Anne Beaumanoir kam 1923 in einem bretonischen Fischerdorf zur Welt. Schon in der Schule entwickelte sie ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl: Die Kinder aus armen Familien wurden für das gleiche Vergehen härter bestraft als die aus den reicheren. Mit 17 geht sie nach Paris, wird Kommunistin, schließt sich der Résistance an, läuft sich als Kurierin die Füße wund, schmuggelt zwei Juden aus dem besetzten Paris und rettet sie vor den Nazis. Nach dem Krieg ist sie überzeugt, das Gute hat gewonnen – und beobachtet ganz genau, wie die verschiedenen Gruppen in der Résistance untereinander abrechnen. In den 1950ern dann der Schock: Frankreich verrät im Unabhängigkeitskrieg in Algerien alle Ideale, wofür sie gekämpft hat. Annette, wie sie sich jetzt nennt, geht wieder in den Untergrund, dieses Mal gegen ihr eigenes Land. Wieder führt sie den gerechten Kampf, wieder gewinnt sie und wieder folgt die Ernüchterung: In der Unabhängigkeitsbewegung gewinnen die Islamisten mehr und mehr an Boden. Zwischendurch heiratet sie zweimal, setzt in der Schweiz ihr Medizinstudium fort, bekommt Kinder, die sie kaum sieht. Sie wird verhaftet, kann fliehen, wird als Terroristin zu zehn Jahren Haft verurteilt, setzt sich nach Tunis ab und muss auch dort wieder fliehen. Die sozialistische Utopie, die sie in Algerien mit aufbauen wollte, kippt in eine Militärdiktatur.
Heute ist Anne Beaumanoir 96 Jahre alt und lebt in einem südfranzösischen Dorf. Dort ist ihr die deutsche Schriftstellerin Anne Weber über den Weg gelaufen und hat ein Buch über dieses Leben geschrieben, das keine Biografie ist, sondern eine wirkliche Hommage. Grundlage für das Buch, schreibt Anne Weber im Nachwort, seien ihre Begegnungen mit Annette Beaumanoir sowie deren auch auf Deutsch gerade erschienenen Memoiren „Wir wollten das Leben ändern". Dass sie ein Heldinnen-Epos geschrieben hat, merkt man an der Anordnung der Textzeilen und an manchen Stellen am Satzbau und den Wiederholungen. Epen waren in der Antike und im Mittelalter den Männern vorbehalten – diese Frau hat ein Epos mehr als verdient.