Seien Sie versichert: Nicht alle Deutschen lassen die Corona-Zügel schleifen
Lieber Jens Spahn, da Sie derzeit sicher alle Hände voll zu tun haben, werden Sie vermutlich nicht zum Lesen dieser Zeilen kommen. Aber vielleicht haben Sie ja in Ihrem Umfeld vertrauenswürdige Menschen – möglicherweise sogar aus Ihrer eigenen Partei –, die Ihnen unsere folgenden Gedanken übermitteln können. Wir nehmen dabei kein Blatt vor den Mund, die Maske reicht uns dicke.
Also lieber Jens – wir hoffen, Sie verzeihen die vertrauliche Anrede, aber Sie sind der Mensch, der uns derzeit am vertrautesten ist. Manchmal glauben wir, zwischen den vielen Worten, die Sie in die Mikrofone abzusondern gedrängt werden, ein wenig Verzweiflung und die Sorge über die Unfolgsamkeit von uns Staatsbürgern bei der Umsetzung Ihrer Corona-Regeln heraushören zu können. Deshalb liegt uns ein aufrichtiges Wort des Trostes für Sie am Herzen: Nicht alle Deutschen sind uneinsichtig und verweigern sich der Pandemiebekämpfung. Wir selbst können da als Covid-negatives, aber trotzdem positives Beispiel dienen und Ihnen Mut machen, Corona doch noch zu besiegen, bevor Markus Söder im übernächsten Kanzlerrennen an Ihnen vorbei zieht.
Wir erfüllen uneingeschränkt all Ihre Regeln. Nicht nur dem juristisch gebotenen Wortlaut nach, sondern stets auch sinngemäß. Selbst wenn wir manchmal diesen Sinn nicht direkt erkennen können. Dass wir in der Vorweihnachtszeit sogar versucht haben, bei den Kerzen unseres Adventskranzes den empfohlenen Abstand von 1,50 Meter einzuhalten, zeigt überdeutlich, dass wir den Ernst der Lage erkannt haben und zu jedem Opfer bereit sind.
Auch die Maskenpflicht ist uns heilig. Deshalb tragen wir den Mund-Nasen-Schutz sogar, wenn wir allein zu Hause sind. Es könnte ja überraschend ein Einbrecher eindringen, und dem wollen wir nicht viral-fahrlässig die weitere Berufsausübung unmöglich machen. Während uns beim Zusammensein mit unserer Frau das Tragen der Maske nicht besonders schwer fällt, haben wir diesbezüglich im Umgang mit unserer Geliebten gelegentlich Probleme. Der Austausch von intimen Zärtlichkeiten leidet manchmal erheblich, selbst wenn es uns gelungen ist, einen ziemlich gefühlsechten Stoff zu vernähen. Sollte die FFP2-Maske Pflicht werden, geht aber die letzte Erotik flöten! Aber wenn´s sein muss: Wir machen mit!
In diesem Zusammenhang möchten wir Sie auch darauf hinweisen, dass die Schließung der Beherbergungsbetriebe der Förderung außerehelicher Kontakte extrem zuwiderläuft. Wo sollen solche Begegnungen derzeit stattfinden? Wir können Ihnen versichern, dass das Ausweichen auf das Auto keine Dauerlösung sein kann. Zumindest für Menschen in unserem Alter, die in jungen Jahren die Segnungen des barrierefreien Sitz- und Positionswechsels noch erlebt haben. Trotzdem versuchen wir Ihnen zuliebe weiterhin unser Bestes. Ohnehin haben wir in dieser Hinsicht ganz in Ihrem Sinne immer nur gleichzeitigen Kontakt zu maximal einer weiteren Person.
Auch Ihre Kontaktbeschränkungen tragen wir voll mit, obwohl sie hin und wieder echt mühsam sind. So dauerte es kürzlich fast fünf Stunden, bis wir alle unsere 20 Fußballkollegen einzeln besucht hatten. Unsere Frau war da sogar noch vorbildlicher und hat an einem einzigen Tag jede einzelne ihrer ehemaligen 32 Mitschülerinnen daheim besucht, um diese üblen Massenzusammenkünfte zu unterbinden.
Eine Rückfrage haben wir allerdings bezüglich der 15-Kilometer-Grenze bei Inzidenzen über 200: Gelten die 15 Kilometer pro mitfahrender Person oder pro Fahrzeug? Und ist es erlaubt, nach 15 Kilometern das Auto pflichtgemäß abzustellen und noch ein paar Kilometer zu Fuß weiterzulaufen? Vorsorglich haben wir für die nächsten vierzehn Tage schon mal 14 Orte rausgesucht, die genau 15 Kilometer von unserem Wohnort entfernt liegen: So können wir bei hohen Inzidenzen auf jeden Fall zwei Wochen lang täglich abwechslungsreich unsere automobile Staatsbürgerpflicht erfüllen.
Lieber Jens, wir hoffen, Ihnen etwas Mut und Zuversicht vermittelt zu haben. Strengen Sie sich weiter an: Gemeinsam werden wird das schlimme Virus besiegen!