Statt klarer Konzepte wieder einmal nur unausgegorener Aktionismus
Seit 23. Februar gehen die Grundschüler wieder in die Schule. Endlich, möchte man sagen, denn kein Unterricht daheim kann Präsenzunterricht ersetzen. Zudem wird es Zeit, dass die Kinder wieder aus ihrer sozialen Isolation kommen. Also alles in bester Ordnung? Ganz und gar nicht.
Wer ein Konzept für die Schulöffnungen sucht, tut dies vergebens. Die ersten Schulschließungen wegen der Pandemie jähren sich bald zum ersten Mal, doch zum Neubeginn 2021 besteht das Konzept noch immer aus den bekannten AHA-Regeln, dem Tragen von Masken – und natürlich im Lüften. Nicht zu vergessen in der Hoffnung auf Schnelltests, die – wer hätte es gedacht – auch erst eine Woche nach dem Schulneustart langsam eintrudeln.
Nehmen wir das Saarland als Beispiel. Ein Jahr lang ist hier nichts passiert. Anstatt die Zeit zu nutzen und in Schulen etwa Luftfiltersysteme, die die Virenlast entscheidend senken können, zu testen und nachzurüsten, setzt man noch immer aufs Querlüften. Zudem ist an vielen Schulen die digitale Anbindung noch genauso lausig wie vor einem Jahr.
Nach Angaben des Ifo-Instituts kostet der Lockdown Deutschland Woche für Woche 1,5 Milliarden Euro, das „Handelsblatt" spricht sogar von ein bis zwei Milliarden am Tag. Ein paar hundert Millionen oder gar einige Milliarden für entsprechende Filteranlagen oder für Förderprogramme zum digitalen Ausbau würden da wohl nicht wirklich ins Gewicht fallen. Ein Versagen der Politik im Ganzen und der Kultusminister im Besonderen.
Funfact am Rande: Unser Ältester hatte im Lockdown jeden Tag mehrere Stunden digitalen Unterricht, den auch die Lehrer von zu Hause aus hielten. Seit 8. März „darf" auch er zurück in die Schule. Mit der Folge, dass er jetzt zwar in einer Woche Präsenzunterricht hat, sich in der anderen Woche aber alles wird selbst erarbeiten müssen – ohne Lehrerkontakt. Eine Übertragung des Unterrichts aus der Schule scheitert schlicht an den digitalen Voraussetzungen vor Ort.
Anstatt zunächst für eine ausreichende Menge an Schnelltests zu sorgen und diese verpflichtend zu machen, logistische Konzepte zu erarbeiten, wie die Tests vor Ort vonstattengehen sollen, den Schulen feste Ärzte zuzuteilen und dafür zu sorgen, dass Lehrpersonal vorab geimpft wird, wurde erneut der zweite Schritt vor dem ersten gemacht. Hauptsache erst einmal wieder die Schulen auf, der Rest ergibt sich irgendwie von alleine. Und dies vor dem Hintergrund sich ausbreitender Mutationen und ungenügender Information hinsichtlich Übertragung dieser durch Kinder. Chapeau!
Faktisch werden die Schulen komplett alleine gelassen. Das Lehrpersonal muss auf baldige Impftermine hoffen. Die Schulen wissen nicht, ob sie dauerhaft Zugriff auf genügend Schnelltests haben werden, die schon zum Start längst nicht für alle reichen. Sie müssen sich selbst um deren Durchführung kümmern und entsprechende Ärzte organisieren. Das Ministerium stellt lediglich eine Ärzteliste zur Verfügung. Immerhin auch medizinische Masken, die ja verpflichtend sind. Eine Lieferung an die Schulen klappt nur nicht immer. In der Not behelfen sich Schulen mit Video-Tutorials, wie man Masken für Erwachsene knoten kann, damit diese auch Kindern passen. Pragmatismus, den man sich auch von höherer Stelle wünschen würde.
Zudem stellt sich die Frage, warum eigentlich die Schnelltests freiwillig und nicht verpflichtend sind. Bei der Masern-Impfpflicht, einem weitaus größeren Eingriff in die Freiheitsrechte, geht dies doch auch. Nach der ersten Woche zeigt sich, dass etwa 50 Prozent bei Freiwilligkeit lieber aufs Testen verzichten. Die gesamte Test-Aktion wird so ad absurdum geführt.
Wer ständig das Kindeswohl als Mantra vor sich her trägt, muss dafür sorgen, dass dieses auch gewährleistet wird. Es reicht nicht, sich wie die saarländische Kultusministerin Streichert-Clivot bei jeder Gelegenheit medienwirksam in Szene zu setzen und beim ersten Tag der Schulöffnung oder dem ersten Test an einer Grundschule selbstdarstellerisch in jede Kamera zu lächeln. Dem geneigten Beobachter treibt dies eine gewisse Röte ins Gesicht. Unklar ist, ob aus Ärger oder eher aus Fremdscham.
Gäbe es eine schulische Bewertung für die Ministerin, würde diese wohl so lauten: Sie hat konstant ihre Hausaufgaben nicht gemacht und permanent das Thema verfehlt. Note ungenügend.