Ihre Entwürfe sind unkonventionell, wild und sexy. Diese neuen Designer bringen die Fashion-Szene in Wallung und begeistern mit bunter und zum Teil nachhaltiger Mode.
Was Newcomer-Labels betrifft, so können sich vorschnelle Beurteilungen schon mal als ziemlich falsch erweisen. „In den USA macht gerade das aufstrebende Label ‚Fear of God‘ von sich reden. Die Sachen sehen aus wie von Kurt Cobain geborgt." Mit dieser Zuordnung des Stils von Menswear-Designer Jerry Lorenzo zum eindimensionalen Grunge-Look sollte „Zeit"-Kolumnist Tillmann Prüfer jedenfalls völlig danebenliegen. Schließlich gilt „Fear of God" inzwischen als das US-Herrenmode-Kultlabel schlechthin. Sein Hauptprotagonist wird schon als neuer Ralph Lauren gehandelt. Ihm wird das Potenzial bescheinigt, die amerikanische Herrenmode zu neuen Ufern führen zu können. Inzwischen wird er daher nicht nur von Mega-Konzernen wie Nike, sondern sogar schon von den Grandseigneurs der klassischen Mensfashion wie Ermenegildo Zegnas Kreativchef Alessandro Sartori als Kooperationspartner hochgeschätzt. Den durch unkonventionelle, wie maßgeschneidert wirkende Jogginghosen oder Hoodies geprägten Streetstyle seiner Anfangsjahre – das Label wurde 2012 gegründet – hat er längst hinter sich gelassen, mit dem Ziel, so etwas wie die neue Kleidungsuniform des modernen amerikanischen Mannes zu schaffen. Mit allen dafür nötigen, in der Regel minimalistisch geschneiderten Essentials, von Polo-Hemden über Sweatshirts bis hin zu Blazern, Bomberjacken oder Sneakern. Auch wenn der gebürtige Londoner zuletzt mehrfach betont hatte, seinen Lebensmittelpunkt in den USA beibehalten zu wollen, so dürfte es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis man ihm den Designer-Posten bei einem der renommierten europäischen Traditionshäuser anbieten wird. Schließlich ist der in der angesagten Partyszene von Los Angeles bekannt gewordene und seine Klamotten-Ideen daraus schöpfende Selfmade-Modemacher ganz dick mit Virgil Abloh, Matthew Williams und Kayne West befreundet. Wobei die beiden Ersteren bekanntlich den Sprung zu Louis Vuitton und Givenchy geschafft haben. Dass auch Superstars wie Rihanna, Kendall Jenner, Jared Leto oder Justin Bieber seine Klamotten zu tragen pflegen, dürfte seinem Image zusätzlich guttun. Wenig verwunderlich daher, dass „Fear of God" im vorigen Jahr im Ranking der weltweit größten Fashion-Suchmaschine Lyst unter den Top 20 der begehrtesten Marken aufgetaucht war. Was fraglos mit dazu beitragen wird, das Label auch hierzulande endlich bekannter zu machen.
„Fear of God" ist eine der begehrtesten Marken
Auf einen solchen Mega-Durchbruch hofft natürlich auch eine ganze Reihe von aufstrebenden Brands der Damenmode. Dabei kann sich der Erfolg durchaus schnell einstellen, wie die von der deutschen „Vogue" für die vergangenen Jahre angeführten Beispiele Collina Strada, Eckhaus Latta, Bethany Williams, Richard Malone oder Phoebe English nachdrücklich beweisen. Allesamt sind von einem großen Umweltbewusstsein geprägt und fördern, „die Umnutzung, Transparenz, Rückverfolgbarkeit und handwerkliches Können in ihrer Arbeit", so die „Vogue". Als neueste Zugänge zur durch Nachhaltigkeit geprägten Designer-Riege hat die „Vogue" jüngst drei Labels aufgetan. Wobei der afrikanische Kontinent dank Sindios Khumalo stärker in den Blickpunkt der Modewelt gerückt werden könnte. Die in Kapstadt lebende Designerin ist vor allem für ihre Prärie-Kleider bekannt geworden und gewann nicht zuletzt dank der Zusammenarbeit mit Handweberinnen in Burkina Faso und der Verwendung von afrikanischer Baumwolle oder Hanf als interessanter Baumwoll-Alternative den begehrten LVMH-Modepreis für Nachwuchsdesigner 2020. Das erwies sich als ideales Sprungbrett zum Aufstieg nach ganz oben, wie es die französische Designerin Marine Serre, LVMH-Gewinnerin 2017, vormachte und sich 2020 auch einen Platz unter den Top 20 im Lyst-Ranking sicherte. Neben Sindios Khumalo zählt auch der in Nigeria geborene, in Wien aufgewachsene und heute in Lagos lebende Kenneth Ize zu den neuen Designer-Aufsteigern vom Schwarzen Kontinent. Auf der Pariser Fashion Week Anfang 2020 sorgte er mit seiner farbenprächtigen, auf afrikanischer Handwerkskunst basierenden Kollektion für reichlich Furore. Ladys wie Beyoncé oder Naomi Campbell rissen sich um seine in Nigeria handgewebten Klamotten. Obwohl er ursprünglich nur für Herren schneidern wollte, war er bereitwillig zur Womenswear übergewechselt.
Deadstock-Stoffe und recycelte Materialien
Der in Paris lebende Kévin Germanier hat sich laut der „Vogue" mit seinem 2018 gegründeten Label vor allem dank seiner glamourösen, mit recycelten Pailletten und Perlen verzierten Partykleider, die von Promis wie Taylor Swift oder Kristen Stewart geliebt werden, schnell einen guten Ruf erworben. Neben Deadstock-Materialien, also Stoffen aus Überproduktion einschließlich Resten von Stoffrollen, hat Germanier beispielsweise auch schon Swarowski-Pailletten verarbeitet, die farblich misslungen waren. Da sich nur wenige Kundinnen ein Paillettenkleid für 4.000 Euro leisten können, stellte er für den Sommer 2021 erstmals eine günstigere Basic-Kollektion samt Denim, T-Shirts oder Hemden vor. Ohne dabei seine grundlegende Prämisse aus den Augen zu verlieren, einen nachhaltigen Brand mit Glamour-Faktor zu etablieren. Opulente Kleider mit reichlich Kristall-Glimmer sind auch das Markenzeichen der französischen Nachwuchsdesignerin Nicolas Lecourt Mansion, die damit bereits Lady Gaga oder Kendall Jenner als Kundinnen gewinnen konnte. Beim dritten von der „Vogue" empfohlenen nachhaltigen Aufsteiger-Label namens Priya Ahluwalla handelt es sich allerdings um eine neue Menswear-Marke. Die britische Designerin mit indischen und nigerianischen Wurzeln hat bei ihren aus Deadstock-Materialien und recycelten Vintage-Stücken hergestellten Klamotten einen Mittelweg zwischen sportivem Einschlag und handwerklicher Schneiderkunst gefunden. Priya Ahluwalla zählte wie Sindios Khumalo zu den Preisträgern des LVMH-Modepreises 2020. Und da wir gerade bei spannenden Menswear-Newcomern sind, muss auf jeden Fall auch noch Bianca Saunders zumindest kurz erwähnt werden, die auf der Londoner Fashion Week für den Sommer 2021 ihr Debüt gegeben hatte.
Zurück zur Damenmode und mal eine trendige Brand aus Deutschland namens Ottolinger, die laut der „Vogue" das derzeit „coolste Berliner Label" ist. Zuständig dafür sind die gebürtigen Schweizer Designerinnen Christa Bösch und Cosima Gadient, die den Used Look in ihren Kreationen auf ein ganz neues Level gehoben haben. Wobei sie in ihren Kollektionen zuletzt immer spannende Variationen um ein Midikleid mit Beinschlitz oder eine Hose mit kleinem Schlag geboten haben. Der koreanische Designer Rokh Hwang hat die Herzen der Damenwelt mit seinen mit Leoparden- und Snake-Prints geschmückten Tops im Sturm erobert, aber auch seine Röcke und Kleider aus hochwertigen Seidenstoffen und Baumwollgemischen sind sehr begehrt. Seine Ästhetik gleicht der von Sarah Burton für die Marke Alexander McQueen, vor allem bei den aktuellen Präriekleidern mit abgeschnittenem Mieder.
In Blogger-Kreisen werden derzeit besonders die Labels Isabel Knowles, Markenzeichen „Ethical Clothes" aus Bio-Baumwolle, Bug Clothing, nachhaltige Mode aus Deadstock-Materialien, E. L. V. Denim, Vintage-Denim aus recycelten Materialien oder Miss Crofton, Unterwäsche und Dessous aus nachhaltigen Materialien, hoch gehandelt. Das renommierte französische Modejournal „L’Officiel" hat seine Leserinnen auf mehrere besonders zu beachtende Marken aufmerksam gemacht: Tomo Koizumi, der Japaner steht für wahre Kunstwerke aus farbigen Rüschen und Tüll. „Khaite", das New Yorker Label, Favorit von Katie Holmes, ist von Catherine Holstein mit der Idee gegründet worden, zeitlose Basics und cleane Looks zu konzipieren.
Christopher John Rogers, der Liebling von Michelle Obama oder Cardi B. ist auf dem besten Weg zum modischen Superstar dank seiner pfiffigen Abendgarderobe. „Patou", das Traditionshaus von Jean Patou, wurde wieder zum Leben erweckt unter der kreativen Feder von Guillaume Henry. Und schlussendlich „Coperni": Nach Ende ihres kreativen Ausflugs zum Traditionshaus Courèges haben Sébastien Meyer und Arnauld Vaillant ihr 2013 gegründetes Label relauncht und für Sommer 2021 eine neue Damenmode-Kollektion vorgelegt. Darunter finden sich neben vielen kreativen Entwürfen auch zahlreiche Handtaschen mit It-Potenzial.