US-Präsident Joe Biden pocht auf mehr Menschenrechte im Königreich
Es läuft gerade schlecht für das saudi-arabische Königshaus. Die US-Geheimdienste erheben schwere Vorwürfe: Der mächtige Kronprinz Mohammed bin Salman habe den Auftrag gegeben, den regierungskritischen saudischen Journalisten Jamal Kashoggi „zu ergreifen oder zu töten". Ein schmerzhafter Schlag für „MBS", wie der Thronfolger auch genannt wird. Die Hinrichtungsaktion hätte bestialischer nicht geplant und durchgeführt werden können. Kashoggi, der Anfang Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul die Papiere für seine Hochzeit abholen wollte, wurde betäubt, ermordet, die Leiche mit einer Knochensäge zerlegt. Mehr Zynismus und Menschenverachtung sind kaum vorstellbar.
Im amerikanischen Kongress baut sich nun Druck gegen „MBS" auf. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, fordert Präsident Joe Biden auf, die Beziehungen zu Saudi-Arabien „zu überdenken und neu zu bewerten". Sie brachte dabei den Global Magnitsky Act ins Spiel. Das 2016 verabschiedete Gesetz ermächtigt die US-Regierung, weltweit alle Menschenrechtsverletzer persönlich zu bestrafen, deren Vermögen einzufrieren und ihnen die Einreise in die Vereinigten Staaten zu verweigern. Biden scheut zwar vor direkten Sanktionen gegen den Kronprinzen zurück. Er verlangt aber, die an Kashoggis Ermordung beteiligte Schnelle Eingreiftruppe aufzulösen.
Die Menschenrechtskeule trifft den starken Mann in Riad an mehreren Fronten. Formal führt zwar noch König Salman die Geschäfte, doch der 85-jährige Monarch wird immer schwächer. Der Kronprinz ist der De-facto-Herrscher. Präsident Donald Trump hatte ihm Rückendeckung für unbegrenzte Repression nach innen und einen jahrelangen Vernichtungskrieg im Jemen verschafft. Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen schiitische Huthi-Milizen konnte „MBS" das Nachbarland gnadenlos bombardieren. Hauptsache, der Huthi-Förderer Iran wurde geschwächt. Saudi-Arabien unterstützt in dem Konflikt den jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi, der im Exil in Riad lebt.
Bin Salman hat nun ein doppeltes Problem: Einerseits fällt Trumps Freifahrtschein weg, amerikanische Rüstungslieferungen sind nicht mehr selbstverständlich. Durch den neuen US-Fokus auf das Thema Menschenrechte hat die Saudi-Connection Risse bekommen. Andererseits verfügt der Iran über mächtige Verbündete. Im internationalen Atom-Streit stehen Russland und China an der Seite Teherans. Die Saudis werden in die Zange genommen. Sie sehen sich beim Streben um die regionalpolitische Vorherrschaft durch das Mullah-Regime bedroht, das sich in den letzten Jahren in Syrien, im Libanon, Irak und Jemen militärisch immer stärker eingemischt hat. Überlagert wird der Brandherd durch religiöse Macht-Ambitionen: Saudi-Arabien fühlt sich als Schutzmacht der Sunniten, der Iran als Schutzmacht der Schiiten.
Der saudische Kronprinz muss jedoch auch innenpolitisch gewaltige Herausforderungen schultern. Das fossile Zeitalter hat seinen Höhepunkt überschritten. Die Einnahmen aus dem Ölexport schrumpfen. Das Geschäftsmodell des Rohstoff-Giganten – Finanzierung eines opulenten Wohlfahrtsstaats durch den Verkauf des „schwarzen Goldes" – geht immer weniger auf.
Hinzu kommt, dass jedes Jahr 400.000 junge Saudis auf den Arbeitsmarkt drängen. Doch der Staat kann keine neuen Jobs mehr schaffen. Jetzt sollen die Privatunternehmen diese Aufgabe übernehmen. Bin Salman hat eine „Vision 2030" vorgelegt – ein gigantisches Diversifizierungs-Programm weg von Öl und Gas hin zu mehr Energieerzeugung durch erneuerbare Quellen, Kernkraft, Metallverarbeitung oder die Herstellung petrochemischer Produkte. Mit diesen Leitlinien wollte sich „MBS" den Anstrich eines Modernisierers verpassen. Die brutale Ermordung Kashoggis hat diesem Image tiefe Kratzer verpasst.
Der Thronfolger versucht nun, mit kleinen Gesten die neue amerikanische Regierung gnädig zu stimmen. So hat er das Embargo gegen Katar beendet, das er 2017 begonnen hatte. Zudem wurde eine knapp sechsjährige Haftstrafe für die Frauenrechtlerin Loujain al-Hathloul zur Bewährung ausgesetzt. Biden dürfte sich damit nicht zufriedengeben. Er wird künftig verstärkt auf die Freilassung politischer Gefangener sowie das Ende des Jemenkriegs drängen. Der Druck auf den Kronprinzen nimmt zu.