Die Impfkampagne hat begonnen. Dass zu Beginn nicht genügend Dosen zur Verfügung stehen würden, war frühzeitig bekannt. Doch wo kommt der Stoff eigentlich her und wie läuft die Impf-Logistik ab?
Edith Kwoizalla, stolze 101 Jahre alt, war in einer Senioreneinrichtung in Halberstadt im Landkreis Harz die erste Deutsche, die geimpft wurde. Dabei war Sachsen-Anhalt vorgeprescht und begann bereits am Samstag, 26. Dezember, mit der Impfung. Der bundesweite Impf-Start war eigentlich für den 27. Dezember angesagt, rund eine Woche, nachdem der Impfstoff von Pfizer/Biontech in der EU zugelassen wurde. Die Impfdosen wurden über die EU geordert und an die Mitgliedsstaaten verteilt. In Deutschland wurden die Dosen an die Länder weitergeleitet. Geimpft wird in einem der mehr als 400 Impfzentren, die auf die 16 Länder verteilt sind, oder mittels mobiler Einrichtungen, die dann die Dosen beispielsweise in Senioreneinrichtungen verteilen können.
Herausforderungen
„BNT162b2" von Pfizer/Biontech ist der erste zugelassene und im Handel erhältliche Impfstoff zum Schutz vor der Coronavirus-Infektion Covid-19. Er verfügt über ein hohes Maß an Wirksamkeit und hat lediglich bei Impfungen übliche Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder kurze Übelkeit. Dennoch gibt es einen Nachteil: Er muss bei -70 Grad Celsius gelagert werden. Zumindest, wenn er längere Zeit gelagert werden muss. Doch der Hersteller weist darauf hin, dass dies aufgrund der hohen Nachfrage erst einmal kaum vonnöten sei. Eine Lagerung in einem handelsüblichen Kühlschrank für bis zu fünf Tage sei bedenkenlos möglich. Die geringe Menge an Bestellungen in der EU geriet unter anderem in die Kritik, weil „BNT162b2" innerhalb von drei Wochen zweimal geimpft werden muss. Damit soll der Impfschutz des Stoffes auch tatsächlich sichergestellt werden. Mehrere Experten wiesen zudem darauf hin, dass es günstiger gewesen wäre, Impfstoffe „auf Halde" zu bestellen, als weiter Geld in die Wirtschaft zu pumpen, die unter der Corona-Krise ächzt. Auch der Anfang Januar zugelassene Impfstoff „mRNA-1273" der US-amerikanischen Firma Moderna muss zweimal verimpft werden, zur Lagerung reichen aber -20 Grad Celsius. Der Ende Januar zugelassene Vektorimpfstoff „AZD1222" der britisch-schwedischen Firma Astrazeneca kann sogar bei Temperaturen zwischen zwei und acht Grad Celsius transportiert und gelagert werden.
Logistik weltweit
Innerhalb von drei Tagen kann der Impfstoff nach der Herstellung am Ort des Impfens sein – das vermeldet Pfizer auf der deutschen Webseite. Dabei kommen eigens entwickelte Transportboxen zum Einsatz, die die erforderliche Temperatur dank 23 Kilo Trockeneis pro Box bis zu zehn Tage halten können. Diese Box kann am Einsatzort zur Zwischenlagerung genutzt werden. In den Boxen befinden sich GPS-fähige Thermosensoren, die sowohl den Kältegrad als auch den eigentlichen Bestand überprüfen. Zur Lieferung nutzen Pfizer/Biontech sowohl den Straßenverkehr als auch den Lufttransport. Der in Mainz hergestellte Impfstoff wird dabei in das Zentrallager ins belgische Puurs gebracht und laut Bundesgesundheitsministerium von dort aus direkt an die Bundesländer ausgeliefert.
Logistik in Deutschland
Die Länder sind für die Lagerung und die Weitergabe an die Impfzentren vor Ort sowie für die Beschaffung von Zubehör wie Spritzen, Kanülen, Pflastern und Desinfektionsmitteln verantwortlich. Dabei greift man auf Kooperationen mit Pharma-Logistikern oder Hilfsorganisationen zurück. Diese verteilen in ihren Standorten in der Regel die großen Lieferungen auf kleinere Einheiten und liefern diese an die Zentren aus. Der Lockdown und der damit einhergehende eingeschränkte Verkehr auf den Straßen könnten dabei helfen, dass der wichtige Transport nicht durch Staus aufgehalten wird, meinen einige Experten.
Verfügbarkeit und Kritik
Kritik erntete die EU, weil sie laut eines „Spiegel"-Berichts 500 Millionen Impfdosen von den Herstellern Pfizer/Biontech angeboten bekam – aber erst einmal nur 200 Millionen mit Option auf 100 weitere Millionen orderte. Auch vom Hersteller Moderna bestellte man nur 80 Millionen Dosen, ebenfalls mit Option auf 80 Millionen weitere. Das Problem bei beiden Impfstoffen: Sowohl von „mRNA-1273" (Moderna) als auch von „BNT162b2" (Pfizer/Biontech) müssen zwei Impfungen im Abstand von drei bis sechs Wochen vorgenommen werden. Die Europäische Union mit ihren 27 Mitgliedsstaaten hat rund 446 Millionen Bürger – bräuchte also rund eine Milliarde Dosen, um jeden doppelt zu impfen. Kritik gibt es auch, weil die Hersteller nach dem Start der Impfkampagnen in der EU jeweils mitteilten, zunächst weniger Dosen liefern zu können, als bestellt waren.
Nachschub
Derzeit sind mehr als 70 Impfstoffe in der klinischen Phase, davon rund 20 in der Phase-III-Studie, also kurz vor der Marktzulassung. Das Wissenschaftsmagazin „Quarks" berichtet gar von mehr als 200 Impfstoffkandidaten. Zugelassen sind in der EU die drei bereits erwähnten Impfstoffe von Pfizer/Biontech, Moderna und Astrazeneca. Daneben werden dieses Jahr sicherlich weitere hinzukommen. Bereits ab August impfte Russland bis Anfang Dezember des letzten Jahres rund 100.000 Menschen mit „Sputnik V". Das chinesische Pharmaunternehmen Sinopharm lieferte bereits ab September an die Vereinigten Arabischen Emirate einen Impfstoff aus, impfte auch Regierungsmitglieder und Militärmitarbeiter und schloss Verträge mit asiatischen, afrikanischen und südamerikanischen Ländern ab. Sowohl Russland als auch China warteten jedoch nicht, bis die Phase-III abgeschlossen war.
Herdenimmunität
Um einen guten Schutz gegen eine Erkrankung mit Covid-19 zu haben, muss ein großer Teil der Bevölkerung immun gegen die Krankheit sein. Die Weltgesundheitsorganisation spricht von bis zu 70 Prozent der Bürger, um diese sogenannte Herdenimmunität zu erreichen. Für Deutschland würde dies bedeuten, dass etwa 56 Millionen Menschen geimpft/immun sein müssten. In der ersten Woche nach der Premieren-Impfung wurden nach RKI-Angaben bundesweit etwa 240.000 Menschen geimpft. In dem Tempo würden also nach einem Jahr etwas mehr als 50 Millionen Bürger geimpft sein. Das Tempo wird jedoch sicher nach Zulassung weiterer Impfstoffe und der irgendwann nicht mehr holprigen Logistik und höherer Produktion deutlich zunehmen. Die AHA-Regeln werden uns voraussichtlich jedoch bis mindestens in den Herbst begleiten – zumal inzwischen auch mutierte Formen des Virus aufgetreten sind.
Priorität
Im Grunde wurde bereits seit Beginn der Pandemie darüber diskutiert, wer zuerst geimpft wird. Die Ständige Impfkommission – eine ehrenamtliche Expertengruppe, die dem Robert Koch-Institut angesiedelt ist –, der Deutsche Ethikrat und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina legten dem Bundesgesundheitsministerium Ende 2020 eine Empfehlung für die Priorisierung der zu Impfenden vor. Diese trat als Rechtsverordnung am 15. Dezember in Kraft, wonach Über-80-Jährige oder Menschen, die als Pflegekräfte arbeiten, höchste Priorität haben. Hohe Priorität genießen Personen, die älter als 70 Jahre alt sind oder unter anderem Polizeikräfte, die einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Erhöhte Priorität haben unter anderem Personen über 60 sowie Erzieher und Lehrer.