Viele E-Mountainbikes sind Schwergewichte mit Turbo-Option. Nun setzen die Hersteller sie auf Diät. Heraus kommen gedrosselte Maschinen, die alten Sportsgeist beschwören, aber teuer sind.
Über Jahre gab es bei den E-Mountainbikes nur eine Richtung: höher, schneller, weiter. Um die elektrifizierten Bergräder auch im Hochgebirge Steigungen in zuvor nicht dagewesenen Geschwindigkeiten oder überhaupt erst erklimmen zu lassen, wurden ihnen immer stärkere Motoren eingebaut. Um in einem einsamen Hochtal nicht plötzlich ohne Strom dazustehen, verabreichten die Hersteller den Bikes immer potentere Akkus, 750 Wattstunden Energiegehalt sind keine Seltenheit mehr.
Der Begleiteffekt: E-Mountainbikes sind schwere Fahrzeuge, die oft über 25 Kilo wiegen – in dieser Gewichtsklasse fahren sie nicht nur als nochmals aufgerüstete SUV-Bikes mit straßen- und alltagstauglicher Vollausstattung. Selbst als reines Sportgerät wiegen E-Mountainbikes einiges. 22 Kilo seien derzeit für ein vollgefedertes „Fully" ein guter Wert, sagt E-Mountainbike-Experte Stefan Schlie, einst Deutscher Meister im Fahrradtrial, heute Mountainbike-Guide und Co-Autor des Buches „Uphill Flow" über E-Mountainbike-Fahrtechnik.
Man muss wieder mehr selbst in die Pedale treten
Doch jetzt werden die Bergräder wieder leichter – die E-Mountainbikes light kommen. Zum Abspecken bedienen sich die Hersteller mehrerer Tricks. Akkupacks von manchmal nur noch 250 Wattstunden müssen genügen, Motoren werden kleiner und leichter. Das leichte Carbon ist das Material der Wahl – beim Rahmen, aber auch anderen Bauteilen von Lenkern über Sattelstützen bis zu Kurbeln, Laufrädern und Akkugehäusen. „Noch in jeder Fahrradgattung gab es bislang den Trend, das Gewicht zu drücken. Nun durchlaufen die E-Mountainbikes diese Entwicklung." Laut Schlie könnte die Nische der Ultrakompakt-Bikes, wie er sie nennt, groß werden. Das Segment der um vier bis fünf Kilo erleichterten Bikes ist gerade im Entstehen. Ole Wittrock vom deutschen Fahrradhersteller Rotwild mit einem frischen Light-E-MTB im Programm, sagt: Nachdem das E-Mountainbike Fahrradfans früher in fast religiöse Lager der Gegner und Befürworter entzweit habe, entstünden nun „neue, tolerantere Nutzergruppen". Die logische Konsequenz für die Industrie: Natürlich müssen auch neue Bikes her.
Ob beim E-Mountainbike light der Kundenwunsch zuerst da war oder das Produkt? Müßig zu diskutieren. Viel mehr lohnen Überlegungen zu Sinn und Zweck der neuen Gattung, der wie einst den Gravelbikes jetzt schon der Verdacht eines Marketing-Coups anhaftet. Experte Schlie, selbst zwar ein Fan von viel Drehmoment und flotten Uphill-Fahrten, gesteht den Neuen aber durchaus Relevanz zu – vor allem dort, wo „sich die Frage stellt, ob man so viel Power braucht". Die Ultrakompakt-Bikes seien ideal für Cross-Country-Einsätze, leichteres Gelände und Mittelgebirgsgegenden, wo es an Aufstiegshilfen wie Liften oder Shuttles fehle, die die Biker zum Trail-Einstieg bringen. Vor allem bergab böten die gewichtsoptimierten Bikes wieder mehr Agilität und Wendigkeit. Als Nutzergruppe sieht er sportlich ambitionierte Biker, die dieses Potenzial fahrerisch ausschöpfen können, bei der Bergauffahrt Forst- und Schotterwege dem anspruchsvolleren Gelände aber vorzögen.
Doch die wenigen Hersteller, die bislang auf den Zug aufgesprungen sind, sehen in den leichten Bergrädern nichts weniger als die Rückkehr zum natürlichen Fahrgefühl, wie man es von Mountainbikes ohne Motor kennt. Weniger „E" bedeute mehr „Bike", heißt es beim spanischen Traditionshersteller Orbea, der mit dem Modell Rise mit einem Mindestgewicht von rund 16,5 Kilo eines der leichtesten E-Fullys baut. Sprecher Philipp Martin sieht „eine tolle Möglichkeit, das E-MTB für Menschen interessant zu machen, die sich mit den großen und schweren E-Bikes nicht identifizieren können". Bei Rotwild heißt es: Man bringe „das klassische Mountainbike-Fahrerlebnis zurück in die Welt der E-MTBs".
Speerspitze der Technologie hat auch ihren Preis
Patrick Laprell aus der Marketingabteilung der Marke Focus sagt, ein hochgerüstetes E-Mountainbike könne man so fahren, „dass man annähernd nicht schwitzt". Die neuen Leichten lassen einem diese Option kaum noch, denn um ihr Gewicht zu reduzieren, verzichten die Fahrradhersteller nicht nur auf Akkukraft, sondern sie schrumpfen auch die Motoren oder drosseln sie bei Leistung und Drehmoment. „Man muss mehr reintreten", sagt Laprell. „Das geht deutlich mehr Richtung Sport."
Dass manchmal 35 anstatt 85 Newtonmeter genügen müssen, hat aber noch einen anderen Grund. Denn ist der Motor weniger kräftig und verdoppelt zum Beispiel die Pedalkraft nur noch statt sie zu vervierfachen, wird Strom gespart – was die Reichweite steigert. Dies gleicht die kleineren Akkus je nach Fahrweise fast wieder aus. Einen Nachteil der neuen Biker-Mode können aber selbst die Hersteller nicht verhehlen: „Leider besonders teuer", seien die leichten E-Mountainbikes, sagt Ole Wittrock von Rotwild, „aber eben auch die Speerspitze der Technologie". Die muss einem pro Bike teils weit über 10.000 Euro wert sein.