Im Januar 1981 fand in Teheran eine der längsten Geiselnahmen in der Geschichte ein glückliches Ende. Die Gefangennahme von 52 US-Bürgern war Höhepunkt der Islamischen Revolution und eine schwere Demütigung, die sich tief ins kollektive Gedächtnis der USA eingebrannt hat.
An jenem Januarmorgen 1981 war es gespenstisch still auf dem Teheraner Flughafen Mehrabad, denn dieser war an dem Tag für sämtlichen Luftverkehr gesperrt worden. Mit Ausnahme einer einzigen Maschine der algerischen Fluggesellschaft „Air Algérie", der das iranische Mullah-Regime unter Führung von Ayatollah Rubollah Khomeini, dem Architekten und Drahtzieher der Islamischen Revolution, eine Lande- und Startgenehmigung erteilt hatte. Die Maschine sollte die seit 444 Tagen in Teheran inhaftierten 52 US-Geiseln an Bord nehmen. Einen Tag zuvor war in Algier unter maßgeblicher algerischer Beteiligung ein Abkommen zwischen dem Iran und den USA geschlossen worden. Die „Algier Accords" war die Grundlage der Freilassung der Geiseln. Lange hatte es so ausgesehen, als ob die von den USA ab dem Juli 1980 intensivierten Bemühungen um eine Verhandlungslösung zur Freilassung ihrer Botschaftsangehörigen wegen des Widerstands der iranischen Hardliner zum Scheitern verurteilt sein würden. Auf Bitten der USA wurde Algerien als Vermittler eingeschaltet, und dies brachte schließlich den Durchbruch. Das nordafrikanische Land schien für diese Rolle prädestiniert, hatte es doch schon rund fünf Jahre zuvor im März 1975 wesentlich dazu beigetragen, dass der Grenzkonflikt zwischen Iran und Irak rund um den Fluss Schatt el Arab vorübergehend beigelegt werden konnte.
Die Schritte der US-Bürger hin zur Gangway waren so etwas wie ein letzter Spießrutenlauf, mussten sie doch ein Spalier von in Doppelreihen angetretenen und „Tod für Amerika" skandierenden Studenten passieren. Die Amerikaner wurden nach Frankfurt am Main ausgeflogen und anschließend nach Wiesbaden transferiert, wo sie am Abend des 20. Januar von Jimmy Carter empfangen wurden. Dieser war exakt am gleichen Tag als US-Präsident von Ronald Reagan abgelöst worden, weil seine Landsleute ihn für die in einer gescheiterten Geiselbefreiungsaktion gipfelnden Unzulänglichkeiten im Umgang mit dem Mullah-Regime verantwortlich gemacht hatten. Wie tief der Stachel der Demütigung durch den Iran auch heute noch im kollektiven Bewusstsein der USA verankert ist, ließ sich Anfang Januar 2020 aus einer gegen Teheran gerichteten Drohung von US-Präsident Donald Trump ablesen. In Anspielung auf die 52 Geiseln hatte dieser Vergeltungsschläge auf exakt 52 wichtige Ziele im Iran für den Fall angekündigt, dass sich die Machthaber in Teheran zu militärischen Reaktionen auf die Tötung des iranischen Generals Quasem Soleimani durch US-Kräfte würden hinreißen lassen. Nach Rückkehr in die USA wurden die ehemaligen Geiseln 1981 wie Nationalhelden gefeiert. Doch erst Ende Dezember 2015 wurde ihnen oder ihren Nachkommen mit reichlich Verspätung Entschädigungszahlungen für das erlittene Geisel-Trauma in Höhe mehrerer Millionen Dollar zugesprochen.
Desaströse Befreiungsaktion kostete Carter sein Amt
Das Drama, das dank ausführlicher TV-Berichterstattung quasi live vor den Augen der entsetzten Weltöffentlichkeit ablief, nahm am 4. November 1979 seinen Anfang. Um die Mittagszeit erstürmten etwa 400 iranische Studenten, die sich schon seit dem frühen Morgen US-Fahnen verbrennend und Parolen wie „Tod für Amerika" oder „Geht nach Hause, Yankees" brüllend vor dem Gebäude zusammengerottet hatten, die US-Botschaft in Teheran. Das war eine gravierende Verletzung des Völkerrechts, schließlich genießen Landesvertretungen exterritoriale Immunität und stehen daher unter dem besonderen Schutz des Gastlandes. Die Vereinten Nationen waren daher ebenso schockiert wie die US-Regierung unter Präsident Carter, auch wenn es einem ähnlichen Vorfall bereits im Februar 1979, einen Monat nach der Flucht von Schah Mohammed Reza Pahlavi und der damit beginnenden Islamischen Revolution, gegeben hatte. Allerdings wurde dem Spuk seinerzeit durch den gerade aus seinem Pariser Exil zurückgekehrten und sofort zur Speerspitze des Aufstands aufgestiegenen Ajatollah Ruhollah Chomeini schnell ein Ende bereitet.
Am 4. November 1979 ließ er die Studenten nicht nur gewähren, sondern hatte die Aktion womöglich sogar ganz bewusst durch eine am gleichen Tag veröffentlichte Erklärung initiiert. Es sei Sache „der lieben Schüler, Studenten und Theologiestudenten, mit all ihrer Kraft die Angriffe gegen die USA und Israel zu verstärken, sodass sie die USA zwingen können, den abgesetzten und kriminellen Schah auszuliefern." Es ist kaum vorstellbar, dass die iranische Führung in das Geschehen nicht involviert war. Vor allem Chomeini selbst dürfte die Aktion gut ins Konzept gepasst haben, um seine eigene Position als starker Mann im brodelnden Kessel der Revolution weiter zu festigen und liberalere Kräfte wie den für einen Ausgleich mit den USA eintretenden Premierminister Mehdi Basergan endgültig auszuschalten.
Um die Massen des Volkes geschlossen hinter sich zu scharen, brauchte er nur das Bild des im gesamten Land weithin verhassten Todfeindes USA zu beschwören. Schließlich hatte im Iran niemand die entscheidende Rolle der CIA beim Putsch des Jahres 1953 vergessen, als der weltweit hochgeachtete und parlamentarisch legitimierte Premierminister Mohammed Mossadegh auf Betreiben der USA gestürzt worden war, weil er angloamerikanische Wirtschaftsinteressen durch die Verstaatlichung der iranischen Erdölindustrie beeinträchtigt hatte. Indem die USA Schah Mohammed Reza Pahlevi beim Aufbau seines autoritären Regimes unterstützten und als gefügige Marionette im Amt bewahrten, konnten sie sich nicht nur einen verlässlichen Öllieferanten, sondern auch einen wichtigen strategischen Verbündeten in der heiklen Golfregion sichern. Dass der Schah unter der Modernisierung seines Landes vor allem eine forcierte Verwestlichung in Richtung eines Coca-Cola-Imperialismus verstand, wurde ihm von der überwiegenden Mehrheit seiner Landsleute als Ausverkauf materieller, religiöser und kultureller Werte verübelt.
Immer wieder gab es Schein-Erschießungen
Vor diesem historischen Hintergrund war die mit der Geiselnahme verbundene Attacke auf die USA im gesamten Land populär. Sie wurde so etwas wie der Höhepunkt der Islamischen Revolution. Der Mob versammelte sich täglich vor der Botschaft, um die öffentliche Demütigung der gefesselten und Augenbinden tragenden Gefangenen zu bejubeln. Von den anfänglich 66 Geiseln blieben nach Freilassung der meisten Frauen und aller Afroamerikaner 52 US-Bürger in Gewahrsam. Die Behandlung durch die studentischen Kerkermeister schwankte zwischen korrekt und brutal – inklusive Schlägen und Schein-Erschießungen. Die Forderung der Geiselnehmer nach Auslieferung von Schah Reza Pahlevi, der sich zu ärztlichen Behandlungen in den Staaten aufgehalten hatte, wollten die USA keinesfalls erfüllen. Das Druckmittel der sofort eingeleiteten Wirtschaftssanktionen, beispielsweise Handelsembargo, Import-Stopp für iranisches Öl oder Einfrierung iranischer Guthaben in den USA, konnte Teheran nicht zum Einlenken bewegen. UN-Sanktionen scheiterten am Veto der Sowjetunion. Einer im Weißen Haus diskutierten militärischen Intervention zur Befreiung der Geiseln erteilte Präsident Carter unter Hinweis auf die Gefährdung der Leben der Inhaftierten eine Absage. Auch das Trauma des 1975 endgültig verlorenen Vietnam-Kriegs dürfte in den Köpfen der US-Verantwortlichen noch herumgeschwirrt haben.
Schließlich ließ sich Carter doch noch zu einer dilettantisch ausgeführten Befreiungsaktion namens „Operation Adlerklaue" hinreißen, die in der Nacht zum 25. April 1980 kläglich scheiterte. Drei der sechs von einem US-Flugzeugträger gestarteten Helikopter, die in der iranischen Wüste abgesetzte Elitetruppen nach Teheran transportieren sollten, wurden durch einen Sandsturm lahmgelegt. Der Einsatz musste abgebrochen werden, auf dem Rückflug kam es zu einer Kollision zwischen einem Hubschrauber und einem Transportflugzeug mit acht Toten. Dieses Fiasko, das eine Verteilung der Gefangenen auf das ganze Land und ihre Überführung unter staatliche Aufsicht zur Folge hatte, wurde Carter schwer angelastet. Der US-Präsidentenwahlkampf war für ihn danach verloren.
Mit dem Tod des Schahs am 27. Juli 1980 und dem Ausbruch des ersten Golfkriegs am 22. September 1980 durch den Einmarsch irakischer Truppen in den Iran wurden die US-Geiseln für die Mullahs immer mehr zu einer Bürde. Jetzt ging es im Wesentlichen nur noch darum, in Verhandlungen mit den USA verbindliche Zusagen darüber zu erhalten, dass die Amerikaner nach Freilassung der Geiseln keinen militärischen Vergeltungsschlag ausführen durften, dass die eingefrorenen iranischen Vermögenswerte wieder freigegeben und die Handelssanktionen wieder aufgehoben werden mussten.
Das Geiseldrama ist bis heute eine schwere Belastung für das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran, die seit April 1980 keine diplomatischen Beziehungen mehr unterhalten. Die Amerikaner können die Demütigung nicht vergessen und sehen den Iran bis heute entsprechend ablehnend.