„The Good Taste" bündelt die Außer-Haus-Angebote hochwertiger Berliner Restaurants, Bars und Produzenten. Vom Einzelgericht über Wein und Drinks bis zu kompletten Menü-Boxen wird bundesweit verschickt.
Die Welt sollte eigentlich auf genau diese Genuss-Plattform gewartet haben: Über „The Good Taste" sind Gerichte, Drinks, Produkte sowie Menü- und Cocktailboxen richtig guter Berliner Restaurants online bestellbar. Und zwar kreuz und quer miteinander kombinierbar. In meiner Test-Box vereinen sich etwa Gläser von „Irma la Douce", „Weck die Heimat", „Bob & Thoms", „No Name" und „Lubitsch". Das gab es so zuvor in Berlin nicht. Bis Jonathan Kartenberg, Gastronom im „eins44" und „Irma la Douce", die Online-Plattform erfand und Anfang Januar an den Start brachte.
20 Berliner Restaurants, Bars und Produzenten mischen inzwischen mit. Tendenz steigend. Kartenberg führt ständig Gespräche mit potenziellen Mitstreitern und macht genau dasselbe wie wir zu Hause: neue Gerichte und Produkte probieren. Ob die bestellten Gläser aus der „virtuellen Speisekammer", wie sich „The Good Taste" selbst bezeichnet, an einem Abend etwa in einem selbst zusammengestellten Vier-Gang-Menü oder in größeren Abständen nacheinander verzehrt werden, bleibt Lust und Laune der @home-Gäste überlassen. Die eigenen Vorlieben entscheiden.
Ich schraube das Glas mit der sandfarbenen Hummercreme von „Bob & Thoms" auf und gieße die sämige Suppe zum Aufwärmen in einen Topf. Ich kann das Meer förmlich vom Teller weglöffeln. Sanft und ein bisschen jodig ist die auf Hummerkarkassen, Röstgemüse, Portwein und Cognac basierende, sahnig abgebundene Suppe ein feines Mittagessen. Ein Stückchen Baguette dazu, et voilà, schon verschönert eine Hummerbisque meinen schnöden Arbeitstag. Voll die Gönnung! Und überhaupt: Wer sind eigentlich „Bob & Thoms"? Kannte ich bislang nicht. Das kleine Restaurant von Oliver Körber und Felix Thoms in Schöneberg hat sich mit diesem Klassiker definitiv für meine Ausprobieren-Liste in der Zeit nach dem Lockdown empfohlen. Ich habe so eines der Ziele von „The Good Taste" erreicht: neugierig zu werden auf mir bislang unbekannte Lokale und Produzenten. Jonathan Kartenberg spricht davon, dass auf diese Weise „ausgehfreudige Menschen neue Lokale vom Sofa aus durchtesten" können. Für solche Entdeckungen bin ich in diesem ereignisarmen Winter jederzeit zu haben!
„Wir müssen zukunftsfähig sein"
Die nächste Entdeckung kommt bald darauf aufs Baguette – eine Wildschwein-Rillette von „Weck die Heimat". Auch noch nie gehört! Doch es steckt ein wohlbekannter „From Nose to Tail"-Koch dahinter. Christoph Hauser, Mitbetreiber und Küchenchef vom ehemaligen „Herz & Niere", confierte Bauch und Backe von der Wildsau in deren eigenem Fett. Salz und Pfeffer, ein bisschen Nelke, Chili, Sellerie, Wacholder und Apfelessig mit hineingerührt und eingekocht – schon schmeckt das Schwein wild und würzig, bleibt aber fein und beinah cremig auf dem Brot. Parallel zur Rillette öffne ich das Rote-Bete-Hummus vom „Lubitsch" und häufele es auf den Teller. Schön Tahini-lastig, aber auch fruchtig und sanft purpurfarben durch die Knolle. Interessant. An diese Kombination hatte ich noch nie gedacht, „Lubitsch"-Küchenchef Michael Weigt aber sehr wohl. Viele Mitkochende verkaufen „seit Corona" ihre eigenen Produkte vor Ort zum Mitnehmen. Das hat jedoch schnell seine Grenzen. Wer klappert schon sechs Lokale im Stadtgebiet ab, um seine Lieblingsgerichte zusammenzusammeln? Springt einem aber Unbekanntes auf der Website ins Auge, ist die Bestellung rasch zusammengeklickt und per Karte bezahlt. Damit keine Missverständnisse entstehen: „The Good Taste" ist auf keinen Fall mit dem „eins44" oder „Irma la Douce" gleichzusetzen, auch wenn beide Casual-Fine-Dining-Restaurants starke Produzenten sind. Es gehe um die Online-Plattform für den Versand „in einem hochwertigen Umfeld", sagt Kartenberg.
Die Organisation des Ganzen ist komplex. Von der korrekten Lagerung zahlreicher, meist eingeweckter Produkte über die bruchsichere und nachhaltige Verpackung bis hin zur Versandlogistik über einen für Lebensmittel möglichst zuverlässigen Paketdienst. Hinzu kommen Aufbau und Pflege eines funktionierenden Onlineshop-Systems sowie übergeordnetes Marketing und Werbung. Jonathan Kartenberg ist ein Macher, der auf die Lösung statt auf das Problem schaut. „Am Ende ist die Plattform das, was der Produzent braucht."
Kartenberg investierte einiges an Zeit und Geld. „Es ist schon relativ verrückt, was wir da machen." Aber eben auch noch nie dagewesen. Könnte daraus ein kleines Food-Amazon entstehen? „Es kann nie genug Vertriebswege geben." Kartenberg ist sich sicher: „Es wird nie mehr dorthin zurückgehen, wo wir waren. Wir müssen zukunftsfähig sein." Gastronomen werden mehr als ein Standbein benötigen, um auch nach der Wiedereröffnung der Restaurants längerfristig auf Vor-Corona-Niveau zurückzukommen oder gar noch mehr Geschäft zu machen. Und gegen neue Gäste, die sich statt aufs Sofa gern an einen gedeckten Restauranttisch setzen, dürfte kein Gastronom etwas einzuwenden haben.
Vom „Irma la Douce" und dem „eins44" gibt es bereits ein vier- sowie ein dreigängiges Monatsmenü im Shop. Der Valentinstag war der Auftakt für die Vermarktung anlassbezogener Boxen. „Wir sind eigentlich zu spät gestartet, konnten aber mehr als 250 Menüs aus sieben verschiedenen Lokalen verkaufen." Menü-Boxen sollen eine weitere starke Linie bei „The Good Taste" werden. Nach dem Valentinstag ist vor den Ostertagen! Die Planung der Themen-Boxen ist bereits in vollem Gange. „Wir hoffen, dass wir dieses Mal 15 verschiedene Menüs anbieten können."
Neben Geschenkboxen mit einem Querschnitt aus mehreren Lokalen gibt es ebenfalls Cocktailboxen bei „The Good Taste". Die Valentins- und die Date-Box vom Bonvivant sind solche Corona-Abkömmlinge. Wer hätte vor einem Jahr ernsthaft überlegt, sich Flechtkörbe mit fünf vorgemixten Drinks, gesprächsanregenden Frage- und Ereigniskärtchen sowie Bartender-Wissen nach Hause zu bestellen? Bei den liebevoll kleinteilig vorbereiteten Drinks zum Selbst-Finishen habe ich jedenfalls sofort mein Herz an den Valentine’s Spritz mit Chartreuse und an einen zart veilchenfarbenen Aviation verloren!
Gerichte und Drinks wechseln saisonal
Der Valentinstag mit seinen zahlreichen Orders war der erste Härtetest für „The Good Taste". Noch ruckelt es hier und da, nicht zuletzt, weil manchmal in kürzester Zeit viele Bestellungen erledigt werden müssen. Ich hatte im Webshop nicht ganz genau hingeschaut und nur die Bouillabaisse von Küchenchef Michael Schulz aus dem „Irma la Douce" im Kopf. Doch lediglich der intensive Sud für die Fischsuppe wird im Glas geliefert. Auf dem Etikett steht’s, im Webshop nicht. Meeresfrüchte und Fischfilet hätte ich als Einlage schon zu Hause haben müssen. Also wurde das sehr lohnende Bouillabaisse-Löffeln mit allem Drum und Dran um ein paar Tage verschoben, und ich bat um Hinzufügen des Wortes „Sud" online.
„Wir lernen aus jedem Fehler", sagt Jonathan Kartenberg. „Wir machen das alles gerade zum ersten Mal." Dafür läuft es nach zwei Monaten ziemlich gut. Die Perspektive ist ohnehin langfristig. Das bringt Abwechslung auf die Teller und in die Gläser und wird insbesondere den Wiederbestellern gefallen. Die Gerichte und Drinks wechseln je nach Saison und Angebot, Lust und Laune der Küchen- und Barchefs. Und Kartenbergs Lieblinge? Klassisch-herzhafte Dinge wie die von „Weck die Heimat" oder die Tomaten-Sugo vom „Pappa e Ciccia" möge er sehr gern. „Ich freue mich aber wirklich über jeden neuen Produzenten und jedes neue Produkt." Das sind von Grünkohl-Gremolata bis Hühnerfrikassee, vom „Hoffnung"-Drink bis zu Rainbow-Macarons bereits um die 150.
Viele der teilnehmenden Restaurants wie „Christopher’s", „No Name", „Sissi", „eins44", „Irma la Douce" oder die „Tier-Bar" sind jenseits von Berlin bekannt und beliebt. Die auswärtigen Gäste fehlen den Lokalen – und umgekehrt. Deshalb wird bundesweit per DHL verschickt. „40 Prozent unserer Bestellungen kommen von außerhalb. Aus Köln, Hamburg oder München etwa. Kartenberg geht mit den „The Good Taste"-Produkten gedanklich auf die Reise: „Wie cool ist das, Essen aus sechs Berliner Restaurants nach Hildesheim zu schicken? Für mich sind das die schönsten Momente, wenn ich mir vorstelle, wie das dort alles auf den Tellern liegt."