Schulen bleiben grundsätzlich weiter geschlossen. Schüler sorgen sich um ihre Abschlüsse, Öffnungsszenarien werden vorbereitet. Gleichzeitig werden die Lehren aus der Pandemie für die Schule der Zukunft diskutiert.
Bei allen Widrigkeiten ist in der Corona-Krise überdeutlich geworden, wie zentral die Stellung von Schule als gesellschaftlicher Ort ist. Die alte Erfahrung, dass man den eigentlichen Wert von etwas erst richtig wahrnimmt, wenn es plötzlich nicht mehr so selbstverständlich da ist wie zuvor, hat sich während der Schulschließungen und in den Zwischenzeiten einmal mehr eindrucksvoll bewahrheitet.
Ob sich aber danach der andere Spruch, wonach jedem Anfang ein Zauber innewohnt, ebenso bewahrheiten wird, gehört zu den vielen offenen Fragen dieser Pandemie.
Bildungspolitik ist schon in Normalzeiten eines der mühsamsten politischen Geschäfte. Geht es um Entscheidungen für Schulen (und Kitas), ist das gleich eine Diskussion, die im Grunde die gesamte Gesellschaft mittelbar und unmittelbar tangiert. Entsprechend vielstimmig sind die Diskussionen, egal, ob es um sehr Grundsätzliches oder um Detailfragen geht. Was schon unter normalen Umständen gilt, gewinnt in pandemischen Krisenzeiten, auf die niemand wirklich vorbereitet war, an Schärfe. Die einen fordern unablässig klare, stringente und vor allem einheitliche Regeln und kritisieren mit großer Konsequenz das angebliche föderale Chaos. Die anderen halten nicht nur länderspezifische Regelungen, abhängig von den unterschiedlichen Entwicklungen, für sinnvoll, sondern würden am liebsten die Entscheidungen gleich ganz unmittelbar vor Ort ansiedeln, allenfalls mit einem einheitlichen Orientierungsrahmen.
Befürworter strikter Einheitlichkeit argumentieren mit der Verunsicherung, die eine Regelungsvielfalt mit sich bringt. Anhänger einer möglichst weit unten angesiedelten Kompetenz verweisen auf die jeweils spezifischen Situationen, was in Pandemie-Zeiten besonders gelte, denn letztlich stehe jeder Schulstandort unter eigenen besonderen Bedingungen. Schule ist eben nicht gleich Schule.
So differenziert die Schullandschaft, so heterogen sind die Gruppen, die an Schuldiskussionen beteiligt sein wollen. Manche sind in durchsetzungsstarken Verbänden organisiert, andere melden sich bei Einzelfragen vernehmbar zu Wort. Das alles ist schon im normalen schulpolitischen Alltag schwer zu managen und in einen Ausgleich zu bringen. In der Krise mit ihrer permanenten Achterbahnfahrt an Entwicklungen mutet es fast unlösbar an. Zumal die Krise gleichzeitig ganz grundsätzliche Fragen auf den Tisch legt, die sonst im Alltagsgeschäft nicht zwingend die Hauptrolle spielen, während gleichzeitig in konkreten Krisenbewältigungsschritten jeweils ganz praktische Fragen geklärt werden müssen.
Schule als Zukunftsort neu denken
Aktuell dreht sich die Diskussion etwa um Fragen zu Abitur und Abschlüssen oder um ein Wiederöffnungsszenario, sobald die Entwicklungen das ermöglichen. Aktuelle Krisenbewältigung und Zukunftsdebatten vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Ausnahmesituationen müssen Hand in Hand gehen.
Richtig ist, dass sich in der zurückliegenden Zeit vor allem die kritischen Stimmen Gehör verschaffen konnten. Vielfach durchaus zu Recht. Richtig ist aber auch, dass sich bei der Bewältigung der Situationen vor Ort Engagement und Kreativität gezeigt haben, die man dem System Schule vorher nicht ohne Weiteres zugetraut hätte.
Dass das Ende der Kreidezeit jetzt doch schneller gekommen ist als gedacht, vor allem schneller, als es im ständigen Bund-Länder-Gezerre (Stichwort Digitalpakt) denkbar und möglich gewesen wäre, ist eine Erkenntnis. Aber mehr Laptops und Lernplattformen alleine machen noch keine moderne Schule aus. Wie überhaupt die Frage, was eine „moderne Schule" denn sein soll, erst einmal konsensfähig zu beantworten wäre. Dass kleinere Gruppen zur Förderung segensreich sind, ist keine neue Erkenntnis, nun aber sozusagen im ungewollten Feldversuch belegt. Um Schulsozialarbeit wird es in absehbarer Zukunft, so wie sich die Erfahrungen jetzt abzeichnen, keine ernsthaften Debatten (außer mit den Finanzministern) geben.
Das alles sind sicher wesentliche Bedingungen, aber noch keine inhaltlichen Antworten, was und wie die Schule der Zukunft sein wird, sein soll. Diese Antwort jetzt zu erwarten, wäre auch unrealistisch angesichts der unmittelbaren aktuellen Herausforderungen, die mindestens bis zu den Osterferien kaum geringer werden. Es wäre auch derzeit eine überzogene Erwartung. Klar ist aber, dass all die Erfahrungen aus der Krise in die Entwicklung eines neuen Bildes von Schule einfließen müssen, angefangen von der räumlichen Situation über Infrastruktur bis zur personellen Ausstattung, von der Lehrerausbildung bis zu Lehr- und Lernkonzepten – alles orientiert an dem Bild, das von Schule als Zukunftsort der Gesellschaft entwickelt werden muss. Was nach einer ziemlichen Herkulesaufgabe klingt, ist auch eine. Die Krisenerfahrungen bergen zumindest die Chance, sich von gewachsenem Ballast zu trennen und neu Fahrt aufzunehmen.