Union Berlin blieb auch im elften Heimspiel ungeschlagen. Die wichtigste Nachricht aber war: Max Kruse ist nach langer Verletzungspause zurück – und er hat gleich wieder getroffen.
max Kruse gilt als Lebemann, dessen Gedanken im Hier und Jetzt kreisen. Und so ganz falsch ist dieses Image nicht, gab der exzentrische Stürmer von Union Berlin kürzlich zu. Um jetzt schon zu wissen, was er nach der Karriere machen wolle, „dafür bräuchte ich wohl einen Fünf-Jahres-Plan, den ich eigentlich nie habe", sagte Kruse im Interview mit dem Vereins-TV. „Aber einen Fünf-Tages-Plan habe ich immer." Klar sei, dass er in der Paletten-Firma seines Vaters nicht schuften werde, „das wäre eher nichts für mich". Deutlich wahrscheinlicher sei ein Job im Fußball-Geschäft, verriet Kruse ernsthaft, ehe ihm doch wieder der Schalk im Nacken saß: „Bundestrainer kann ich doch werden, oder?"
Mit dem aktuellen Bundestrainer Joachim Löw verbindet Kruse eine, nun ja, schwierige Vergangenheit. Die Nicht-Nominierung für die WM 2014 in Brasilien, bei der sich das deutsche Team zum Weltmeister krönte, und die Ausbootung zwei Jahre später („Max hat sich zum wiederholten Male unprofessionell verhalten") waren die größten sportlichen Enttäuschungen in Kruses Karriere. Und weil Löw kein großer Fan von Kruses Lebensstil zu sein scheint, ist ein Comeback im Nationalteam auch nahezu ausgeschlossen. „Er springt bis jetzt ja auch bei Thomas Müller nicht über seinen Schatten", sagte Kruse. „Aber natürlich wäre ich nicht abgeneigt. Wenn ich für Deutschland spielen kann, dann würde ich das tun."
Im Moment ist Kruse aber erst mal froh, dass er für seinen Club wieder auflaufen kann. Zweieinhalb Monate nach seiner schweren Muskelverletzung aus dem verlorenen Stadtderby bei Hertha BSC feierte der Angreifer beim 1:1 im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim sein Comeback – und das standesgemäß mit einem Tor. Der 32-Jährige verwandelte einen Foulelfmeter sicher zur frühen 1:0-Führung (9. Minute), es war sein siebter Treffer im elften Spiel. „Es hat sich gut angefühlt, wieder auf dem Platz zu sein. Ich bin froh, dass ich der Mannschaft wieder helfen kann", sagte Kruse hinterher.
„Natürlich wäre ich nicht abgeneigt"
Auch Trainer Urs Fischer war über den 73-Minuten-Auftritt seines Schlüsselspielers froh. „Sehr gut" habe ihm Kruse gefallen, sagte der Schweizer. „Man hat in der einen oder anderen Aktion gesehen, welche Qualitäten er hat und wie wichtig er für uns sein kann." Auch Abwehrspieler Marvin Friedrich schwärmte über den so schmerzlich vermissten Rückkehrer: „Er schafft viele Räume, bewegt sich da, wo er für die gegnerische Mannschaft schwer zu packen ist." Und er nutzte die einzige echte Chance der Unioner im Spiel gegen Hoffenheim. „Ich hoffe, dass es so weitergeht", sagte Friedrich.
Am besten schon im Auswärtsspiel am kommenden Sonntag (7. März, 18 Uhr) bei Arminia Bielefeld. Doch Kruse warnte davor, die Partie beim Tabellen-16. als Selbstläufer zu betrachten. „Das wird ein schweres Spiel", meinte der Angreifer. „Wir müssen uns fokussieren und alles auf den Platz hauen, was uns ausmacht. Dann können wir da auch drei Punkte mitnehmen." Auch Friedrich betonte, dass Union in der Bundesliga kein Spiel mit angezogener Handbremse bestreiten könne: „Wenn wir nicht an 100 Prozent rankommen, haben wir es gegen jeden Gegner schwer."
Der beste Beweis war das Spiel gegen Hoffenheim. In der Anfangsviertelstunde lief eigentlich alles nach Plan für Union – danach lief aber erst mal gar nichts. „Da waren wir zu hektisch, hatten kaum Tiefe im Spiel", kritisierte Fischer. Kapitän Christopher Trimmel meinte: „Das war wirklich mutlos, wir haben nicht mehr nach vorne verteidigt, sondern uns zu sehr fallen gelassen." Nach dem Seitenwechsel wurde das Union-Spiel zwar besser, dennoch hätte Hoffenheim als Sieger den Platz verlassen müssen. „Das war ein glücklicher Punkt", gab Fischer zu, „aber auch den nehmen wir gern mit."
Ingvartsens großer Traum ist die Europameisterschaft
Genauso wie die erfreulichen Erkenntnisse: Kruse ist zurück, er hat immer noch den Killerinstinkt, und seine Muskulatur hält. „Es gab keine Reaktion, Max fühlt sich gut", berichtete Fischer. Der Trainer verriet, dass er Kruse eigentlich schon nach einer Stunde vom Platz nehmen wollte, aber wegen zweier verletzungsbedingter Wechsel musste der Rückkehrer etwas länger als geplant durchhalten. „Es ist wichtig, dass er zu Minuten gekommen ist, denn der Spielrhythmus fehlt ihm", sagte Fischer. Und Kruse versprach: „Man wird mich in den nächsten Wochen noch länger auf dem Platz sehen."
In Kruses Abwesenheit war Marcus Invartsen ein wenig in die Rolle des unberechenbaren Rollenspielers geschlüpft, der zwischen den Abwehrlinien des Gegners agiert. Der Däne wusste zu überzeugen, beim 0:1-Auswärtssieg in Freiburg gelang ihm seine siebte Torvorlage. Damit ist er bei den Eisernen der Assist-König – noch vor Kruse (5). „Ich hoffe, dass ich das fortsetzen kann", sagte der 25-Jährige. Gegen Hoffenheim gelang ihm das zwar nicht, aber immerhin stand er wieder in der Startelf, obwohl Kruse nach seiner Verletzungspause zurückgekehrt war. „Die Personalie Marcus Ingvartsen hat nichts mit der Personalie Max Kruse zu tun", begründete Fischer. „Marcus ist ein guter Assist-Geber, der aber auch immer mehr Torgefahr ausstrahlt." Seine Entwicklung gehe „in die richtige Richtung". Ingvartsen zeigt in dieser Saison nicht nur deutlich mehr Zug zum Tor, sondern auch völlig neue Facetten in seiner Spielweise. Er spiele „seit einiger Zeit ein bisschen tiefer und etwas mehr im Mittelfeld", dennoch komme er immer wieder gefährlich in den gegnerischen Strafraum: „Ich will der Mannschaft auch mit Toren helfen." Auch aus Eigennutz: Der dänische U21-Nationalspieler (29 Länderspiele) hofft auf eine baldige Nominierung für das A-Team seines Heimatlandes, Ingvartsens großer Traum ist die Europameisterschaft im kommenden Sommer.
Der EM-Zug ist für Loris Karius zwar abgefahren, doch zumindest bei Union ist der Torhüter wieder deutlich glücklicher als noch vor ein paar Wochen. Gegen Hoffenheim durfte die Leihgabe des FC Liverpool erneut den angeschlagenen Stammkeeper Andreas Luthe ersetzen. Karius hielt stark – bis auf die Szene beim 1:1-Ausgleich. Bei der scharfen Hereingabe von Andrej Kramaric kam Karius nicht entschlossen genug aus seinem Kasten, der Ball prallte schließlich an die Schulter von Nico Schlotterbeck und von da ins eigene Tor (29. Spielminute). Von einem Torwartfehler wollte der Union-Trainer nach dem Spiel aber nicht sprechen. „Ich muss mir erst die Bilder anschauen, bevor ich zu der Aktion etwas sage", so Fischer. Der Schweizer muss generell eine Ansage in der Torwart-Frage machen, sollte Luthe nach Kniebeschwerden gegen Bielefeld in den Kader zurückkehren. Wer ist die Nummer eins im Tor? Für den Angriff ist die Frage leicht zu beantworten: der Mann mit dem Fünf-Tages-Plan.