Die Impfung gibt vielen Menschen Hoffnung, nach fast einem Jahr der Pandemie endlich wieder ein Stück Normalität zurückzugewinnen. Irmgard Rausch ist eine der ersten Saarländerinnen, die ihre zweite Impfdosis erhält.
Nervös ist sie nicht mehr. Das war sie bei ihrem ersten Termin. „Mittlerweile fühle ich mich eher erleichtert", sagt Irmgard Rausch. Die 80-Jährige steht zum zweiten Mal in der Schlange zum Corona-Impfzentrum Ost in Neunkirchen. So viel Betrieb wie in den vergangenen Wochen hat das Gelände des ehemaligen Max Bahr-Baumarkts schon lange nicht mehr gesehen. Etwa 150 Menschen lassen sich pro Tag in den Räumlichkeiten impfen, die zum 28. Dezember 2020 ihre Türen geöffnet hatten. Irmgard Rausch war zu der Zeit eine der ersten, die sich das Mittel in einem der drei saarländischen Impfzentren verabreichen lies. Um 9.20 Uhr, als der Betrieb gerade einmal seit 20 Minuten lief.
Auch dieses Mal ist sie eine der ersten, die sich ihre zweite Impfdosis abholt. Denn die drei Wochen, die zwischen den beiden Terminen liegen sollen, sind vergangen. Mit ihr vor Ort ist ihre Tochter Patricia Schmidt-Rausch. Auch beim ersten Termin hatte sie ihre Mutter begleitet.
„Manchmal etwas unübersichtlich"
„Entschuldigung – können Sie bitte auf die Abstände achten?", sind die ersten Worte, die aus dem Inneren dringen. Denn hinter den automatischen Schiebetüren heißt es erst einmal warten. Dieses Mal ein wenig länger, wie bereits kurz nach Betreten des Impfzentrums mitgeteilt wird. Mit gebotenem Abstand reihen sich die anwesenden Impfwilligen hintereinander in die in einer Art Parcours abgetrennten Gänge. „Einmal bitte stehen bleiben", spricht ein Mitarbeiter die Seniorin an. „Wir müssen kurz Ihre Temperatur messen." Erst nachdem sowohl sie wie auch ihre Begleitung auf Fieber überprüft sind, geht es weiter Richtung Check-in. Ein junger Mitarbeiter lässt sich den Namen nennen, überprüft den Termin in seinem Rechner und winkt sie schließlich durch.
Weitere Absperrungen trennen Irmgard Rausch nun von der eigentlichen Anmeldung. Ein wenig sieht es aus wie der Einlass in eine Konzerthalle. Nur alle mit Maske und einem deutlich höheren Altersdurchschnitt.
An Schalter B – einer von sechs Anmeldeschaltern – zeigt die Rentnerin schließlich ihren QR-Code vor. „Beim letzten Mal gab es hier Probleme", erinnert sich Patricia Schmidt-Rausch. Allerdings nicht bei ihnen, sondern bei einer Gruppe Senioren, die zwar eine Anmelde-bestätigung erhalten hatten, aber keinen Code zugeschickt bekamen. Ohne Code gibt es aber keine Impfung. Grund für die Probleme waren technische Schwierigkeiten bei der Online-Buchung. Das saarländische Gesundheitsministerium hatte schnell nach Lösungen für die betroffenen Personen gesucht. Dennoch stieß der Fehler bei einigen bitter auf. Schmidt-Rausch ist auch deshalb wichtig zu betonen: „Das Personal ist sehr freundlich mit der Gruppe umgegangen und hat auch sofort Rücksprache mit dem Ministerium gehalten."
Dieses Mal gibt es keine Probleme. Weder bei Irmgard Rausch, noch erkennbar bei sonst jemandem. Die Dame im Container reicht ihr einen Anam-nesebogen und einen „Laufzettel", lässt sich kurz den Ausweis zeigen und schickt sie weiter. Ein Mitarbeiter steht schon bereit, um den Tresen zu desinfizieren, an welchem sie zuvor gestanden hat. „Hier wird sehr viel Wert auf Hygiene gelegt", sagt sie.
Direkt hinter der Anmeldung steht die Information. In Abstand zueinander sind Stühle aufgereiht, auf welchen auch Irmgard Rausch Platz nimmt, um ihren Bogen auszufüllen. „Da gebe ich an, ob ich an chronischen Erkrankungen oder Allergien leide, ob ich Blut verdünnende Medikamente nehme und ob ich mich zurzeit krank fühle", erklärt sie, während sie ihre Kreuzchen setzt. Den Bogen nimmt ein junger Bundeswehrsoldat entgegen. Er ist einer von zehn Soldaten, die die insgesamt 36 Mitarbeiter des Impfzentrums Ost unterstützen. „Das hier ist ihre Nummer. Wenn die auf dem Bildschirm angezeigt wird, dürfen Sie direkt in die entsprechende Kabine", erläutert er ihr mit Blick auf den „Laufzettel".
28-08933 steht dick aufgedruckt auf dem Papier. Auf dem großen Fernsehbildschirm vor ihr ist die Nummer aber noch nicht zu entdecken. Ein bisschen sieht es aus wie auf der Passstelle. Nummer ziehen, abwarten, Schalter so-und-so-viel. „Das finde ich etwas unübersichtlich", sagt Irmgard Rausch, während neue Nummern auf dem Bildschirm aufleuchten, und schnell wird klar, was sie damit meint: „Die Nummern kommen nicht sortiert in einer Reihenfolge, sondern wild durcheinander. Da muss man immer wieder alles durchschauen, um seine eigene Nummer nicht zu verpassen."
Nach einigen Minuten springt die Anzeige um: 28-08933, Kabine 2. Die Kabinen, kleine, mit Messewänden abgetrennte Räume, sind hintereinander aufgereiht. 18 an der Zahl erstrecken sich durch die Halle. Gerade jetzt, um kurz vor neun in der Früh, sind erst sieben in Benutzung. Das wird sich um die Mittagszeit ändern. „Wir sind aber auch noch nicht voll ausgelastet", ergänzt eine Mitarbeiterin. Wenn die Zahl der Impfungen zunimmt, werden auch mehr Kabinen und somit auch mehr Mitarbeiter gebraucht werden.
In der Kabine angekommen, folgt erst einmal ein ärztliches Aufklärungsgespräch. „Ihre erste Impfung?", fragt die junge Ärztin. „Nein, das ist mein zweiter Termin", antwortet Irmgard Rausch. „Wie haben Sie sich nach dem letzten Mal gefühlt?", fährt die Medizinerin fort. „Ganz normal, ich hatte keine Nebenwirkungen", sagt die Seniorin. Dabei hatte sie vor ihrer ersten Impfung etwas Sorge. „Man hört ja so viel über mögliche Nachwirkungen und angebliche Risiken. Da weiß man oft nicht, was man glauben soll." Die Ärztin nickt zufrieden, weist sie aber dennoch darauf hin, dass es nach der zweiten Impfdosis wahrscheinlicher ist, Symptome zu bekommen als nach der ersten. Diese würden sich aber nicht von den Nebenwirkungen der Grippeimpfung unterscheiden. Dennoch solle sie zum Arzt, sollte sie Fieber bekommen, das länger anhält.
„Ich hatte keine Nebenwirkungen"
Erst nachdem die Seniorin keine Fragen mehr hat, ist es so weit: Die Impfung findet statt. Nicht von der Ärztin, die die medizinische Aufklärung durchgeführt hat, sondern von einer Krankenpflegerin. „Das war sogar noch besser gestochen als bei der ersten Impfung", lobt Irmgard Rausch die Frau mit der Spritze.
Dann heißt es wieder warten, 30 Minuten in einem Extra-Bereich. Das dient der Beobachtung, denn nach jeder Impfung kann es zu Komplikationen, wie beispielsweise Kreislaufproblemen kommen. Auch hier ist ein Mitarbeiter mit Desinfektionsmittel und Tüchern unterwegs, der die freien Stühle für die Wartenden reinigt. „Ich bin froh, wenn ich jetzt endlich wieder meine Familie bei mir haben kann", sagt die 80-jährige schließlich. Der Abstand zu ihren Liebsten sei ihr in den vergangenen Monaten besonders schwer gefallen. „Ich vermisse es, meine Tochter oder auch meine Enkelin in den Arm nehmen zu können." „Wir sind alle berufstätig und hatten immer Angst, sie anzustecken", ergänzt ihre Tochter. Das war auch einer der Gründe, warum die Dame sich für eine Impfung entschieden hatte.
„Alleine hätte ich das nicht gekonnt", sagt Irmgard Rausch. Eine Kritik, die viele Saarländer äußerten. Denn viele Menschen über 80 haben keinen Zugang zum Internet, nicht jeder eine Familie oder Bekannte, die helfen können. „Daher habe ich mich sehr über das Schreiben unseres Bürgermeisters gefreut." Die Bürgermeister wurden vom Gesundheitsministerium darum gebeten, all die postalisch zu informieren, die aktuell einen Anspruch auf eine Impfung haben. „In dem Brief war sehr verständlich erklärt, was man tun muss, um auf die Warteliste zu kommen. Außerdem sind auch Hilfsangebote für Leute aufgeführt, die nicht mobil sind oder niemanden haben, der ihnen bei der Anmeldung hilft."
Gewartet hat Irmgard Rausch nun genug. Am Check-out gibt es schließlich den lang ersehnten Aufkleber in den Impfpass – und damit verbunden den ersten Schritt zurück in Richtung Normalität.