Robin Jessica Sanzo ist zum zweiten Mal zur Miss Saarland gekürt worden. Seit ihrem ersten Sieg vor zehn Jahren hat sich das Konzept der Miss-Germany-Wahl erheblich gewandelt. Im Interview erzählt die 30-Jährige, wie sie und der Wettbewerb sich verändert haben.
Robin, die Wahl zur Miss Germany war früher ein klassischer Schönheitswettbewerb. Heute geht es darum, dass Frauen mit einer Botschaft
gegeneinander antreten dürfen. Was genau ist deine Botschaft?
Ich erhoffe mir, andere Frauen, vor allem junge, dazu inspirieren zu können, dass sie keine Erwartungen erfüllen müssen. Sondern dass sie erkennen, dass sie als Menschen einen enormen Wert und Stärke haben. Wir befinden uns in einer Gesellschaft, in der es noch nie so schwierig war, mit sich selbst zufrieden zu sein. Es geht immer darum, sich ständig verbessern zu müssen, um den Erwartungen anderer zu entsprechen. Gerade junge Frauen vergleichen sich auf Social Media mit ihren Vorbildern, sodass ihr Selbstwert auf der Strecke bleibt. Ich möchte ihnen Mut machen, den Weg zu sich selbst zu finden, glücklich zu sein und dann gelassen dem entgegenzusehen, was das Leben ihnen bringt.
Wie kommt es deiner Meinung nach dazu, dass sich so viele Frauen selbst eher gering schätzen?
Das beginnt im Kopf. Social Media ist mega wertvoll, aber verursacht auch Chaos und Horror, weil sich viele junge Frauen davon beeinflussen lassen. Gerade, was das Materielle angeht. Sie sehen beispielsweise, dass ihr Vorbild eine bestimmte Creme verwendet und denken, dass sie nur mit dieser Creme schön sein können. Das weiß ich, weil es mir selbst genauso ging.
Warst du unzufrieden mit dir selbst?
Ja, tatsächlich. Das Selbst- und das Fremdbild können enorm voneinander abweichen. Bei mir begann es schon im Kindes- beziehungsweise Jugendalter, dass ich mich mit anderen verglichen habe, mich immer weiter verbessern und dazugehören wollte. Ich war auch noch lange nicht so selbstbewusst – auch im Sinne von sich selbst bewusst sein – wie jetzt. In einer Beziehung suchte ich dann Bestätigung. Ich war eifersüchtig und habe immer wieder überlegt, wo ich mich noch weiter verbessern könnte. Heute weiß ich, dass ich bereits gut bin, so wie ich bin und dass man eine Beziehung nicht als Bestätigung führen sollte, sondern weil man sich wohl darin fühlt.
Schau doch mal zehn Jahre zurück – wie warst du denn, als du 2011 zum ersten Mal Miss Saarland warst?
Vor zehn Jahren war ich 20 und hatte gerade mit dem Studium begonnen. Ich wusste noch nicht, wo es für mich hingeht und was ich im Leben will. Ich hatte mir erhofft, durch den Wettbewerb Bestätigung zu bekommen. Ich war damals drei Wochen lang mit 24 Frauen im Camp zusammen, die ich nicht kannte. Drei Wochen lang war ich unter Leuten, die mir ständig sagten, was ich wie zu tun habe. Nach vorne wirkte immer alles so, als wären wir eine Gemeinschaft, die Spaß miteinander hat.
Das war aber nicht so?
Ich hatte einerseits schon meinen Spaß – vor allem mit Kerstin, mit der ich damals ein Zimmer teile. Aber in ein paar Situationen wurde mir klar, dass das purer Konkurrenzkampf war. Wir hatten beispielsweise immer lange Wartezeiten vor den Stylings und ich wollte nach draußen in die Sonne. Meine Mitstreiterinnen boten mir an, mich zu rufen, sobald ich an der Reihe wäre. Das haben sie natürlich nicht getan. Insgesamt war die Situation für mich als junge Frau sehr fordernd und statt der Bestätigung, die ich mir erhoffte, bekam ich das Gegenteil. Ich habe mich immer gefragt, was ich noch tun muss, um diese Miss-Germany-Kategorien zu erfüllen.
Konntest du alle Ansprüche erfüllen oder bist du an deine Grenzen gekommen?
Es gab ein Dessous-Shooting, bei dem der Wunsch geäußert wurde, dass wir uns etwas freizügiger zeigen sollen. Das war gar nicht mein Ding und ich habe durchgesetzt, dass ich statt nur Unterwäsche ein längeres Trägertop und Hotpants tragen durfte, die über meinen Po gingen. Ich muss immer etwas lachen, wenn ich heute das Bild ansehe, denn ich stehe ganz hinten, versteckt. Ich bin aber froh, dass ich mich dem nicht gebeugt habe.
Meinst du, dass das dazu geführt hat, dass du damals den Miss-Germany-Titel nicht gewonnen hast?
Ich bin mir sicher, dass das dazu beigetragen hat – andererseits war das aber vielleicht auch der Grund, warum ich überhaupt unter die Top acht gekommen bin, weil ich mich eben nicht verbogen habe.
Nach deinen Erfahrungen würde man nicht erwarten, dass du noch mal bei der Miss-Germany-Wahl mitmachst.
Wäre die Wahl noch wie früher, hätte ich bestimmt nicht mehr mitgemacht. Vorher war Miss Germany ein Schönheitswettbewerb, bei dem ganz klassisch nur das Aussehen im Mittelpunkt stand. Seit dem Konzeptwandel 2019 geht es bei Miss Germany aber nicht mehr rein um äußerliche Schönheit, sondern um die Persönlichkeit, innere Werte und die Geschichte der Frauen, die ihre Botschaft in die Welt tragen wollen.
Was hat sich außer dem Konzept noch geändert?
Der ganze Wettbewerb hat sich verändert. Es geht darum, den gesellschaftlichen Wandel vom Bild der perfekten Frau hin zur bodenständigen, authentischen Frau zu begleiten, die so ist wie du und ich. Dass nun die Persönlichkeit und die inneren Werte im Mittelpunkt stehen, ist genau das, was ich in meiner nebenberuflichen Selbstständigkeit und meinem Blog auch mache. Gerade, weil ich das alte Konzept kenne, denke ich, dass ich einen Unterschied machen kann. Als ich über die sozialen Medien vom neuen Konzept erfuhr, dachte ich: Wie mutig von Max Klemmer, sein Familienunternehmen in diese Richtung zu bringen. Die Miss-Germany-Corporation hat dadurch viele coole neue Partner gewonnen, wie etwa die Bauer Media Group und Tamaris. Tamaris stellt auch die Einzigartigkeit der Frau in den Vordergrund, indem sie statt Models normale Frauen für ihre Kampagnen buchen. Allerdings weiß ich auch, dass bei Miss Germany durch das neue Konzept viele alte Sponsoren abgesprungen sind.
Also gibt es auch negative Stimmen?
Von einigen anderen Missen habe ich gehört, dass sie Anfeindungen wegen ihres Aussehens oder ihrer sexuellen Orientierung erfahren haben. So wurde beispielsweise die Gewinnerin der Miss Hamburg-Wahl, Julia Kremer, als „Miss Hamburg-Wal" bezeichnet. Julia hat den Podcast „FETT und Vorurteil" ins Leben gerufen und macht darauf aufmerksam, dass dicke Menschen in unserer Gesellschaft diskriminiert werden und Hass-Kommentare bekommen – so wie sie selbst jetzt auch wieder. Das ist wirklich traurig, denn jede einzelne hat so eine tolle Botschaft, die sie in die Welt tragen möchte.
Hast du selbst auch negatives Feedback bekommen?
Oh ja, aber zum Glück nicht in dem Ausmaß wie manch andere. In meinem Fall verstehen viele nicht, warum ich noch mal mitmachen darf. Sie nannten mich den Menderes aus dem Saarland und mutmaßten, dass ich nächstes Jahr im Dschungelcamp bin. Ein Artikel aus der „Saarbrücker Zeitung", in dem die Zweitplatzierte Nancy Gratz zitiert wird, mit „Die gewählte Miss Saarland, Robin Jessica Sanzo aus Saarbrücken, hat mich angerufen und mir gratuliert" hat dazu beigetragen, dass mich einige als arrogant und egoistisch einstufen, obwohl ich das so in dem Sinne weder gesagt noch gemeint habe. Ich wollte bei dem Telefonat einen Abschluss finden und ihr sagen, dass ich da bin und gerne den Kontakt halten würde.
Wie bist du mit den negativen Kommentaren umgegangen?
Ich mache mir da heute keinen großen Kopf mehr. Ehrlich gesagt habe ich meinen Freund alle Kommentare lesen lassen und mir das erspart. Es geht nicht mehr darum, mir selbst etwas zu beweisen, sondern anderen Mut zu machen und sie zu bestärken, sich selbst zu finden. Mir ist aber auch klar geworden, dass viele noch nicht verinnerlicht haben, dass zwischen der Miss-Germany-Wahl von früher und heute Welten liegen und dass das ein ganz anderer Wettbewerb ist.
Fühlt sich der Wettbewerb heute auch anders an?
Bei der Live-Veranstaltung in Hamburg habe ich gemerkt, dass es bei dieser Miss-Germany-Wahl eine Gemeinschaft aus Frauen ist, die viel Lebensfreude ausstrahlt und sich gegenseitig unterstützt. Alle sind hilfsbereit und gönnen der anderen ehrlich etwas.
Du fährst vom 11. bis zum 27. Februar wieder ins Camp — direkt danach findet das Finale statt, bei der die neue Miss Germany gekürt wird. Bist du aufgeregt?
Gar nicht! Ich bin völlig tiefenentspannt und freue mich so richtig drauf. Ich muss mich ja nicht mehr verstellen, muss mir keine Gedanken machen, wie ich möglichst gut ankomme, habe keinen Druck, jemandem gefallen zu müssen. Ich bin einfach so, wie ich bin. Früher habe ich mich verrückt gemacht und war so froh, meine Family nach den drei Wochen wieder zu sehen. Dieses Mal will ich es wirklich genießen und die Zeit nutzen, um meine Lebensfreude an die anderen weiterzugeben. Vielleicht sogar ein Ruhepol im Camp zu sein, weil ich weiß, wie es ist, von Termin zu Termin zu hetzen. Ich mache mir null Stress, weil dieser Titel nicht mehr mein Hauptfokus ist, mit dem alles steht und fällt. Alles andere läuft weiter und das Gewinnen wäre lediglich die Krönung davon.