Sie proben für Auftritte, von denen man noch nicht weiß, wann sie stattfinden können. Sie üben per Zoom-Meeting, denn gemeinsames Singen in einem Raum ist zurzeit nicht erlaubt. Unter den geltenden Corona-Hygiene- und Abstandsregeln müssen Chöre ziemlich erfinderisch sein.
Andrea Trautmann, Chorsängerin
Ich singe seit 17 Jahren mit großer Begeisterung im Chor der Advent-Zachäus-Kirchengemeinde. Unser Chor ist nicht nur ein künstlerisches Projekt, er hat auch eine soziale Komponente. Zusammen sind wir ein großartiges Team. Vor Corona haben wir für unsere zweimal im Jahr stattfindenden Konzerte regelmäßig geprobt. Nach dem Lockdown im März hatten wir höchstens noch vier „analoge" Proben. Und die mit vielen Auflagen. Statt im Gemeinderaum waren wir in der Kirche, um genügend Abstand zu haben. Letzterer half mir persönlich sogar, meine Stimme besser zu hören. Das war eine gute Schulung. Aber auch der einzige positive Nebeneffekt.
Das Hin und Her nervte. Ständig wurden Proben abgesagt. Es kam zu Spannungen unter den Sängern. Sie wurden dünnhäutiger. Mir fehlt das Arbeiten an einem großen Projekt. Bei den Proben und Konzerten gab es immer wieder zauberhafte Momente. Für mich persönlich hat das Singen auch einen gesundheitlichen Aspekt. Ich bin Schmerzpatientin seit langen Jahren. Eine entspannte Probe wirkt sich nicht nur positiv auf meine Stimme und Stimmung aus, sondern auch auf den ganzen Körper.
Allein zu Hause singen ist nicht das Gleiche. Da ist bisweilen der innere Schweinehund stärker. Ich fürchte, dass die Einschränkungen noch eine Weile dauern werden und hoffe, dass unser Chor die Zwangspause übersteht. Unser nächstes Konzert wird bestimmt ein großes Fest.
Walter Usslar, Tenor im Kirchenchor
Ich wurde quasi in meine Gemeinde hineingeboren und singe seit 1978 in meinem Kirchenchor. Der ist fester Bestandteil meines Lebens. Unser Repertoire reicht von Schütz und Bach über Saint-Saëns bis hin zu unbekannteren Komponisten. 2020 war ein besonderes Jahr. Alle unsere Konzerte sind ausgefallen, selbst zu Ostern, Pfingsten oder in der Adventszeit.
Für einige Chormitglieder steht weniger der Gesang im Vordergrund als das gesellige Beisammensein. Für einige sind es sogar die einzigen Sozialkontakte. Für die ist die coronabedingte Zwangspause besonders hart. Selbst im Sonntagsgottesdienst winken wir uns höchstens noch aus der Ferne zu. Ich selbst vermisse zwar den Chor, aber die Welt geht für mich nicht unter.
Was die Zukunft betrifft, bin ich positiver Realist. Die Krise wird wohl noch eine Weile dauern. Aber hoffentlich bewegen wir uns ab dem Frühsommer langsam wieder in Richtung Normalität. Bis dahin müssen wir „stark bleiben", wie unsere Kanzlerin immer sagt.
Oliver Vogt, Kantor der Gethsemanekirche
Meine Arbeit hat sich seit der Corona-Krise sehr verändert. In unserer Gemeinde wird normalerweise viel gesungen. Zusammen mit meiner Kollegin Christiane Rosiny, die unsere Singschule leitet, und zwei Honorarkräften betreuen wir insgesamt zehn Chöre, in denen zu normalen Zeiten pro Woche 500 Menschen zusammenkommen. Die Erwachsenenchöre pausieren derzeit.
Nur im Sommer und Herbst konnte für kurze Zeit unter hohen Sicherheitsauflagen wieder gemeinsam gesungen werden. Die Kinder und Jugendchöre proben online. Das kann das Live-Musikerlebnis natürlich nicht ersetzen. Doch da Singen ein erhöhtes Übertragungsrisiko birgt, haben die Kirchenchorverbände im engen Austausch mit dem Senat, der Kirchenleitung und Wissenschaftlern ein Sicherheits- und Hygienekonzept erarbeitet. Zunächst gewöhnungsbedürftig für mich als Kantor waren die Online-Gottesdienste. Diese sind sehr arbeitsintensiv. Denn sie müssen professionell gefilmt und produziert werden.
Konzerte und Gottesdienste mit Musik mussten im vergangenen Jahr immer wieder abgesagt werden. Für jedes Vorhaben gab es auch einen Plan B oder sogar einen Plan C. Momentan entwickeln wir Formate für die Zeit nach der Krise. Große Konzerte planen wir immer drei bis vier Jahre im Voraus. Im Sommer und Herbst 2021 wird es hoffentlich schon einmal mit kleineren Konzerten losgehen. Wichtig ist auch die Kontaktpflege mit unseren Chormitgliedern. Durch die Corona-Krise und das Aussetzen der Chorarbeit ist mir noch einmal sehr viel bewusster geworden, wie wichtig den Menschen das gemeinsame Singen und Musizieren ist.
Florian Krämer, Chorleiter und Musiklehrer
Ich leite zwei Chöre: Den Liederkreis Spandau, der derzeit pausiert und Chorovitsch. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr haben wir hauptsächlich im Mauerpark geprobt. Im Herbst haben wir einen größeren Probenraum in einer Kreuzberger Kirche angemietet. Dort war es möglich, die Abstandsregeln einzuhalten und gut zu lüften. Zusätzlich haben wir die Räumlichkeiten desinfiziert. Eingesungen haben wir uns auf dem Hof. Im Spätherbst war auch damit Schluss.
Seit Dezember machen wir unsere Proben nur noch online. Erst singen wir uns ein. Dann gehen wir neue Stücke durch und machen Einzelstimmproben. Ich schicke den Chormitgliedern auch Aufnahmen, die sie sich zu Hause anhören können. Die Technik ist bisweilen problematisch. Mittlerweile kriegen es aber auch unsere Senioren ziemlich gut hin. Sogar meine 80-jährige Mutter hat es beim letzten Mal geschafft, sich einzuloggen. Unsere Konzerte fielen 2020 alle aus, wenn man von einem Flashmob-artigen Auftritt mit Abstand auf der Straße absieht. Da bin ich schon sehr froh, dass ich inzwischen eine Festanstellung als Lehrer habe. Ohne diese Sicherheit wäre es ohne staatliche Hilfe nicht gegangen.
Die Zukunft ist für mich derzeit wie ein weißer Fleck auf der Landkarte. Was man jetzt von den Mutationen des Coronavirus hört, ist bedenklich. Das Unterrichten finde ich gefährlich. Es ist naiv zu glauben, in der Schule könne man sich nicht anstecken. Gerade für Grundschüler ist es schwer, Abstand zu halten, und mit dem Maskentragen funktioniert es auch nicht immer so gut.
Vorher habe ich mit den Kindern gemeinsam Musik gemacht und Songs geübt, sie zum Keyboard- und Gitarrenspielen motiviert. Dann musste immer mehr Abstand eingehalten werden. Jetzt läuft auch der Musikunterricht nur noch online.