Ein packender Thriller ist „Verschwiegen – Defending Jacob". In der Miniserie geht es um einen unter Mordverdacht stehenden Jugendlichen. Die Handlung wird mehr und mehr zu einer aufwühlenden Familientragödie.
Wenn in einem Film oder einer TV-Serie eine perfekte Familie gezeigt wird, weiß der Zuschauer, dass diese Leute nun kräftig aus der Bahn gerissen werden. Die Fallhöhe ist dann umso größer, und so ist es auch in „Verschwiegen". Im Mittelpunkt der acht Episoden steht die Familie Barber. Sie lebt in einem Vorort einer US-Großstadt. Vater Andy ist stellvertretender Bezirksstaatsanwalt, seine Frau Laurie arbeitet in einer sozialen Bildungseinrichtung für Kinder. Teenager-Sohn Jacob geht zur Highschool. Eigentlich alles okay in der Familie. Dann kommt der Tag, an dem ein Mitschüler Jacobs ermordet wird – und die Polizei findet Hinweise, dass Jacob in die Tat verstrickt ist. Mehr noch: Der Jugendliche wird sogar zum Hauptverdächtigen. Die Eltern sind erschüttert, aber auch sicher, dass ihr Sohn diese grausame Tat nicht begangen haben kann. Jacob beteuert seine Unschuld, aber die Polizei legt immer mehr Beweise gegen ihn vor – bis sogar bei den Eltern der Zweifel an der Unschuld ihres Sohnes wächst.
Geschicktes Spiel mit den Gefühlen des Betrachters
Und auch der Zuschauer wechselt die Seiten. Die Serie spielt nämlich geschickt mit den Gefühlen des Betrachters, der in eine Zwickmühle gerät. Denn wie die Eltern auch, verliert der Zuschauer die Distanz zum Verbrechen und möchte gar nicht wahrhaben, dass der Junge ein Killer sein könnte. Aber die in sehr kühlen und farbarmen Bildern gedrehte Serie schreitet voran und präsentiert überraschende Wendungen und zermürbende Gerichtsszenen. Für eine neue Sicht auf einen Mordfall sorgt die Erzählweise mit Rückblenden und Wechsel der Perspektiven.
„Verschwiegen" wird zu einem Familiendrama. Immer mehr rückt auch die Frage in den Vordergrund, wie Eltern mit der Situation umgehen, wenn ihr Sohn eines Mordes beschuldigt wird? Wie lange können Vater und Mutter den Beweisen der Polizei standhalten? Wie fest ist der Zusammenhalt der Familie, wie groß das Vertrauen in die Worte des Kindes? Die Situation der Barbers wird emotional noch angespannter, als ihr Umfeld sich gegen sie wendet. Denn Freunde und Arbeitskollegen gehen auf Distanz, zudem rückt die Presse den ohnehin schon am Abgrund stehenden Barbers auf den Leib. Druck und Misstrauen steigen, obwohl freilich noch lang nicht bewiesen ist, dass Jacob schuldig ist. Das in den USA eigentlich geltende „Im Zweifel für den Angeklagten" scheint keine Rolle mehr zu spielen. Die Barbers werden zu den meistgehassten Menschen der Stadt. Die Serie spannend zu nennen, trifft es nicht ganz. Viel mehr wächst durch die langsame Erzählweise beim Zuschauer eine tiefe Beklemmung, weil er sich wohl auch fragen kann, was er tun würde, wenn ein Mensch in seinem engen Freundeskreis oder in der Familie des Mordes verdächtigt ist. Wird er diesem Menschen und seiner Familie beistehen? Oder rückt er ab? Wie eng sind die Verbindungen, die viele Menschen als Familienbande oder enge Freundschaft bezeichnen?
Chris Evans’ Rolle: Als Jurist ganz nüchtern, als Vater sehr emotional
Im Mittelpunkt der Handlung steht Andy, der mit dem Konflikt kämpft, die Geschehnisse nüchtern als Jurist und emotional als Vater zu bewerten. Für Schauspieler Chris Evans ist es seine erste Serien-Hauptrolle, nachdem er in mehreren Filmen und gut zehn Jahre als Captain America im Marvel Cinematic Universe auf der großen Leinwand zu sehen war. Zuletzt bewies er in „Knives Out" (2020), dass er mehr kann als Muskeln zu zeigen. In „Verschwiegen" überzeugt er als Vater, der anfangs als Sympathieträger vorgestellt wird, zum Schluss aber blind ist für viele Fakten, die besonders in den ersten sechs Episoden dezent angedeutet werden. Wer als Zuschauer aufmerksam zuschaut, kann ab Folge sieben auftrumpfen. Dann nämlich beginnt der Prozess und die Handlung überschlägt sich mit Enthüllungen und Wendungen bis hin zum packenden Finale, das trotz einiger Antworten noch Spielraum lässt für Interpretation und Diskussion.