Roboter nehmen als „Double" ferngesteuert an Terminen teil oder besuchen Angehörige. Erweiterte Assistenzroboter sollen schon bald die Spülmaschine einräumen, den Tisch decken und mit Senioren anregende Gespräche führen.
Das Jahr 2021 beginnt, unser Doppelgänger übernimmt. Es gibt Zeiten, da dürfen wir nicht raus, können uns nur eingeschränkt mit anderen treffen. Andermal müssen wir Zeit und Energie sparen, die es uns kosten würde, selbst an einer Messe oder Konferenz teilzunehmen. An unserer Stelle ist unser Double vor Ort: Ein Telepräsenzroboter bewegt sich dorthin, wo wir selbst eigentlich sein wollten oder sollten. Wir sind trotzdem dabei. Denn wir steuern den Roboter aus der Ferne.
Telepräsenzroboter können nicht kuscheln, aber arbeiten und Distanz überwinden. Remote Telepresence ist ein Gegenwarts- und Zukunftstrend, nicht nur am digitalen Arbeitsplatz. Ohne das Homeoffice zu verlassen, kann jeder an realen Zusammenkünften virtuell teilnehmen, indem er sich via PC oder Smartphone auf seinen Stellvertreter schaltet. Auch Logistik- und Lagerarbeiten lassen sich von zu Hause aus erledigen, wenn der smarte Doppelgänger anstelle „seines" Menschen durch Lager und Büros fährt, ausgestattet mit Lautsprechern, Mikrofonen und Kameras.
„Die Kundschaft ist primär von Unternehmen, Agenturen und Bildungs- beziehungsweise Gesundheitseinrichtungen geprägt. Doch zunehmend verspüren auch Privatkunden Interesse am Einsatz von Telepräsenzrobotern in eigenen Räumlichkeiten", heißt es dazu beim Händlervertreter „Fernarbeiter.de". Telepräsenzroboter gibt es zu kaufen und zu mieten. Ein Student in den USA, der wegen einer Krebserkrankung nicht beim Highschool-Unterricht dabei sein konnte, schickte sein Double, eine Art Display an einem Stab auf Rollen. „Statt E-Mails zu schreiben, konnte ich mich direkt und in Echtzeit an den Menschen wenden, dem ich eine Frage zum aktuellen Unterrichtsgeschehen stellen wollte", erzählt „Peter" in einem Video auf roboterverleih.eu.
4.500 Euro kostet etwa ein „Double 3"
Aufgrund ihrer Sensoren und Kameras bewegen sich die Doppelgänger geschickt im dreidimensionalen Umfeld. Sie fahren von Raum zu Raum, autonom oder auch von ihrem Menschen aus der Ferne gesteuert. Sie vermeiden Stolperfallen und Unfälle, passen die Höhe und Neigung ihres Display-Kopfes der jeweiligen Situation an. Der „Double 3", das ist ein solcher Stellvertreter-Roboter, kostet hierzulande etwa 4.500 Euro. Sechs Kameras, Amplifier-Verstärker, damit sein Mensch auch gut gehört wird, Akkus, die vier Stunden halten, und eine Ladestation gehören zu diesem Telepräsenzroboter. Auf seinem Bildschirm-Haupt ist der Mensch, der ihn aus der Ferne steuert und aus ihm spricht, beim Präsenz-Termin oder auch bei einem kontaktlosen Krankenbesuch zu sehen. Per App oder Browser ist der Telepräsenzroboter von jedem Ort aus steuerbar und weltweit einsetzbar.
Der „Double 3" ist in Deutschland auch bei www.fernarbeiter.de zu kaufen oder zu leasen. Rollt er oder ein anderer Fernpräsenzroboter bei Messen von Stand zu Stand, neigt oder wendet sich, haben die Menschen vor Ort mehr Bewegungsfreiheit, um beispielsweise Anwendungen vorzuführen. Dabei interagieren und sprechen sie mit dem Menschen auf dem Double-Bildschirm. Auch Display-Videokonferenzen zwischen heimischen Büros lassen sich so weniger statisch gestalten.
Stellvertreter-Roboter werden in Krankenhäusern, medizinischen Einrichtungen und Pflegeheimen eingesetzt, um Angehörige und Mediziner virtuell in die Nähe der Patienten zu bringen, obwohl sie eigentlich weit weg sind. Für Schüler, Studenten und Dozenten fungieren die Doubles als motorisch reaktionsfähige Vor-Ort-Vertreter. So können die Originale selbst in Kindergärten und Forschungseinrichtungen quasi live mitmachen.
Roboter schauen für Menschen knuddelig aus, wenn sie humanoide Züge und Kulleraugen haben. Am Industriearbeitsplatz sind sie eher für Kraftaufgaben am Start. Das ändert sich. Feinfühligkeit zieht in ihre Zusammenarbeit mit Menschen ein. Beispielsweise „ertastet" eine künstliche Hand mit nahezu menschlichem Fingerspitzengefühl empfindliche Materialien und reicht sie an den menschlichen Kollegen weiter. „Damit ist unser Greifer RG2-FT in der Lage, auch sehr empfindliche Werkstücke, beispielsweise aus dünnem Glas oder medizinische Testproben, zu handhaben", sagt Enrico Krog Iversen, CEO des dänischen Unternehmens für kollaborative Anwendungen On-Robot. Der RG2-FT nutzt Näherungs- und Kraft-Moment-Sensoren für seinen Tastsinn. Deshalb muss er nicht mehr auf die genaue Position in einer Kiste programmiert werden. „Das kann man sich in etwa so vorstellen, als wenn ein Mensch mit geschlossenen Augen einen Bleistift ertastet und in die Hand nimmt", sagt der On-Robot-Manager. Näherungssensoren „erfühlen" das Objekt, bis die künstliche Hand sicher zugreifen kann. Ein Maschinenführer muss hier nicht eingreifen. Der Kraftaufwand ist so präzise dosiert, dass die Hand am Roboterarm den Gegenstand zunächst zerstörungsfrei aufhebt und später bei der Übergabe an den Menschen im richtigen Moment loslässt.
Fein und klein – immer mehr kleine Roboter und Sensoren sind nicht mehr auf Big Data, also auf riesige Datenmengen, angewiesen. Auch in Fitness-Wearables zieht zunehmend lokale Künstliche Intelligenz (KI), beziehungsweise Muster-Erkennung, ein. Mit dem intelligenten Auslesen von kleinen Datenmengen, „Small Data", auf die nur wir selbst den Zugriff haben, wird das Leben sicherer und leichter – sogar mit Blick auf Alltagsroboter, die zu Hause helfen.
Samsung beispielsweise hat auf der Computermesse CES einen Alltagsroboter mit dem Namen „Samsung Bot Handy" vorgestellt, der allerdings noch nicht fertig entwickelt ist. Als Alltagshelfer im Haushalt soll er beispielsweise Zimmer aufräumen. Der „Bot Handy" setzt Künstliche Intelligenz ein, um Dinge unterschiedlichen Gewichts sowie verschiedener Größe und Form zu erkennen und die Sachen aufzuheben. Auch soll er in der Lage sein, den Unterschied in der Materialzusammensetzung verschiedener Objekte zu erkennen, damit er diese mit passendem Kraftaufwand greifen und bewegen kann.
Ziel ist Entlastung von Pflegekräften
Wenn Roboter auch im Privaten Sachen zuverlässig anfassen, heben und tragen, können sie auch im Alter zu erweiterten Assistenten werden. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat solch revolutionäre Roboter auf den Weg gebracht, die die Spülmaschine einräumen, den Tisch decken oder auf verschiedenen Kanälen mit Angehörigen der Personen, die sie betreuen, kommunizieren.
Im Projekt „Ju-Bot – Jung bleiben mit Robotern: Vielseitige Assistenzrobotik für die Alltagsbewältigung" entwickeln Forscherinnen und Forscher diese neue Generation der am KIT beheimateten humanoiden Armar-Roboter. Zum anderen arbeiten die Wissenschaftler an anziehbaren Robotern, die „Exoskelette" genannt werden. Diese speziellen Roboter sollen die persönliche Mobilität älterer Menschen unterstützen und ihnen ein zielgerichtetes Training ihrer motorischen und kognitiven Fähigkeiten ermöglichen.
Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert diese Forschung mit 4,5 Millionen Euro, damit Senioren selbstständig und in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. „Gleichzeitig müssen wir Pflegepersonal entlasten und dem Fachkräftemangel im Pflegebereich Rechnung tragen. Assistenzrobotik und Technologien der Künstlichen Intelligenz, wie wir sie am KIT erforschen, stellen dafür eine Schlüsselmöglichkeit dar", sagt Professor Holger Hanselka, der Präsident des KIT. Die Roboter werden zunächst in einem Mensch-Roboter-Appartement am KIT trainiert und später in einem Karlsruher Seniorenzentrum erprobt. Schon jetzt übernehmen die Ju-Bot-Roboter komplexe Aufgaben in der Küche, lernen dabei von Menschen und sprechen mit ihnen nicht etwa in Codes und Signalwörtern, sondern in normaler, natürlicher Alltagssprache.
„Menschzentrierte Robotik" nennt sich diese Vorgehensweise, die über reine Technologieentwicklung hinausgeht. „Wir müssen beim Einsatz von Assistenzrobotern in gemeinsamen Mensch-Roboter-Lebensräumen auch Aspekte wie den Schutz der Privatsphäre, bauliche Gegebenheiten sowie die gesellschaftlichen Auswirkungen berücksichtigen", sagt Professor Oliver Kraft, Vizepräsident für Forschung des KIT. „Deswegen arbeiten am KIT Experten aus Robotik, Künstlicher Intelligenz, Mensch-Maschine-Schnittstellen, IT-Sicherheit, Ingenieur- und Sportwissenschaften sowie Architektur und Technikfolgenabschätzung gemeinsam an einem Projekt wie Ju-Bot."