Daniel Dakuna war rund 53.000 Kilometer unterwegs und entdeckte 41 Länder – per Anhalter. Aus den abenteuerlichen Erlebnissen und bewegenden Geschichten hat er ein Buch gemacht.
Es gibt Geschichten, die gibt es gar nicht. Daniel Dakuna hat mehr als eine davon erlebt, genau genommen sogar so viele, dass er ein ganzes Buch damit gefüllt hat. Mal ergreifend, mal lustig, erzählt er von Tulpenhändlern aus Österreich, Lachsfischern aus Lettland oder Namensvettern aus Botswana, die er auf seiner Reise kennengelernt hat und die ihn tief beeindruckt haben.
Die Reise, um die es geht, startet vor vier Jahren mit ungewissem Ausgang. Im Jahr 2017 steigt Dakuna aus seinem Beruf als Betriebswirt aus und nimmt sich eine Auszeit. Er will als Anhalter die Welt vom Beifahrersitz aus entdecken. Auf einem Autobahnzubringer in der Nähe seines Heimatdorfs beginnt die Tour, die ihn letztlich zwei Jahre lang durch 41 Länder über 53.000 Kilometer führen soll. Kurz zum Vergleich: Der Äquator, der sich an der breitesten Stelle einmal rund um den Globus spannt, ist nur 40.075 Kilometer lang. So startet Daniel Dakuna seine Zeit als Beifahrer, die am Ende seinen Blick auf die Welt verändert. Er hat Geschichten zu hören bekommen, die von seiner eigenen Realität so weit entfernt sind, wie man es sich nur vorstellen kann. Da steht also einer am Straßenrand und hebt den Daumen. Zuerst im Saarland, später auf dem Balkan und in Russland, dann in Indien und in Afrika. Ein bisschen sieht er mit seinen wallenden Haaren und seinem Bart aus wie Jesus, nur dass Jesus vielleicht weniger Tattoos hatte. Seine vielen Tattoos seien beim Trampen nicht immer förderlich gewesen, erzählt Dakuna, aber manchmal hat er auch genau deswegen Glück. Einmal nimmt ihn ein Trucker mit, der ihn mit den Worten begrüßt: „Ich hasse Tramper, aber ich liebe Tattoos". Mal wartet er zwei Minuten, mal 20 Stunden auf eine Mitfahrgelegenheit. Gefunden hat er jedoch immer einen Platz auf dem Beifahrersitz, und auch viele Nachtquartiere bei Menschen, die ihn voller Gastfreundschaft aufgenommen haben. Trotz Sprachbarriere lernt er viel über die Schicksale seiner neuen Bekannten. Was ihn besonders beeindruckt ist, wie viele von ihnen mit Katastrophen und traumatischen Erfahrungen umgehen, die für ihn völlig unvorstellbar sind. In seinem Buch und seinen Vorträgen beschreibt Dakuna etwa die Begegnung mit einem Bosnier, der als Kind miterleben muss, wie sein Bruder erschossen wird. Ein anderer Bosnier wird mit 14 Jahren zum Kindersoldaten und muss als Jugendlicher sieben Menschen töten. Anstatt als gebrochener Mann zu enden, findet dieser Mann als Erwachsener eine Ausdrucksmöglichkeit in der Musik. Er gründet eine Band und avanciert auf dem Balkan zum Star. In seiner Heimatstadt betreibt er heute eine Musikschule, die kostenlosen Unterricht anbietet. Das ist nur eine der Geschichten, die Dakuna auch heute noch ergreifen. Immer wieder fragt er sich, wie diese Menschen mit ihren Schicksalen fertigwerden und dabei noch etwas Positives in ihrem Leben sehen. Er kommt zu der Erkenntnis: „Sie konnten es, weil sie es können mussten." Ihre Resilienz beeindruckt ihn und lässt ihn auch sein eigenes Leben und seine Definition von Glück überdenken.
Menschen, die ihn beeindrucken
Das Buch, das er über die Reisen geschrieben hat, beginnt mit den Worten: „Stell dir vor, eine winzige Entscheidung könnte ein ganzes Leben verändern." Zu wem steigt er ins Auto, wohin führt ihn seine Reise? Dakuna weiß nie, wo er landet und was daraus wird. Als Couchsurfer kommt er zum Beispiel nach Sambia und hilft dort an einer Schule aus, die von einem Mann namens Ivor betrieben wird. „Das Wort Schule ist hierbei jedoch eine starke Übertreibung", schreibt Dakuna später auf seiner Homepage. Ivor unterrichtet nicht etwa in einem speziellen Gebäude, sondern zusammen mit seiner Frau zu Hause im eigenen Wohnzimmer. Zu ihm kommen Kinder, die sich keine Schulbildung leisten können. Es begeistert Dakuna immer wieder, wie Menschen ohne Eigennutz etwas für andere tun. Nach seiner Rückkehr nach Hause will er deshalb auch etwas dazu beitragen und sammelt bei seinen Vorträgen Spenden für den Bau einer Schule in Sambia, deren Grundmauern mittlerweile stehen. So kann eine kleine Entscheidung also vieles verändern. Auch der Kontakt zu vielen anderen, die er auf seinem Weg getroffen hat, ist geblieben. Er erzählt von zwei Hochzeiten, zu denen er im Nachhinein schon eingeladen worden ist, und von einem Mann aus Sambia, der auch heute noch das Foto, das er gemeinsam mit dem tätowierten Deutschen machen wollte, als Profilbild bei Facebook hat. „Ich muss immer lachen, wenn ich das Bild bei Facebook sehe", sagt Dakuna.
Nicht immer kann er sich unterwegs mit seinen Fahrern oder Gastgebern unterhalten. Mangelnde Sprachkenntnisse auf beiden Seiten machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Aber er lernt, sich mit Händen und Füßen, dem Google Translator und auch anderen Tricks zu verständigen. Als er zum Beispiel bei dem für ihn magischen 40.075. Kilometer auf der Fahrt jubelt, weil er die Welt nun kilometermäßig sozusagen einmal umrundet hat, will der russische Lkw-Fahrer den Grund seiner Freude wissen, versteht aber die Erklärung nicht. „Ich habe deshalb eine Freundin per Handy gebeten, mir eine Sprachnachricht auf Russisch mit der Erklärung zu schicken", sagt Dakuna. Der Fahrer versteht die Nachricht zwar anschließend inhaltlich, sagt aber trotzdem nur: „Du bist verrückt." Dass viele seiner Bekanntschaften nicht immer nachvollziehen können, was er da überhaupt tut, warum er, der aus einem reichen Land mit vielen Annehmlichkeiten kommt, auf diese Weise unterwegs ist, liegt also nicht unbedingt an der Sprache, sondern wohl auch daran, dass sich viele der Menschen, die er trifft, mit ganz anderen Dingen herumschlagen müssen.
„Ich habe nie Angst um mein Leben gehabt"
„Ich habe nie Angst um mein Leben gehabt", sagt Dakuna auf die Frage, ob das Trampen nicht gefährlich sei. Natürlich gab es auch Situationen, die nicht ganz ungefährlich waren. Wie etwa in der Türkei, als sich das Fahrzeug, in dem er gerade sitzt, bei voller Fahrt auf der Autobahn dreht, weil der Fahrer mal eben einen Tee kochen will. Bei diesen Episoden will Dakuna aber nicht lange verweilen, wichtiger ist ihm, immer wieder die Gastfreundschaft der Menschen hervorzuheben. Das Trampen selbst ist trotzdem nicht immer ein Zuckerschlecken. „Ich bin kein Wintertyp", sagt Dakuna. Besonders die Reise durch das kalte Sibirien hat ihn an seine körperlichen Grenzen gebracht. Auch sein für Rucksackreisende eher üppiges Gepäck sorgt schon mal für Spott bei den anderen Backpackern. „Ich habe mir zum Beispiel unterwegs ein Longboard gekauft", sagt er und lacht. „Was man halt so braucht. Die anderen haben den Kopf geschüttelt, dafür hatte ich dann abends aber auch mal eine Musikbox dabei."
Auch auf der Suche nach Liebe
Dakuna ist ein unkomplizierter Typ, der viel zu erzählen hat. Bei seinen Vorträgen will er mit seinen Reiseberichten keine Universalformeln zum Glücklichsein oder Anleitungen für den perfekten Roadtrip mit auf den Weg geben. Er will einfach nur erzählen, was ihm selbst unterwegs passiert ist und was diese Erfahrungen mit ihm gemacht haben. Von typischen Coachingversprechen wie „Heute erkläre ich dir, was Freiheit bedeutet" hält er nichts. „Niemand kann dir erklären, was Freiheit bedeutet. Er kann dir höchstens erklären, was Freiheit für ihn bedeutet", sagt Dakuna. Ein wenig nimmt er daher auch gern die klischeehafte Sinnfrage, warum er denn überhaupt auf diese Reise gegangen ist, auf die Schippe, wenn er pathetisch ansetzt und in extra salbungsvollem Tonfall sagt: „Ich schätze, ein Teil von mir war auf der Suche nach dem Abenteuer, dem gewissen Kick. Ein Teil von mir war auch sicherlich auf der Suche nach diesem unbekannten Etwas, das ich in Deutschland einfach nicht finden konnte. Sicherlich war auch ein Teil von mir auf der Suche nach der Liebe." Und dann liefert er die Pointe: „Aber eins kann ich euch mit Sicherheit sagen: Ich war zwei Jahre lang auf der Suche nach Orten, an denen Autos sicher anhalten können. Ich war zwei Jahre lang auf der Suche nach Orten zum Trampen." Manchmal liegt das Glück auch auf einem warmen Beifahrersitz in Sibirien und der Geschichte, die dahinter wartet.