Armin Laschet ist CDU-Chef. Kaum gewählt, stellen sich Fragen nach seiner Autorität innerhalb der eigenen Partei und der Union insgesamt. Es geht um Inhalte, Macht und Kanzlerkandidatur.
Es ist immer die kleine, kaum beachtete Nebensächlichkeit, die das geneigte Publikum kaum mitbekommt, die aber am Ende das politische Geschäft bestimmen kann. Gerade in Digitalzeiten. In der Fragerunde beim CDU-Bundesparteitag tauchte plötzlich via Zuschaltung Jens Spahn auf und stellte keine Frage, wie von der Regie vorgesehen, sondern hielt einfach mal eine Werberede für Armin Laschet. Die beiden Mitbewerber, Friedrich Merz und Norbert Röttgen, starrten ungläubig auf den Monitor. Ausgetrickst. Wer auch immer in der Parteitagsregie Jens Spahn kurz vor dem ersten Wahlgang in die virtuelle Fragestunde geschaltet hat, ihm ist ein Job in der neuen CDU-Führungsmannschaft sicher.
Böse Gerüchte mutmaßen, dahinter stecke Generalsekretär Paul Ziemiak. Der hätte eigentlich dazwischen gehen müssen, denn Fragerunde ist Fragerunde. Ziemiak hielt sich zurück. Kein Wunder. Der neue CDU-Chef Laschet hatte ihm bereits im letzten Sommer zugesagt, wird er, Laschet, Vorsitzender, ist der Job als Generalsekretär bis Dezember 2023, dem nächsten ordentlichen Wahlparteitag der CDU, sicher. Laschet gewann, Ziemiak moderierte ab. Damit geht der nächste Machtkampf in der CDU erst richtig los.
Ein weiterer hat sich mit seiner Spitzenkandidatur zum CDU-Vorsitz ebenfalls seine Macht gesichert. Norbert Röttgen sitzt wieder im CDU-Präsidium. Nachdem er in der ersten Runde ziemlich erwartbar rausgeflogen war, soll er seine Anhänger aufgefordert haben, Laschet und nicht Merz zu wählen. Damit sicherte sich Röttgen wieder einen festen Platz in der CDU-Leitstelle, im Adenauerhaus.
Dazu kommt, Laschet ist mit 53 Prozent von den 1.001 Delegierten vorerst zum designierten Parteichef gewählt worden, jetzt muss bis Anfang Februar die Briefwahl abgewartet werden, ob die 521 Laschet-Wähler dies auch schriftlich bestätigen. Diese erneute Hängepartie nutzte noch auf dem laufenden Parteitag umgehend Friedrich Merz. Wenn Armin Laschet ihn enger in die zukünftige Parteiarbeit einbinden wolle, dann soll Laschet eine Kabinettumbildung durchsetzen und ihn als Wirtschaftsminister berufen lassen. Keine drei Stunden nach seiner Wahl stand Laschet damit bereits mitten im wabernden CDU-Machtkampf. Willkommen im Haifischbecken.
Der frisch gewählte Parteichef reagierte umgehend und versprach, in einer möglichen Unions-Regierung nach der Bundestagswahl werde Merz eine dementsprechende Position in der neuen Regierung bekommen, sichtlich bemüht, den konservativen Wirtschaftsflügel wieder einzufangen, der laut Online-Wahlergebnis immerhin 47 Prozent der Delegierten ausmacht.
Der zum zweiten Mal geschlagene Merz will im Gespräch bleiben, zeigen, dass er noch da ist. Der Vorgang zeigt, dass die CDU nach der jetzigen Wahl nicht viel weiter ist als am 7. Dezember 2018 nach der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Hamburger Bundesparteitag.
Die jetzt Ex-Chefin Kramp-Karrenbauer hatte im FORUM-Gespräch Ende Oktober eingeräumt, dass sie die Berliner Bühne unterschätzt habe. Das fing schon im Adenauerhaus, der Parteizentrale, an. Vor gut zwei Jahren zog dort eine Parteivorsitzende ein, die das hausinterne Machtgefüge überhaupt nicht kannte. Obendrein war das Adenauerhaus damals nach fast 14 Jahren Merkel-Kanzlerschaft (und 18 Jahren Parteivorsitz) weitgehend entmachtet, personell ausgeblutet.
Kanzlerkandidatur sichert traditionell die Macht
Ein Vorteil für Laschet ist, dass er einen Generalsekretär hat, der sich seit zwei Jahren eine kleine Hausmacht aufbauen konnte. Das könnte aber auch ein Problem werden, denn kein Politiker teilt gern seine Hausmacht, auch nicht mit einem frisch gekürten Chef. Gleichzeitig hat die Parteizentrale in den letzten zehn Monaten einen wahren Aderlass von Führungspersonal hinter sich. Die wirklich guten Leute hatten auf den Dauermachtkampf im Haus keine Lust, vor allem, weil keiner von ihnen wusste, wie lange sie ihre Position noch haben, wenn ein neuer Parteivorsitzender kommt. Da nahmen etliche lieber lukrative Jobs woanders an. Nun wird der neue CDU-Chef das machen, was man in dieser neuen Position immer wieder gern macht. Der neue Herr besetzt die Position mit seinen Leuten, vor allem aus der Düsseldorfer NRW-Machtzentrale. Das ist schön für sie, aber erfahrungsgemäß nicht zwingend von Vorteil für die Berliner Parteizentrale. Einarbeitungszeiten von ein paar Monaten bringen Reibungsverluste, und das, wo eigentlich Wahlkampfvorbereitungen schon auf Hochtouren laufen müssten.
Erinnerungen werden wach an den Bundestagswahlkampf 2017. Zwölf Wochen vor dem Wahltermin wurde der damalige Kanzleramtsminister Peter Altmaier plötzlich Wahlkampfchef. Doch „Merkels Feuerwehrmann" konnte auch nicht mehr viel retten, die CDU fuhr ihr bis dahin schlechtestes Wahlergebnis aller Bundestagswahlen ein. Es gibt eine Parteifreundin, die Armin Laschet jetzt vor allen Tücken des Adenauerhauses warnen könnte: Annegret Kramp-Karrenbauer.
Aber „Gretelchen", wie sie spöttisch in den Fluren der CDU-Zentrale genannt wurde, dürfte kaum vergessen haben, dass auch Armin Laschet als Chef des mächtigen NRW-Landesverbandes an den Sticheleien gegen sie beteiligt war. Von ihr ist also kaum Hilfe zu erwarten. Und für Laschet kommt es noch dicker. Entgegen der üblichen Gepflogenheit dürfte es für ihn keine Schonfrist geben, keine 100 Tage zum ruhigen Einarbeiten.
Geht es nach dem Willen von CSU-Chef Markus Söder, soll bis Mittwoch nach Ostern die Unions-Kanzlerkandidatur endgültig geklärt sein, also binnen 80 Tage nach Laschets Wahl. Damit entbrennt in den kommenden Wochen nicht nur ein parteiinterner CDU- Machtkampf um die Deutungshoheit in den eigenen Reihen, sondern auch noch mit der Unions-Bundestagsfraktion und obendrein mit der CSU-Schwester in Bayern. Laschet will
Kanzlerkandidat werden, noch im FORUM-Gespräch im Bundesrat eine Woche vor Weihnachten wurde er nicht müde zu betonen, dass er ja immerhin im bevölkerungsreichsten Bundesland der „kleinen Königin" vom Rhein die Krone entrissen hat (gemeint ist Hannelore Kraft, SPD). „Wer hier eine Wahl gewinnt, kann dies auch auf Bundesebene." Übrigens hat auch Ministerpräsident Markus Söder im FORUM-Interview im Oktober Ähnliches zu Protokoll gegeben, nur eben auf bayerisch.
Von beiden qua Amt offiziellen Aspiranten auf die Unionskanzlerkandidatur hat Söder aktuell wesentlich bessere Umfragewerte und vor allem auch „die längere Regierungserfahrung", wie man immer wieder gern in der Münchner Staatskanzlei betont. Doch es gibt mindestens noch einen Dritten, und der hat derzeit von allen auf Bundesebene die besten Umfragewerte: Jens Spahn, Laschets Tandem-Partner. Nun soll das Modell umgesetzt werden, das viele in der Union bereits seit der Nominierung im März letzten Jahres und erst recht nach dem Pandemie-Jahr präferieren: Laschet CDU-Chef, Spahn Kanzlerkandidat. Allerdings gibt es auch ausreichend Warnung in der CDU vor dem gesplitteten Modell, das schon mit Annegret Kramp-Karenbauer nicht recht funktioniert hat. „In der CDU gehört es schon immer zur guten Tradition, dass Kanzlerschaft und Parteivorsitz in einer Hand liegen".
Das Zitat stammt von Helmut Kohl, vom CDU-Bundesparteitag in Bremen im September 1989. Damals sollte dem Bundeskanzler sein Parteivorsitz entrissen werden, was nicht gelang. Kohl führte bis zu seiner Abwahl 1998 die CDU, insgesamt 25 Jahre. Darum wird Armin Laschet alles machen, dass er den CDU-Vorsitz mit der Unionskanzlerkandidatur krönt, koste es was es wolle, denn offenbar kann man nur so in der CDU seine Macht sichern.