Ob „La Mamma" oder Profi: Am heimischen Herd wird gekocht und über die neue Onlineplattform „Chef’s Kitchen" nach Hause geliefert.
Die Liebe zum guten hausgemachten Essen treibt in diesen Zeiten so manchen Foodie sehnsuchtsvoll um. Schließlich ist die Einkehr in den einen Imbiss oder das andere Restaurant nicht mehr möglich. Und das in Berlin, der Hauptstadt der kleinen Lokale, Küchen aus aller Welt und ausgefeilte Spezial-Konzepte! Was in Vor-Corona-Zeiten Essengehen ermöglichte, muss heutzutage der Lieferdienst bieten: guten Geschmack, reibungsloses Funktionieren und das gute Gefühl, ein köstliches Essen zu genießen.
Lieferdienste sprießen derzeit in unterschiedlicher Ausprägung aus dem Boden: vegan, rein indisch, mit Fine Dining auf Porzellan, für Cocktails oder eingeweckte Schmankerl von diversen Restaurants und Produzenten. Und jetzt auch mit „homemade cooking" von Profi- und Privatköchen beim neuen „Chef’s Kitchen". Ob italienisch, indisch oder libanesisch: Online können Lieblingsgerichte von beispielsweise Menal Dwivedi, Zed Marke, Alda Balestra Stauffenberg, Bahaedeen Atuban oder Riccardo Foglietti bestellt werden. Anfang Januar ging die „Chef’s Kitchen" an den Start, die Suhasish Chakraborty, Damian von Stauffenberg, Gloria Foglietti und Gaurav Kumar gemeinsam betreiben. Aus einer Idee unter Freunden, die Gloria Foglietti bereits im ersten Lockdown 2020 mit italienischem Essen getestet hatte, wurde eine übergreifende Plattform. „Wir wollen zeigen, was in der Küche abgeht", sagt Damian von Stauffenberg. „Wir geben den Leuten, die das Essen zaubern, ein Gesicht."
Plattform nicht nur für freie Köche
Im Fall von Alda Balestra Stauffenberg ist das einfach: Die aus Triest stammende Berlinerin ist nicht nur „La Mamma" von Damian von Stauffenberg, sondern auch eine der privaten Köchinnen, die etwas von der vielgeliebten italienischen Küche verstehen. Was an Alda Balestras Esszimmertisch normalerweise in geselliger Runde verzehrt wird, findet nun seinen Weg vom Küchenherd direkt in Tiffin Boxes. Pasta mit hausgemachter Bolognese, Pesto oder Cime di Rapa – eine dem Rübstiel ähnliche Spielart des Stängelkohls – mit Tomaten. Die Tiffins aus dickerem Edelstahl sind die indischen Geschwister des guten, alten Henkelmanns. Sie kommen als nachhaltige Behältnisse bei „Chef’s Kitchen" zum Einsatz. Ebenso wie Pappschalen, auf die nicht immer verzichtet werden kann. Denn bei manchen Gerichten muss Dampf entweichen können, damit das Essen während des – möglichst kurzen – Transports nicht pappig wird.
Welche Gerichte sie anbieten, an welchen Tagen und zu welchem Preis sie diese auf „Chef’s Kitchen" einstellen, entscheiden die Köchinnen und Köche selbst. Das hängt zum Beispiel davon ab, welche Produkte gerade saisonal verfügbar sind. Oder was die Köche auf ihren Einkaufstouren direkt inspiriert. So kreierte Alda Balestra Stauffenberg zunächst ein Artischocken-Pesto, das sich zur Sauce erweitern ließ und sich mit Pasta zu einem beliebten Bestell-Gericht entwickelte. So werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: „Es gibt doch im Lockdown kaum noch einen anderen Grund rauszugehen, als um Essen zu kaufen", sagt Alda Balestra lachend. „Italienische Mammas lieben es einfach, zu kochen und andere Menschen glücklich zu machen."
Das klappt, auch wenn Alda Balestra die glücklichen Gesichter gerade nicht direkt sehen kann. Bei den Orecchiette mit Cime di Rapa von ihr sind die Aromen ausbalanciert. Das Gemüse steht im Vordergrund, und alles bleibt schön frisch und leicht. So etwas ist natürlich zu Hause prinzipiell selbst machbar. Eine ausgewachsene Bolognese nach allen Regeln der Kunst und Kochzeit dagegen schon weniger.
„Chef’s Kitchen" bietet auch Profis eine Plattform, über die sie andere Facetten als im eigenen Lokal zeigen können. Wie bei Zed Marke zum Beispiel. Der kanadische Berliner mit großer Passion für hervorragende Gewürze setzt in seinem Lokal „Moksa" in Kreuzberg auf indisches Streetfood und seinen Tandoor-Ofen. Beim Butter Chicken oder Auberginen-Curry mit Reis und Salat kommen gerade Schmorgerichte in die Schalen. Sie finden sich statt im Delivery so auch in einer der „normalen" Vor-Ort-Bowls wieder. Doch den prominenten Platz im Lokal nehmen häufig die originellen Kreationen wie die gefüllten Crossover-Brote und indischen Wraps à la „Parathadia" oder „Naanwich" ein. Die aus Indien importierte Samosa-Maschine läuft zudem beständig: Die mit Kartoffeln und Erbsen gefüllten und veganen Samosas dürfen bei Zed Marke auch auf „Chef’s Kitchen" nicht fehlen.
Menal Dwivedi wiederum ist ein Multitalent, für die das Kochen nur eine Facette ist. Sie ist Grafikdesignerin, Fotografin und Unternehmerin. Als Home Chef, Küchenchefin am heimischen Herd, schickt sie uns zweierlei Teigtaschen in Linsencurry, beide veggie. Dazu gibt’s einen würzigen, auf gemütliche Crêpe-Größe geviertelten Pfannkuchen, der anregend gewürzt ist, aber keineswegs übergriffig wird. Ich gabele mal Reis zum Linsen-Curry, mal beiße ich vom Pfannkuchen ab. Beides passt prima, selbst wenn ich bei den Gemüse-taschen ein bisschen aufpassen muss. Ziemlich scharf, wahrscheinlich aber nur für untrainierte Europäer!
Bis Ende März sollen 15 Home Chefs vertreten sein
„I will provide a window into the authentic Indian taste, that you will not get in any Indian restaurants", schreibt sie in ihrem Profil. Dwivedi stammt gebürtig aus Lucknow, der Hauptstadt des nördlichen Bundesstaates Uttar Pradesh. Nachvollziehbar, dass dort mit anderen Produkten gekocht und anders gegessen wird als in Kerala oder Maharashtra. Die Essensfotos auf ihrer Profilseite machen in jedem Fall neugierig auf mehr Currys, Brote und Gemüsegerichte von ihr.
Die Profile der einzelnen Köchinnen und Köche sind in diesem frühen Stadium der Plattform sicher noch ausbaufähig. Schön wären, gerade etwa bei unbekannteren Gerichten, Beschriftungen der teils zahlreichen Food-Fotos. Die Bilder machen Appetit, aber ich weiß so nicht recht, wonach ich Ausschau halten soll, wenn die Gerichte erneut eingestellt werden. Nach und nach soll sich das ändern und erweitern, versichert Damian von Stauffenberg. Die Home Chefs können ebenfalls Videos und Rezepte hochladen. Noch mutet das beinah utopisch an, aber auch „Get together"-Events mit den Köchinnen und Köchen oder Pop-ups sollen künftig stattfinden, bis Ende März 15 Home Chefs auf der Plattform vertreten sein.
Mitkochen kann im Prinzip jeder
„Ich habe kürzlich jemanden aus Madagaskar kennengelernt und würde mich freuen, wenn er für uns kocht", sagt von Stauffenberg. Berlin hat nun wirklich viele Länderküchen zu bieten, aber von manchen gibt es eben bislang weder Imbiss noch Pop-up oder gar Restaurant. Die Online-Plattform könnte so in Nach-Corona-Zeiten ein Startpunkt für Entdeckungsreisen zu den unbekannteren Länder- und Regionalküchen sein. Und das gemütlich vom Sofa aus. Das Essen wird dorthin übrigens von „Chef’s Kitchen" selbst und nicht von den großen Lieferdiensten ausgefahren. Allerdings nicht quer durch die Stadt, sondern wie üblich nur im näheren Umkreis.
Dass die indische Küche einen bedeutenden Platz auf der Seite einnimmt, liegt gewiss daran, dass zwei der vier Betreiber einen entsprechenden Hintergrund haben. Einer davon hat sich bereits als Restaurantbetreiber hervorgetan. Suhasish „Bunty" Chakraborty war Inhaber des „Bombay Café Bunty’s", das im vergangenen Sommer nach einem vielbeachteten Start mit zeitgenössisch-urbaner indischer Bistroküche allerdings wieder schloss. Bunty Chakraborty weiß, wie Gastronomie in Berlin funktioniert. Er hat ein Auge darauf, dass sämtliche Home Chefs nicht zu hobbymäßig unterwegs sind: Gewerbeanmeldung und die „Rote Karte" für den hygienischen Umgang mit Lebensmitteln sind Pflicht.
Mitkochen kann im Prinzip jede und jeder, der sich an die Spielregeln und Hygieneauflagen hält. Alle Gastronomen und Gäste hoffen zwar, dass Restaurants bei besserem Wetter und sinkenden Inzidenzen möglichst rasch zumindest die Außenbereiche wieder öffnen können. Dennoch ist sich Bunty Chakraborty sicher: „Nicht alles wird mehr in Lokalen angeboten werden. Und viele, die sonst überlegt hätten, ein Restaurant zu eröffnen, werden damit nach Corona sehr zurückhaltend sein." Da Berlin bekanntermaßen die Hauptstadt der Vielfalt ist, dürften die Chancen für besondere neue Angebote wie „Chef’s Kitchen" jedenfalls dauerhaft ausgesprochen gut sein.