Mit dem Film „Top Gun" erreichte der Fliegerpelz Kultstatus. Nun kehren Jacken und Mäntel aus Lammfell oder täuschend ähnlichem Synthetik-Material zurück. Neben luxuriösen Designer-Ausführungen gibt es die begehrten Jacken auch für den kleineren Geldbeutel.
Obwohl sie weder im Vor- noch im Abspann von „Top Gun" eigens erwähnt wurde, spielte die Lammfell-Bomberjacke im Action-Kultfilm aus dem Jahr 1986 eine ziemlich zentrale Rolle. Schließlich war es ihr zu verdanken, dass Hauptdarsteller Tom Cruise alias Lieutenant Pete „Maverick" Mitchell bei seinen Einsätzen als Kampfpilot der US-Navy in eiskalten Himmelsphären vor lebensgefährlichen Unterkühlungen bewahrt blieb. Mit der Ausstrahlung des Films wurde das dunkle Lederteil mit Fellkragen und etlichen Aufnähern stilbildend und löste in der Männer-Garderobe einen regelrechten Hype aus. Neben lässigen Jeans und T-Shirt rundete nach Maverick-Vorbild eine coole Sonnenbrille im Aviator-Cut diesen lässigen Look ab. Die klassische Fliegerjacke mit hochklappbarem Kragen samt Bündchen und Saum war dabei höchstens taillenlang und konnte mit einem Reißverschluss oder Knöpfen geschlossen werden.
Mittlerweile hat sich dieser Trend natürlich weiterentwickelt. Neben der klassischen Ausführung der Kult-Jacke findet man auf dem Modemarkt auch längere Variationen. Dazu zählen beispielweise edle Lammfell-Coats. Aufgrund ihres vergleichsweise hohen Preises sind diese Ausführungen allerdings fast eine Investition fürs Leben. Deutlich günstiger sind dagegen Jacken und Mäntel aus synthetischem Lammfell-Imitat, das auch als „Borg" bezeichnet wird. Optisch stellen diesen Umsetzungen – aktuell von Marken wie Topman oder River Island – kaum einen Unterschied zum Naturprodukt dar. Was den Tragekomfort angeht, schneiden die preiswerten Ausführungen dagegen etwas schlechter ab. Die Struktur des Materials ist weder sonderlich flexibel noch besonders atmungsaktiv.
Eine deutlich komfortablere und gleichzeig auch nachhaltigere Lösung verspricht dagegen die Schafswolle. Da diese Tiere primär für die Fleischindustrie gezüchtet werden und ihr Fell daher nur ein anfallendes Nebenprodukt ist, scheinen die moralischen Bedenken der Kunden deutlich geringer zu sein. Dieser Meinung schließen sich auch die führenden Mode-Magazine an. So verkündete „Harper’s Bazaar" beispielweise erst kürzlich, dass „Lammfell der einzige Pelz sei, der moralisch noch akzeptiert wird". Wen wundert’s dann noch, dass Shearling auch diesen Winter sowohl Herren-, als auch Damenmode dominiert.
Shearling wurde zunächst beim Militär getragen
Doch wofür steht Shearling überhaupt? Damit bezeichnet man die Haut eines Lammes oder Schafes mit gegerbtem Wildleder auf der einen und dem behandelten Fell auf der anderen Seite. Für hochqualitative Jacken oder Mäntel ist besonders das Fell von Lämmern begehrt, die zum ersten Mal geschoren werden. Im Vergleich zum Fell älterer Tiere hat dieses Fell eine deutlich gleichmäßigere Dichte. Bei klassischen Jacken und Mänteln aus Lammfell wird die eingefettete, glatte und eingefärbte Lederseite außen getragen und das Fell innen. Allerdings muss sich heute niemand mehr an diese praktisch-funktionale Vorgaben halten. Die Möglichkeiten die Jacken umzudrehen und somit inside-out zu tragen, kann daher ebenso auf den internationalen Laufstegen bewundert werden wie die klassische Trageweise. Manche Designer beschränken sich bei ihren Outdoor-Klamotten auch nur auf einen punktuellen Einsatz von Shearling, bei dem meist das Revers mit dem Fell verziert wird. Nicht zu vergessen sind dabei Jeansjacken im Trucker-Stil, die zuweilen auch mit einem Lammfell-Futter oder auch mit Shearling-Kragendetails ausgestattet werden. Auch Stoffjacken können mit Shearling oder Faux Shearling aufgepeppt werden.
Seinen ersten modischen Einsatz hatte Shearling übrigens bei den Fliegerstaffeln. Das lag daran, dass noch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Flugzeuge größtenteils über keinerlei Heizung verfügten. Sowohl im Passagierraum als auch im Cockpit herrschten eisige Temperaturen, weshalb sich die Piloten mit maximalem Klamotten-Layering gegen diese unerbittliche Kälte wappnen mussten. Als oberste Schutzhülle über den Kleiderschichten wurde dabei häufig ein pelzgefütterter Overall namens „Sidcot" getragen. Der britische Sidcot diente der US-Army ab 1934 zum Vorbild neuer Schaffelljacken, für die sich schnell der Name „Bomber jacket" einbürgern sollte. Die Namensgebung ist dabei einfach zu erklären: Diese Jacken wurden einzig und allein für Bomberbesatzungen produziert. Im Jahr 1943 wurde eine etwas dünnere Variante der Oberbekleidung mit zwei Pattentaschen auf der Vorderseite entwickelt. Mit der technischen Innovation beheizter Kabinen verschwand die Bomberjacke Ende des Krieges zugunsten leichter Stoffteile aus dem militärischen Basic-Repertoire und wechselte dank Hollywood-Ikonen wie Marlon Brando oder James Dean in die Männermode. Damit wurde die Jacke ein Synonym für Coolness und Lässigkeit, unterschwellig gepaart mit einem gewissen Flyboy-Touch. Im Zuge der Hippiebewegung der 60er- und 70er-Jahre fand die Lammfelljacke endlich auch ihren Eingang in die Damenbekleidung.
Burberry brachte den Fliegerpelz auf den Catwalk
Richtig etabliert wurden die Sherling-Jacken in der Damenmode dagegen erst Ende 2010. Das britische Traditionslabel Burberry glänzte damals in seiner Winterkollektion mit einer schokoladenbraune Aviator-Jacke die schnell unter Trendsetterinnen zu einem Must-have aufgestiegen ist. Trotz ihres stolzen Preises von rund 1.900 Pfund war diese Jacke in Windeseile ausverkauft. In der gleichen Saison sind ähnliche Lammfell-Stücke auch bei Christopher Kane oder Oasis zu sehen gewesen. Ein vergleichbarer Hype um Shearling – diesmal auch Mäntel einbeziehend – fand im Winter 2017 statt. Modehäuser wie Saint Laurent, Louis Vuitton, Balmain, Etro, Marc Jacobs und Alexander McQueen präsentierten gleich mehrere neue Variationen des Klassikers. Auch im Winter 2020/2021 zählen Shearling-Modelle in Herren- wie Damenmode zu den begehrtesten Kuschelteilen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie sich nonchalant mit so ziemlich allen Klamotten kombinieren lassen. Zudem gilt echtes Shearling als einer der besten natürlichen Isolatoren gegen Kälte und zeigt sich bei guter Pflege extrem langlebig. So lassen sich zum Beispiel etwaige Wasserflecken infolge von Regen einfach und problemlos mit einer weichen Bürste entfernen. Gänzlich vermeiden lassen sich solche Flecken, wenn das Fell die Außenseite ziert.
In der Menswear finden sich solche Shearling-Mäntel unter anderem von Giorgio Armani, Dolce & Gabbana oder Tod’s. In der Ladyswear setzten von allem Modehäuser wie Celine, Dior, Isabel Marant und Miu Miu auf die pflegeleichten Varianten der Oberbekleidung. Auch mit Faux Shearling in Luxus-Qualität – wofür seit Jahren und aktuell mit einem knielangen cremeweißen Mantel Stella McCartney steht – kann einem der Regen natürlich nichts ausmachen.
Bei den klassischen Jacken-Modellen mit der präparierten Lederseite als Außenhülle hat man die Qual der Wahl: zwischen Retro-Umsetzungen im Hippie-Style beispielsweise bei Ann Demeulemeester, Extra-Large-Ausführungen beispielsweise bei Moschino oder Dsquared2, dem Aviator-Original nachempfundenen Teilen wie bei Louis Vuitton oder zwischen mit reichlich Lammfell an Säumen oder Kragen aufblitzenden Pieces wie bei Berluti oder Dior.
Die Kultjacke ist robust und sehr pflegeleicht
Die schönsten Shearling-Mäntel in ihrer aktuellen Herrenkollektion haben wohl Hermès, Prada (vinylbeschichtet), Emporio Armani und Lanvin. Aber auch bei Acne Studios, Schott oder Ami wird man in Sachen Shearling diese Saison reichlich Beute machen können. Für die Damen halten Marken wie Celine, Khaite, Valentino, Sandy Liang oder Isabel Marant sportliche Shearling-Jacken im Bomber-Look parat. Elegante Shearling-Mäntel gibt es eher bei Prada, Hermès, Paco Rabanne, Louis Vuitton, Balenciaga oder Chloé zu kaufen gibt.
Mal schauen, ob Tom Cruise in der zweiten „Top Gun"-Episode, die im Juli 2021 mit dem Untertitel „Maverick" Premiere feiern soll, wieder seine Kultjacke überstreifen wird. Seine Traumfigur hat er ja über die vergangenen 35 Jahre beibehalten können. Und den Steuerknüppel eines Flugzeugs kann er inzwischen auch bedienen, daher durfte er bei den Dreharbeiten Hubschrauber und Jagdflugzeuge selbst navigieren. Cool und stilsicher wie eh und je.