Was passiert, wenn eine Kölner Kommissarin die geliebte Stadt gegen ein Kaff in der Eifel tauschen muss? Sehr viel Komisches. Zu sehen in der Serie „Mord mit Aussicht" auf Netflix.
Kulturschock für Kriminaloberkommissarin Sophie Haas (Caroline Peters). Anstatt endlich Leiterin des Kölner Morddezernats zu werden, wird die ehrgeizige Ermittlerin von ihrem Chef wegbefördert. Der will die taffe Blondine mit der großen Klappe nämlich loswerden und macht sie kurzerhand zur Dienststellenleiterin in dem Dorf Hengasch in der Eifel. Für die eingefleischte Großstädterin eine Katastrophe. Trotzig packt sie ihre Sachen und zieht mit ihrem etwas schrägen Vater Hannes (Hans Peter Hallwachs), einem Arzt im Ruhestand, im Schlepptau in ein ehemaliges Forsthaus, mitten im grünen Nichts, mit Rehgeweihen an der Wand und veralteten Bauernmöbeln. Schlimmer kann es für Sophie kaum kommen. Der erste Tag in der dörflichen Dienststelle stimmt die Kölnerin auch nicht fröhlich. Ihr Team besteht aus dem etwas trotteligen, aber gutmütigen Dietmar Schäffer (Bjarne Mädel) und der übereifrigen, aber liebenswerten Polizistin Bärbel Schmied (Meike Droste). Sophie Haas, stets in Pumps und top gestylt, mischt die Dienststelle und das Dorf ordentlich auf. Herrlich, wie dabei ihr forsches Arbeitstempo immer wieder mit Dietmar Schäffers Behäbigkeit zusammenprallt. Der gießt gern mal in Ruhe die Büroblumen und geht am liebsten pünktlich nach Hause. Dort wartet nämlich seine Ehefrau Heike (Petra Kleinert), von ihm liebevoll „Muschi" genannt. Ganz Dorf-Klischee-Frau steckt die gern ihre Nase in alles. Mit impertinenter Neugier über aktuelle Fälle und das Privatleben von Sophie Haas treibt sie die Oberkommissarin regelmäßig in den Wahnsinn. Dabei erweist sich Heike aber auch hin und wieder als nützlich für die Ermittlungen. Denn Hausfrau Heike weiß über jeden und alles in Hengasch Bescheid. Drollig auch, wie das Ehepaar Schäffer auf eine naive Art und Weise mit großen und kleinen Problemen des Alltags kämpft. Wie zum Beispiel der Mutter von Dietmar, die sich bei den beiden einnistet.
Hausfrau Heike weiß über jeden und alles im Dorf Bescheid
Mit dem Eintreffen von Sophie Haas verliert das verschlafene Örtchen auch prompt seine Beschaulichkeit und mit der Langeweile in der kleinen Dienststelle ist es vorbei. Ein Mord jagt den nächsten, den der örtliche Gynäkologe Dr. Bechermann als eine Art Running Gag jedes Mal als „Herzinfarkt" deklariert. Sophie Haas ist ganz in ihrem Element. Denn ohne einen richtigen Mordfall macht das Leben für sie keinen Sinn. Sehr amüsant, wie sie das traditionelle Dorfleben fast panisch versucht zu umschiffen, sich mit ihrem besserwissenden Vorgänger herumschlägt (Michael Hanemann), die einzige Kneipe notgedrungen liebgewinnt und in chaotische Liebesbeziehungen stolpert.
Klar, in „Mord mit Aussicht" jagt ein Dorf-Klischee das nächste, doch das darf es auch, denn die Krimi-Satire möchte nicht ernst genommen werden. Dass sie bei ihrem Start 2008 bei der ARD sehr schnell zum Quotenhit wurde, liegt an den skurrilen Figuren, verkörpert von einer Spitzen-Besetzung. Caroline Peters, die unter anderem zum Ensemble des Wiener Burgtheaters gehört, gibt eine wunderbar überdrehte, entnervte und brillante Kommissarin mit einem trotz aller städtischen Arroganz unwiderstehlichem Charme. Urkomisch ist Bjarne Mädel als gemütlicher Dorfpolizist, der schon bei einem einzigen Anruf auf seinem mit einem Stofftier verzierten Diensttelefon völlig gestresst ist. Und Meike Droste ist als Polizistin Bärbel Schmied eine herzallerliebste Mischung aus niedlich und tatkräftig. Erwähnt werden muss auch unbedingt die Musik von Andreas Schilling. Die Bläser-Untermalung einzelner Szenen im Volksmusik-Stil ist einfach köstlich.
Skurille Figuren mit einer Spitzen-Besetzung
Drehbuchautorin Marie Reiners hatte die Idee zu der Serie, als sie vor Jahren in ein geerbtes Haus in der Eifel zog. Die Kölnerin erlebte dabei genau wie Sophie Haas das Dorfleben. Die Figuren der Serie sind sogar an reale Menschen im Dorf angelehnt, wie Marie Reiners in einem Interview 2014 mit der „FAZ" erzählte.
Mit durchschnittlich 6,52 Millionen Zuschauern und 20,9 Prozent Marktanteil war „Mord mit Aussicht" 2014 die meistgesehene Fernsehserie Deutschlands. Auf Netflix sind alle drei Staffeln und das Finale in Spielfilmlänge abrufbar.
Nach einer mehrjährigen Pause ist aktuell die vierte Staffel in Arbeit – mit einer völlig neuen Besetzung. Katharina Wackernagel übernimmt die Rolle der Kommissarin Marie Gabler. Bjarne Mädel und Meike Droste werden durch Sebastian Schwarz als Polizeiobermeister Heino Fuß und Eva Bühnen als Jennifer Dicke ersetzt. Die dürften es schwer haben, in die großen Fußstapfen von Peters und Co. zu treten.