Wer nicht sehen kann, schärft alle anderen Sinne. In „See – Reich der Blinden" hat eine postapokalyptische Gesellschaft gelernt, mit dieser Einschränkung zu leben. Der Welt geht es besser, doch die dezimierte Menschheit trägt noch immer Konflikte aus.
Eine Pandemie, wie wir sie gerade am eigenen Leib erfahren, kann die Menschen demütig machen. Oder besser – sollte sie demütig machen. Wir sind nicht allem und jedem überlegen. Zu dieser Erkenntnis sind die Menschen in der Serie „See – Reich der Blinden" bereits gelangt. Viele Jahre in der Zukunft hat ein Virus den größten Teil der Menschheit ausgerottet. Die wenigen Überlebenden eint das gleiche Schicksal: Sie sind blind.
Für viele scheint diese Einschränkung trotzdem eine Wendung zum Guten zu sein. Denn obwohl ihnen sie Sehkraft genommen wurde, sind sie Herr ihrer Sinne, haben im Laufe der Generationen Strategien und Methoden entwickelt, um sich bestens in der neuen Welt zurechtzufinden. Die ganze Industrie, jeglicher technologischer Fortschritt ist zerfallen. Das Leben der Menschen hat sich zurückentwickelt. Da alles zerstört wurde, leben die Menschen wie in früheren Zeiten, sind wieder mehr bei sich und eins mit der Natur und ihren natürlichen Ressourcen. Gewaltfrei kommt aber auch die „neue Zivilisation" nicht aus. Die ausgefochtenen Kämpfe kommen jedoch mit „Handwaffen" aus, die nicht weniger tödlich sein können.
Sehkraft muss geheim bleiben
Angeführt wird der Stamm Alkenny von dem Hünen Baba Voss (Jason Momoa). Dieser verliebt sich in Maghra (Hera Hilmar), die ganz verlassen und auf sich gestellt, auf einmal in seinem Dorf auftaucht. Er nimmt sie zur Frau, obwohl sie bereits bei ihrer Ankunft von einem anderen schwanger ist. Der leibliche Vater der Zwillinge ist, wie sich bald herausstellt, nicht irgendwer, sondern Jerlamarel (Joshua Henry), der vermutlich einzige Mann mit Sehkraft. Wie sich zeigt, können auch die Zwillinge sehen. Baba Voss, der die beiden zu einhundert Prozent als seine Kinder angenommen hat, deutet dies als ein Wunder und glaubt an eine bessere Zukunft durch die Macht seiner Kinder. Doch es gibt einige Menschen um ihn herum, die das anders sehen. Für sie – die sogenannten Hexenjäger – hat die weltweite Erblindung der Menschheit die Welt erst zu einem besseren Ort gemacht. Wer sehen kann, gilt als Hexe, und soll zum Wohle der Menschheit eliminiert werden. Und so beginnt eine Jagd, um die heranwachsenden Kinder vor Königin Kane (Sylvia Hoeks) und ihrem Armeeführer Tamacti Jun (Christian Camargo) in Sicherheit zu bringen.
Äußerst brutale Kampfszenen
Auch wenn nicht alle Handlungsstränge logisch absolut nachvollziehbar sind, schafft es „See – Reich der Blinden" den Zuschauer bestens zu unterhalten. Die Kostüme, das Setting mit wunderschönen Landschaftsaufnahmen – gedreht wurde in Kanada – der Cast und die Idee überzeugen. Auch die Action kommt keinesfalls zu kurz. Es wird ordentlich gekämpft. Die FSK-Freigabe ab zwölf Jahren mutet da ein wenig verwunderlich an, da die Szenen teilweise sehr brutal und blutrünstig sind. Und doch ist man beeindruckt zu sehen, wie es Blinde schaffen, gegeneinander zu kämpfen. Zu Cast und Crew gehören Mitglieder sowie Berater, die entweder blind sind oder nur eingeschränkt sehen können. Die Dynamik der Serie ist interessant aufgebaut, wechselt zwischen schnellen Kampfszenen und langsamem Voranschreiten der Handlung. Man vermisst nichts. Geboten werden gute Endzeitoptiken einer postapokalyptischen Welt und tolle Schauplätze, energische Kampfszenen, ein epischer Quest, beängstigend-irre Gegenspieler, viel Spannung und plötzliche Wendungen. Wem die erste Staffel zusagt, kann sich freuen, dass die Produktion einer zweiten Staffel bereits bestätigt wurde. Unter den bisherigen Serien des Streaming-Anbieters „AppleTV+" fiel diese Science-Fiction-Serie durch ihr großes Budget und ihren besonderen Charme auf. Auch für die zweite Staffel sollen keine Kosten und Mühen gescheut werden. Zum Cast soll Dave Bautista hinzustoßen, der die Meldung auf Instagram bestätigt hatte. Der Star aus „Guardians of the Galaxy" und „Blade Runner 2049" wird damit seine erste größere Serienrolle antreten.