Warum viele Mütter mit einem Bein im antidemokratischen Sumpf stehen
Im ersten Moment war ich bestürzt, als ich hörte, dass neuerdings Mütter im Netz eine krude Ideologie verbreiten. Ob sie das wider besseres Wissen tun, sei einmal dahingestellt. Im Pandemie-Jahr 2020 waren mir ja schon so einige sonderbare Menschentypen untergekommen: Maskenkritiker, Impfgegner und Corona-Leugner, und nun war ausgerechnet die für die meisten Kinder wichtigste Bezugsperson in ein schiefes Licht geraten.
Auf die Fahne geschrieben haben sich besagte Mamas ein durchaus legitimes Ansinnen, nämlich Kinder vor sexuellem Missbrauch und Kinderporno-Ringen zu retten. Allerdings sind diese Mütter dabei – unfreiwillig oder wissentlich – in den Sog der „QAnon"-Verschwörungsideologie geraten. Mittlerweile sind nahezu alle „Rettet-die-Kinder"-Hashtags von dieser zweifelhaften Bewegung, die aus den USA nach Deutschland geschwappt ist, vereinnahmt worden.
Nach dem Glauben der Anhänger von „Q" sind für Kindesmissbrauch und Kinderhandel auf unserer Welt alleine demokratische Politiker, Hollywoodstars und jüdische Eliten verantwortlich. Die Beweise für diese These sind sie natürlich bis heute schuldig geblieben, doch wen interessieren im Zeitalter der alternativen Fakten schon Beweise? Das FBI stuft „QAnon" völlig zu Recht als inländische Terrororganisation ein, weil in deren Namen bereits mehrere Morde begangen wurden.
Ich stelle mir vor, dass die betroffenen Kinder später einmal durch Zufall entdecken, welch wirrer Ideologie ihre Mütter blindlings gefolgt sind. Entweder werden die Kinder sie mit dem dunklen Fleck in ihrer Biografie konfrontieren und ihnen Vorhaltungen machen. Oder sie werden sich für sie schämen und so tun, als wüssten sie nichts von den Irrungen und Wirrungen der Mama.
An dieser Stelle muss ich allerdings auch einmal eine zumindest kleine Lanze brechen für so manche Frauen, die jetzt hier am Pranger stehen: Angesichts der Covid-19-Pandemie fühlen sich viele Eltern verunsichert, von der Politik ignoriert. Deshalb suchen viele den Schulterschluss mit Gleichgesinnten, den Austausch in sozialen Netzwerken und einen Sündenbock für die eigene Lebenskrise.
Allerdings darf dabei die Frage nicht unter den Tisch fallen, warum so manche normalerweise fest im Leben stehende Frau im Kampf für eine vermeintlich gute Sache ihr Hirn ausgeschaltet hat? Wie sie ihr Urteilsvermögen so vernebeln lassen kann?
Ich sehe für die auf die schiefe Weltanschauungsbahn geratenen Frauen eine Chance, dass sie aus dem tiefen Sumpf dieser Verschwörungstheorie wieder herauskommen können. Doch aus eigener Kraft wird ihnen das vermutlich nur schwer gelingen. Ein Aussteigerprogramm müsste für diese verschwörungsaffinen Mütter geschaffen werden. Mir scheint, dass die soziale Kontrolle von Familie, Freunden und Kollegen versagt hat.
An alle hier angesprochenen Mamis: Statt auf die kritische Stimme der Vernunft zu hören, geht ihr – eure Kinder im Schlepptau – Seit an Seit mit zwielichtigen Demonstranten auf die Straße und fordert ein Ende der Corona-Maßnahmen. Neben wen ihr euch da stellt –
ob Reichsbürger oder AfD-Anhänger – scheint euch schnurzpiepegal zu sein.
Wenn Frauen Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Kinder" in den Händen halten, muss ich an Dauerarrest denken, an die armen Kleinen, die von ihren Eltern in Ketten gelegt im Keller eingesperrt werden. Die anpassungsfähigen und krisenfesten Minderjährigen dürften wohl eher durch die Über-Fürsorglichkeit ihrer Mütter einen seelischen Knacks erleiden als dass sie ein Entzug von Freiheit traumatisiert.
Den in die Fänge der „QAnon"-Verschwörungstheorie geratenen Frauen kann man eigentlich nur wünschen, dass sie eines Tages aufwachen und feststellen, dass sie einfach in einem schlechten Film waren. Vielleicht ist zu viel verlangt, wenn man erwartet, dass sie fortan Informationen besser einordnen, wieder Medienberichten vertrauen und lernen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Vor allem aber sollten sie erkennen, dass einen die Fähigkeit, Unsicherheiten zur Kenntnis zu nehmen und auszuhalten, besser Krisenzeiten überstehen lässt.