Das Rauchen schädigt Gesundheitswesen und Volkswirtschaft mit rund 100 Milliarden Euro – pro Jahr. Doch die Sucht nach Tabak hat viele Facetten. Dr. Katrin Schaller erläutert Hintergründe.
Nicht zu rauchen ist einfach der beste Schutz gegen Lungenkrebs. Und dass das Inhalieren von Tabakrauch das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko überhaupt ist, bestreitet niemand ernsthaft. Doch warum raucht dann immer noch rund ein Viertel der Bundesbürger? Weil der Einstieg meist in jungen Jahren geschieht, wie Dr. Katrin Schaller erklärt. Die kommissarische Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention beim Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in der Helmholtz-Gesellschaft fügt hinzu: „Jugendliche sind risikobereit, und der Lungenkrebs in 30 Jahren ist für sie
sehr weit weg."
Die Langzeitfolgen des Tabakkonsums sind verheerend, denn das Rauchen von Zigaretten schädigt nahezu alle Organe des Körpers. 80 Prozent der Lungenkrebsfälle sind darauf zurückzuführen. Für COPD, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung, ist Rauchen die bedeutendste Ursache. Zudem haben Raucher ein doppelt so hohes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und für Schlaganfälle. Bei Schwangeren kann es zu Komplikationen auf dem Weg bis hin zur Geburt kommen und die Entwicklung des Kindes bis ins Erwachsenenalter hinein beeinträchtigen. Das Rauchen von gern als gemütlich angesehenen Zigarren und Pfeifen erhöht das Risiko für mehrere Krebsarten sowie für Erkrankungen der Lunge und des Herz-Kreislaufsystems. Kurzum: Rauchen ist eine Sucht, und diese Abhängigkeit führt dazu, dass viele trotz bereits bestehender Folgekrankheiten weiter machen.
Dennoch gebe es einen erfreulichen Lichtblick: Bei jungen Menschen geht der Anteil an Rauchenden zurück. „Es ist bei Jugendlichen offenbar nicht mehr so cool", erklärt Dr. Katrin Schaller. Zudem ist generell der Anteil an Rauchern in der Bevölkerung in den vergangenen rund 30 Jahren rückläufig, bei Männern sogar deutlich. Steckten sich 1992 noch fast 37 Prozent eine Zigarette an, sind es nun nur noch 26,4 Prozent. Bei Frauen sank die Zahl von 21,5 auf 18,6 Prozent. Das Mittel liegt bei nun 22,4 statt 28,8 Prozent. Diese Zahlen sind dem „Tabakatlas 2020" zu entnehmen, an dem die Biologin mitgearbeitet hat. Dieses sehr umfangreiche Nachschlagewerk wurde vom Gesundheitsministerium gefördert.
Darin enthalten sind auch die Ergebnisse von Untersuchungen zu neuen Trends wie Snus oder E-Zigaretten. Snus, also Lutschtabak, wird in kleinen Beutelchen unter die Lippe geschoben und gelutscht. Der Vertrieb ist jedoch in der EU – außer in Schweden – verboten. Das Nikotin kommt beim Snusen zwar langsamer als beim Rauchen in den Körper – erreicht letztendlich aber einen ähnlich hohen Spiegel.
Etwas differenzierter sieht es bei der derzeit so beliebten E-Zigarette aus. Dennoch sagt Dr. Katrin Schaller auch hier ganz klar: „Sie ist keinesfalls harmlos." In E-Zigaretten wird eine meist nikotinhaltige, aromatisierte Flüssigkeit elektronisch erhitzt. Das dabei entstehende Aerosol wird inhaliert. Der Tabak in den Sticks ist stark verarbeitet und mit viel Glyzerin versetzt. Der kausale Zusammenhang zwischen der E-Zigarette als Einstieg auf dem Weg zum Rauchen von Zigaretten sei noch nicht ganz klar, aber aufgrund der Ähnlichkeit von Rauchen und E-Zigarettenkonsum sagt die Biologin: „Es steht zu befürchten."
E-Zigaretten-Aerosole haben meistens eine deutlich geringere Menge an Schadstoffen als Tabakrauch. „Das ist schon mal ein Vorteil", sagt Dr. Katrin Schaller, warnt aber direkt, dass einzelne Substanzen der E-Zigaretten unter bestimmten Bedingungen ähnlich hohe oder sogar höhere Konzentrationen erreichen können. Das bedeutet: Sie gefährden die Gesundheit und machen abhängig. Nichtrauchende sollten sie demnach nicht verwenden – auch zum Abgewöhnen eigne sich die E-Zigarette demnach nicht. Die oftmals stattfindende Verharmlosung ist auch völlig fehl am Platz.
Rauchen verdoppelt das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und Schlaganfälle
Noch weitaus gesundheitsschädlicher sind die derzeit ebenfalls in Mode scheinenden Wasserpfeifen oder Shishas. Bei denen wird ein Lebensgefühl mit transportiert, das jedoch ebenfalls völlig in die Irre führt. Beim Shisha-Rauchen nehmen die Konsumierenden pro Zug deutlich größere Rauchmengen und mehr Schadstoffe auf als beim Zigaretten-Rauchen. Wasserpfeifen machen abhängig und verursachen Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen, Lungenkrebs und möglicherweise weitere Krebsarten und beeinträchtigen während der Schwangerschaft ebenfalls die Entwicklung des Ungeborenen, wie es im Tabakatlas heißt.
Auch wenn Shishas mit elektronischen Heizquellen betrieben werden und Shiazo-Steine, Gele oder Kräuter-/Fruchtmischungen anstelle von Tabak verwendet werden, entstehen Schadstoffe – darunter auch krebserzeugende Substanzen. Der Rauch von Wasserpfeifenzubereitungen ohne Tabak enthält – abgesehen von Nikotin – dieselben Schadstoffe wie der Rauch von Wasserpfeifentabak. Mögliche gesundheitliche Folgen dieser Varianten sind zu erwarten, aber bislang noch nicht erforscht und daher unbekannt. Was jedoch bereits bekannt ist: Nicht nur der Raucher oder die Raucherin, sondern auch im Raum anwesende Nichtrauchende können Kohlenmonoxid-Vergiftungen erleiden. Dieses entsteht vor allem beim Verschwelen der Kohle.
Das Durchleiten des Rauchs durch das Wasser hat auch keine reinigende Wirkung, es kühlt den Rauch lediglich ab, sodass er leichter zu inhalieren ist. Was Wasserpfeifen von Zigaretten abhebt, ist, dass das Rauchverhalten meist ein anderes ist. So ist der regelmäßige Konsum eher selten. Nur etwa jeder zehnte Konsumierende raucht täglich eine Shisha, etwa jeder Sechste raucht sie mindestens wöchentlich und drei Viertel verwenden sie seltener. Fest stehe jedenfalls: „Man nimmt weiterhin einen ziemlichen Giftcocktail zu sich."
Wie bereits gesagt, ist der beste Weg, diesbezüglich seine Gesundheit zu schützen, einfach nicht zu rauchen. Positiv zu verzeichnen ist es aber, dass die Tabakrauchbelastung im öffentlichen Raum infolge der Nichtraucherschutzgesetze in den Bundesländern deutlich zurückgegangen ist. Auch ist die Belastung durch Tabakrauch in den eigenen vier Wänden für Kinder und Jugendliche erheblich gesunken. In vielen Landesbehörden herrscht außerdem ein komplettes oder zumindest ein stark eingeschränktes Rauchverbot. In Gaststätten wiederum herrscht nur im Saarland, in Bayern und in Nordrhein-Westfalen ein komplettes Rauchverbot. In den restlichen Bundesländern sind Extra-Räume für Rauchende möglich. Als Nichtraucher, der passiv Qualm zu sich nimmt und dessen Gesundheit dadurch gefährdet ist, bleibe kaum etwas anderes übrig, als einen Rauchenden zu bitten, zum Rauchen nach draußen zu gehen – oder ganz einfach nicht in Lokalitäten zu gehen, die das Rauchen ermöglichen.
Eine Aufgabe des WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle am DKFZ sei es, „dazu beizutragen, dass solche Ausnahmeregeln aufgehoben werden", wie es Dr. Katrin Schaller ausdrückt. Dazu stehe man im Austausch mit der Politik, wo in diesem Fall die Landesregierungen aktiv werden müssten. „Es ist ein langsames, mühevolles Vorgehen in kleinen Schritten", erklärt sie. Denn die Politik sei natürlich ihrerseits im Austausch mit der Wirtschaft. Sprich: Durch Parteispenden oder Sponsoring von Parteitagen versucht die Tabakindustrie, in der Politik eine positive Einstellung ihr gegenüber zu erreichen.
Um noch mehr Menschen vom Rauchen abzuhalten oder sie zumindest zu entwöhnen, ist viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Doch nicht nur Aufklärung, sondern auch politische Maßnahmen wie spürbare Steuererhöhungen oder Nichtraucherschutzgesetze gehören zur Prävention. Doch so eine Erhöhung kann die Falschen treffen: „Einkommensschwache reagieren besonders sensibel auf eine Preiserhöhung, weil ihnen verhältnismäßig weniger Geld zur Verfügung steht." Somit ist das Rauchen nicht nur eine Frage der Gesundheit, sondern auch eine des sozialen Status.
Und noch einen Aspekt sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen: die Umwelt. Für Anbau und Trocknung des Tabaks werden ganze Wälder gerodet. Vor allem durch die Trocknung des Tabaks entstehen große Mengen klimaschädlicher Emissionen. Der Wasserverbrauch ist immens, es werden schädliche Emissionen ausgestoßen, und Pestizide sorgen ebenfalls für Umweltschäden. Wem die Anbaugebiete zu weit weg sind, der kann sich Folgendes vor Augen führen: Zigarettenkippen gehören zu den häufigsten Müllobjekten. Allein in Deutschland machten sie 2016 35 Prozent der gesamten nicht sachgemäß entsorgten Abfälle aus. 2018 waren sie gar der am häufigsten gefundene Gegenstand an Stränden – in Deutschland und weltweit.