Matt Berningers Vision vom Songschreiben: in einen tiefen Wald hineinlaufen ohne zu wissen, wie man wieder herausfindet. Der The-National-Sänger wollte unbedingt einmal alleine in den Wald hineinlaufen, sich seiner emotionalen Herangehensweise an sein stets sehr persönliches Liedgut ohne Absprache mit Mitstreitern hingeben.
So entstand ein Solo-Debüt, das den beachtlichen Gesamt-Katalog der populären Stamm-Band sowohl an Selbstbewusstsein als auch an Intensität noch übertrifft.
Kurzum: „Serpentine Prison" geriet schmerzlich schön. Und passt damit trefflich in die dunkle Jahreszeit.
Es sind Liebeslieder, die in Melancholie baden, sich der Euphorie beharrlich verweigern. Der knapp 50-Jährige aus Cincinnati (USA) ist und bleibt ein Schmerzensmann. Dem man trotzdem bis auf Weiteres genüsslich verfällt …
Viel Licht strahlt nicht in diese Songs, doch wirken sie letztlich weniger schwermütig – dafür countryfizierter – als das Meiste von The National. Wie kommt’s? Berningers grandios düstere Songhandschrift war ohnehin niemandem mehr zu beweisen, sein unaufgeregt feiner Bariton ebenso wenig.
So ist zu vermuten, dass es die illustre Gästeschar ist, die hier den Unterschied macht: Matt Barrick (The Walkmen), Andrew Bird, Gail Ann Dorsey (David Bowie), Mickey Raphael (Willie Nelson, Bob Dylan), Harrison Whitford (Phoebe Bridgers) – um nur einige zu nennen …
Berninger, der selbst kein Instrument spielt, verließ sich offensichtlich auf die richtigen Mitstreiter. Sie addieren Bläser- und Geigen-Finesse, Saiten-Magie und Tasten-Brillanz. Ach ja, und mit Booker T. Jones hat eine (Memphis-)Legende produziert. Überragende Tracks hat dieses Meisterwerk nicht, denn es ist schlichtweg überragend im gesamten Flow; im Zusammenpiel aller Komponenten. Es sei nicht immer einfach, freundlich und ehrlich zu sein, sagt der Künstler. Genau das ist ihm aber auf „Serpentine Prison" fabelhaft gelungen: Melancholie freundlich und ehrlich zu präsentieren. Und damit sehr zum Vergnügen nicht nur von Nick Cave-Fans.