soll anscheinend immer zur Kasse gebeten werden, wenn der Staat mit seinem Einkommen nicht mehr auskommt.
Damit wir uns mit diesem Thema kompetent auseinandersetzen können, sollte erst mal der Begriff „Besserverdienende" geklärt werden. Nehmen wir mal eine Putzfrau oder selbstverständlich genauso gern einen Putzmann. Beide verdienen, sagen wir, zwölf Euro pro Stunde. Niemand würde ein solches Entgelt als „gut" bezeichnen, allenfalls wäre „so lala" angebracht. Zahlt der Auftraggeber seiner Putzkraft statt zwölf Euro nun plötzlich 13, verdient diese ohne Frage ja „besser" als vorher. Darf man sie dann schon zu den Besserverdienenden zählen? Ist also jeder, der irgendwann mal besser verdient als vorher ein Besserverdiener? Unsere Sprache scheint da tatsächlich ein wenig ungenau zu sein!
Außerdem fällt auf, dass in Notzeiten zwar regelmäßig gefordert wird, die Besserverdienenden zu schröpfen, von den richtig Gutverdienenden ist in diesem Zusammenhang aber eigentlich nie die Rede. Wir vermuten, weil es einfach weniger Gutverdiener gibt als Besserverdiener!? Hängt unser Staat vielleicht lieber die Besserverdiener und lässt die Großverdiener laufen!?
Jedenfalls scheinen im Deutschen die sprachlichen Komparativregeln, die eine Steigerung von „gut" über „besser" bis hin zu „am besten" vorsehen, öfter mal Kopf zu stehen: Ein Besserverdiener ist eben noch lang kein Gutverdienender und ein Besserwisser weiß auch nicht immer gut Bescheid. Fragt man jemand nach einem Krankenhausaufenthalt, ob er sich inzwischen wieder besser fühlt, weiß man genau, dass es ihm noch längst nicht gut geht. Auch würde sich jeder „älterer Herr" immer energisch dagegen verwahren, dass ihn jemand abwertend als „alten Mann" bezeichnet. Und wir kennen Frauen, die sich stets zu „jüngeren" Männern hingezogen fühlen, von „jungen" aber die Hände wohlweislich fernhalten.
Wer sich irgendwann mal ein „größeres" Auto anschaffen möchte, weiß meist genau, dass er sich aus finanziellen Gründen ein „großes" Auto gar nicht leisten kann. Womöglich war er ja zuvor auch schon notgedrungen in eine „größere" Wohnung gezogen, weil die erträumte „große" unerschwinglich war.
Noch ein Beispiel gefällig? Einer unserer Bekannten ist weit davon entfernt, dass man ihn „schön" nennen könnte. Trotzdem sind sich alle Damen im Umfeld einig, dass er mit Maske jetzt deutlich „schöner" aussieht.
Da verstehe mal einer unsere deutsche Sprache richtig! „Besser" scheint oft schlechter zu sein als „gut", „älter" häufig jünger als „alt" und „schöner" längst nicht immer so attraktiv wie „schön". Genau deshalb verdient ein Besserverdiener meist schlechter als ein Gutverdiener. Logo!?
Womit wir wieder bei unserem Thema sind. Wenn der Staat die Besserverdienenden ständig zur Kasse bittet, werden sie nach Adam Riese nach und nach immer schlechter dastehen. Womöglich werden sie – nach Abzug aller Abzüge – irgendwann zu „Schlechterverdienenden". Was ja – so viel haben wir inzwischen gelernt – aus ihnen noch lange keine „Schlechtverdienende" macht, denn „schlechter" ist ja häufig noch um einiges besser als „schlecht"! Alles klar!?
Wenn der Staat also aus den „Besserverdienenden" nach und nach „Schlechterverdienende" machen würde, so wäre dies auf Dauer doch ein „dickerer" Hund!
Nein, nein: kein „dicker" Hund: das nun auch wieder nicht. Nur ein „dickerer" Hund! Ein Hund eben, der dünner ist als ein dicker!