Verzögerungen der Impfstofflieferungen verschafften Bund und Ländern reichlich Zeit zur logistischen Planung des Durchimpfens. Genauere Infos über das Prozedere finden sich nur im Netz, eine breite Aufklärungskampagne ist bislang leider Fehlanzeige.
Die Corona-Impfbereitschaft der deutschen Bevölkerung ist erfreulicherweise auf knapp 70 Prozent gestiegen. Diese Tatsache ist allerdings nicht einer groß angelegten Aufklärungskampagne der Bundesregierung geschuldet, sondern eher auf die erschreckend hohen Fall- und Todeszahlen sowie die grassierenden Ängste vor den noch weitaus ansteckenderen Virus-Mutationen zurückzuführen. Einen stabilen Kern von Impfgegnern ficht das alles aber gar nicht an, noch immer will sich rund ein Fünftel der Bundesbürger mit den unterschiedlichsten Begründungen von Furcht vor Langzeitschäden oder Nebenwirkungen bis hin zu bizarren Verschwörungstheorien dem schützenden Pikser verweigern. Eine Corona-Impfpflicht hatte die Bundesregierung kategorisch ausgeschlossen. Was allerdings nun zu einem Problem werden könnte, weil sich die erhoffte Herdenimmunität erst dann einstellen kann, wenn ein ausreichend hoher Prozentsatz der Bevölkerung gegen das Virus immunisiert worden ist. Bis zum Auftauchen der Mutationen hatten Virologen und Epidemiologen eine Impfquote von 60 bis 70 Prozent als ausreichend angesehen, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen.
Mutationen erhöhen die Impfbereitschaft
Inzwischen wurden die Zahlen schon deutlich Richtung 80 bis 90 Prozent nach oben korrigiert. Aber solche Impfquoten sind hierzulande ferne Zukunftsfantasien, weil die durch EU-Versäumnisse hervorgerufenen Lieferverzögerungen der Vakzine sich im Impfquotenmonitoring des Robert Koch-Instituts Ende Januar mit dem bescheidenen Wert von 2,2 Prozent niedergeschlagen hatten – gut 2,31 Millionen Impfdosen sind bis dahin verabreicht worden. Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland damit weit hinterher. In Israel war zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung gegen Corona geimpft, in Großbritannien oder selbst auf den Seychellen fast jeder Dritte. Sogar in den USA lag die Quote bei mehr als 13 Prozent. Im Rückblick hätte ein deutscher Alleingang bei der Impfstoffbeschaffung sicherlich deutlich bessere Erfolge im Kampf gegen Corona garantieren können. Diese Vorgehensweise wäre von der EU oder anderen EU-Staaten als Impf-Nationalismus natürlich an den Pranger gestellt worden. Aber vor EU-Alleingängen war die Bundesrepublik in der Vergangenheit bei Themen, bei denen es nicht mal um den elementaren Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit der eigenen Bevölkerung gegangen war, auch nicht zurückgeschreckt. Und Ende 2020 hatte die Bundesregierung ihren Fehler durch Bestellung von zusätzlichen 30 Millionen Dosen des Biontech/Pfizer-Impfstoffs wettzumachen versucht. Diesen neuerlichen nationalen Alleingang hätte man auch früher machen können, statt aus Rücksicht auf andere EU-Staaten auf Brüsseler Ebene einen Rückzieher zu machen.
Zahlreiche Dämpfer beim Voranschreiten
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat auf einer speziellen Webseite „Fragen und Antworten zur Covid-19-Impfung" die vertraglich verbindliche Lieferung von rund 290 Millionen Dosen Impfstoffen diverser Hersteller bekannt gegeben. Dabei zählte man allerdings auch schon Ordermengen für Vakzine von Curevac und Johnson&Johnson mit, obwohl es von beiden Unternehmen noch gar keinen zugelassenen Impfstoff gibt. Der mehr als stottrige Impfstart musste daher mit den Vakzinen von Biontech und Moderna in Angriff genommen werden, die bislang nur in unzureichender Menge zur Verfügung stehen. Die Hoffnung auf den Ende Januar ebenfalls zugelassenen Impfstoff von Astrazeneca erhielt hierzulande einen Dämpfer durch die Ständige Impfkommission, weil diese die Wirksamkeit des Vakzins bei älteren Menschen nicht für ausreichend sicher belegt angesehen hatte. Das Verimpfen des dritten Impfstoffs ist nur bei 18- bis 64-Jährigen empfohlen. Das hat direkte Auswirkungen auf die Impffolge-Priorisierungsliste des BMG, das zunächst neben Bewohnern von Pflege- und Altersheimen, Personal des Gesundheitswesens und anderer gesellschaftlich relevanter Berufsgruppen eine dreistufige Abfolge von Über-80-Jährigen, Über-70-Jährigen und Über-60-Jährigen wegen ihres altersbedingten Risikostatus festgelegt hatte.