Die Kunst- und Kulturszene ist durch den anhaltenden Lockdown fast zum Stillstand gekommen. Lilli Breininger (36), Fotografin aus Saarbrücken, porträtierte in den vergangenen Monaten saarländische Künstler, um der Krise ein Gesicht zu geben. Im FORUM-Gespräch spricht Sie über das Projekt und ihre eigene Situation.
Frau Breininger, Sie sind Fotografin, beziehungsweise haben Fotojournalismus studiert. Welchen Einfluss haben die Corona-Einschränkungen auf Ihre Arbeit?
Da ich im Saarland als Fotografin neu bin, ist es eine Herausforderung überhaupt Beziehungen aufzubauen. Die Kundenakquise ist fast nur online möglich. Fotografinnen und Fotografen dürfen ihre Dienstleistungen weiterhin im Freien oder mit entsprechenden Hygienemaßnahmen in Studios anbieten. Die meisten sind jedoch darauf angewiesen, dass sie Aufträge bekommen. Und da momentan zum Beispiel auch die Veranstaltungsbranche stillliegt, fallen da schon mal Möglichkeiten weg. Ebenso schwierig gestaltet sich das Arbeiten in der kalten Jahreszeit draußen, und auch die wirtschaftliche Lage insgesamt ist nicht förderlich, um Aufträge zu bekommen. Da viele Menschen soziale Kontakte meiden oder sie auf die wichtigsten einschränken, steht ein Fotoshooting nicht gerade an erster Stelle. Kurz gesagt, die Maßnahmen verbieten die Arbeit nicht per se, aber die Situation insgesamt trägt dazu bei, dass die Arbeit stillliegt.
Was macht das mit Ihnen?
Neben der Fotografie arbeite ich im Bereich Yoga und Körperarbeit. Eigentlich würde ich dann einfach verstärkt in diesem Bereich arbeiten, aber das ist ja nur online möglich. Als alleinerziehende Mutter bin ich auch anders eingebunden.
Wie ist das gerade zu stemmen, alleinerziehend und selbstständig im Corona-Lockdown zu sein?
Es ist so schon nicht leicht, selbstständig und alleinerziehend zu sein, da sich krankheitsbedingte Ausfälle direkt auf mein Einkommen auswirken. Da weniger Aufträge da sind, ist die Kinderbetreuung zwar möglich, aber ich komme generell weniger zum Arbeiten. Zurzeit geht mein zweijähriger Sohn auch in die Notbetreuung, da es unmöglich ist, beides zu stemmen. Es geht einfach nicht. Ich nutze die Zeit, um meine Website und mein Portfolio aufzuarbeiten, Flyer und Visitenkarten zu erstellen. Die Anfragen, die ich habe, kann ich nicht umsetzen, da die Corona-Beschränkungen es nicht erlauben.
Inwiefern haben Sie Unterstützung durch Hilfsprogramme neben den staatlichen Überbrückungsgeldern erhalten? Im Saarland gibt es zum Beispiel private Spenden.
Ich habe eine private Spende erhalten und beziehe momentan noch einen Gründungszuschuss für die Selbstständigkeit in der Fotografie.
Was würden Sie sich vonseiten der Politik wünschen?
Bedingungsloses Grundeinkommen. (lacht) Generell stellt sich mir die Frage, wie weit die Wirtschaft, die Veranstaltungsbranche und die künstlerischen Bereiche zum Stillstand kommen müssen, oder ob es nicht doch die Möglichkeit gibt, unter gewissen Voraussetzungen weiter arbeiten zu können.
Sie porträtieren saarländische Künstler, die aufgrund der aktuellen Lage nicht arbeiten können. Wie kam es zu dieser Idee?
Ich wollte wissen, wie andere Künstlerinnen und Künstler mit der Krise umgehen, ob es Unterschiede gibt oder ob es jeden gleich trifft. Der gemeinsame Konsens war, dass Krisen auch im „normalen" Berufsleben als Selbstständige völlig normal sind. Diese ist jedoch so einschränkend, dass man eigentlich nur online kreativ werden kann, um noch zu arbeiten.
Die Kultur beziehungsweise die Kunst des Tanzes oder des Theaters lebt aber gerade davon, dass es „Live Acts", dass es Zuschauer gibt. Der künstlerische Ausdruck und der Auftritt leben von der Interaktion. Das fehlt den meisten, mit denen ich gesprochen habe.
Wie lief so ein Shooting ab? Was war Ihnen wichtig, darzustellen?
Einerseits war es mir wichtig, die Arbeit der Künstlerinnen und Künstler darzustellen und den Menschen authentisch einzufangen. Wie gestaltet sich der Bezug zur Arbeit und welches Gefühl vermittelt sich dadurch, dass sie gerade nicht arbeiten können? Ich hatte zudem das Glück, dass Axel Stirn, ein befreundeter Bildungsreferent, Lehrer, Coach und Berater, mich zu den meisten Künstlern begleitet und auch Texte verfasst hat. Dadurch hatte ich ein bisschen mehr Freiraum, zu fotografieren, und er hat Fragen gestellt und sich mehr um das Inhaltliche gekümmert.
Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben? Vielleicht etwas, dass Sie berührt hat?
Die Offenheit, die Nähe und das Vertrauen der Menschen zu mir. Die Art und Weise, wie ich sie porträtieren durfte, sodass ich das Gefühl hatte, dass es nicht gestellt ist. Ich konnte einen Teil ihrer Stimmung und ihres Wesens einfangen, wie zum Beispiel mit der Schauspielerin Juliane Lang. Ihr Ausdruck auf den Fotos ist sehr stark und spiegelt für mich die Ohnmacht und Wut dieser Branche über den Stillstand wider. Das hat mich sehr berührt. Zudem ist mir aufgefallen, dass die Künstler sehr redegewandt waren und sich darüber gefreut haben, auch mal ihre Geschichte erzählen zu dürfen und ihr Handwerk zu zeigen. Die Arbeit ist für sie nicht nur eine Tätigkeit, um Geld zu verdienen, sondern auch ein Tun, das aus dem Herzen kommt, ein Ausdruck der Seele. Momentan leben wir mit genügend zum Essen, zum Trinken und medizinischer Versorgung. Andere Bereiche sind leider nicht „systemrelevant", obwohl der Mensch ein soziales Wesen ist. Kunst und Kultur gehören ebenso zum Leben dazu.
Sie haben sich auch selbst porträtiert. Wie ist das im Vergleich dazu, andere einzufangen?
Schon etwas komplizierter und schwieriger. (lacht) Weil ich kein Gegenüber habe, dem ich das erzähle, sondern nur die Kamera, und dann ist da noch das technische Drumherum mit dem Selbstauslöser. Dadurch ist es schwieriger, authentisch zu sein.
Wie sind Sie zur Fotografie beziehungsweise zum Fotojournalismus gekommen?
Meine erste Kamera habe ich mit zehn Jahren bekommen. Ich habe etliche Fotoalben, weil ich schon zu dieser Zeit gern fotografiert habe. Es macht süchtig, wenn man anfängt, einen Blick dafür zu entwickeln.
Nach meinem Ethnologie-Studium wollte ich das Nützliche mit dem Künstlerischen verbinden und habe begonnen, Fotojournalismus zu studieren. Dadurch konnte ich viel dazulernen.
Sie haben einen großen Bezug zum Körper, zum Körperlichen, Sie unterrichten Acro-Yoga, Thai-Yoga Massage und Aguahara. Inwiefern beeinflusst das Ihre Art, den Körper mit der Kamera einzufangen?
Das ist eine gute Frage. Ich habe das selbst schon verinnerlicht, und für mich ist es mittlerweile ganz natürlich. Es beeinflusst meine Art des Fotografierens dadurch, dass es mir leichter fällt, zu Menschen Nähe aufzubauen und so zu einer Art Vertrauensperson zu werden. Sobald ich merke, dass jemand nervös ist oder verkrampft, mache ich erst mal Lockerungsübungen oder quatsche einfach, um damit andere Momente einzufangen.
Wenn morgen jetzt der Lockdown vorbei wäre, das Coronavirus besiegt und alles noch mal seinen Lauf nehmen würde, was würden Sie machen?
(lacht) Ich würde tanzen gehen, in die Sauna und wieder Sport machen. Und natürlich würde ich dann endlich wieder arbeiten, die Körperarbeit fortsetzen ebenso wie die Fotografie.