Der Flughafen Ensheim ist besser durch die Krise gekommen als viele andere. Das Angebot zum Sommer entspricht dem von vor Corona. Aufsichtsratschef Jürgen Barke und Geschäftsführer Thomas Schuck über die Folgen der Pandemie und strategische Ziele.
Herr Barke, Herr Schuck. Wo steht der Flughafen etwas über ein Jahr nach dem ersten Lockdown?
Jürgen Barke: Der Flugverkehr in ganz Deutschland ist in Folge der Pandemie um nahezu 90 Prozent eingebrochen, und das trifft alle Flughäfen gleichermaßen. Mit dem Thema muss man umgehen und dabei bin ich im Grunde zuversichtlich. Für die Infrastruktur hier in Saarbrücken haben wir einen zusätzlichen Zuschussbedarf von lediglich drei Millionen Euro. Das ist auch deshalb gelungen, weil wir uns schon in den letzten Jahren ein Stück weit unabhängiger gemacht haben von der reinen Passagierentwicklung hin zu einem sehr stringenten Kostenmanagement. Das heißt, wir sind heute von der Kostenseite so gut und in den Systemen so flexibel aufgestellt, dass wir sehr aktuell reagieren können. Deshalb ist das für uns ein überschaubarer Schaden, mit dem wir im Moment noch gut umgehen können. Es muss jetzt aber auch relativ schnell weitergehen. Deshalb gibt es von unserer Seite auch den Druck auf den Bund. Testkonzepte auf den Flughäfen und freie Korridore zum Fliegen sind die Themen, die jetzt geklärt werden müssen. Die Leute wollen fliegen, sie müssen aber auch wissen, wie sie sicher fliegen können. Dafür müssen die Voraussetzungen jetzt in diesem Frühjahr geschaffen werden. Wir haben schon die ersten ausgebuchten Flieger für den Sommer.
Inwieweit hilft die Zusage des Bundes zur finanziellen Unterstützung?
Barke: Natürlich hilft das, gerade nach dem Schaden, den wir im letzten Frühjahr hatten, als uns der Bund gebeten hatte, die Infrastruktur aufrecht zu erhalten, damit beispielsweise Lieferketten nicht abreißen, Notambulanzen stattfinden können. Wir haben dann lange um die Beteiligung des Bundes an den Kosten gefeilscht. Letztlich ist es uns gelungen, dass auch die Regionalflughäfen berücksichtigt werden. Das ist eine gute Entscheidung, weil sie uns den Landeshaushalt entlastet. Wir hatten ja die Kosten schon vorerstattet.
Die Vereinbarung mit der EU sieht vor, bis 2024 mit ausgeglichenem Budget, also ohne Zuschüsse und unerlaubte Subventionen klar zu kommen. Bis zur Pandemie war man auf diesem Weg, und jetzt?
Barke: Seit Thomas Schuck und ich das Flughafenmanagement übernommen haben, war meine Philosophie immer: Man muss nicht unbedingt eine große Affinität zum Fliegen haben, sondern mit Zahlen, Daten und Fakten umgehen können. Das Entscheidende ist: Wir konnten seit 2012 die Kosten enorm reduzieren. Gestartet sind wir mit einem Defizit von zwölf Millionen und liegen jetzt bei einem von der EU akzeptierten Defizit in einer Größenordnung von 1,8 Millionen Euro. Es gibt zwei Stellschrauben, diese gilt es noch in den Griff zu bekommen. Die eine ist auf der Kostenseite. Da gibt es noch Möglichkeiten, ohne den Status als internationaler Verkehrsflughafen zu gefährden. Und es gibt die Möglichkeit, die Chancen zu nutzen, die sich aus der Pandemie ergeben – nämlich deutlich stärker aus der Region heraus zu fliegen.
Das Ziel ist also weiter realistisch erreichbar?
Barke: Im Moment werden Diskussionen in allen Bereichen geführt, bei denen es darum geht, dass wir Fristen vereinbart haben, bis zu denen bestimmte Ziele erreicht sein sollen. Die sind derzeit alle mehr oder weniger für die Coronazeit ausgesetzt und werden später angehängt. Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass das auch beim Flughafen der Fall sein wird. Schließlich müssen wir auch darüber reden, dass wir als Flughafen Saarbrücken möglicherweise anders klassifiziert werden und aus den Vorgaben der EU herausfallen.
Thomas Schuck: Es gab 2019 eine Überprüfung der aktuell geltenden Beihilferegularien der EU. Dabei ist deutlich geworden, dass Flughäfen, die sich unter 500.000 bis 600.000 Passagieren bewegen – und das sind relativ viele in Europa – mit schwankenden Verkehren, mit schwankenden Einnahmen und damit auch mit schwankenden Jahresergebnissen zu tun haben. Deshalb glaube ich, dass die Grenze von derzeit 200.000 Passagieren, unter der es nicht beihilferelevant ist, wenn die öffentliche Hand dort Beiträge leistet, angehoben werden könnte. Wo diese dann liegen wird, werden wir sehen. Für uns bedeutet das aber nicht, dass wir uns zurücklehnen. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht mit einer ganzen Reihe von strukturellen Veränderungen. Damit sind wir völlig anders aufgestellt, als es vor sieben, acht Jahren der Fall war.
Das heißt?
Barke: Ein Flughafen ist ein reizvolles, aber eigentlich auch ein ganz normales Unternehmen. Da gelten betriebswirtschaftlich keine anderen Regeln, nur weil es um das schöne Thema Fliegen geht. Wir brauchen die Infrastruktur, wir brauchen die wichtigen Destinationen im Land und wir brauchen die Ferienflieger. Wir müssen die Region bedienen können. Wir wollen gar nicht mehr Verkehr anziehen, als die Region hier braucht.
Schuck: Das Jahr 2019 ist ein ganz guter Maßstab. Wir hatten zwar zehn Prozent weniger Passagiere, aber auch fünf Prozent weniger Defizit. Das passt zusammen, weil wir uns in der wirtschaftlichen Entwicklung ein Stück weit von der reinen Entwicklung der Passagierzahlen entkoppelt haben. Das hilft uns auch jetzt. In der Pandemie haben wir 86 Prozent weniger Passagiere, aber nur etwa ein Drittel mehr Defizit.
Jetzt steht eigentlich die Sommersaison vor der Tür. Wie ist der Flughafen trotz nach wie vor unklarer Lage vorbereitet?
Schuck: Wichtig ist, dass die Fluggesellschaften, die ein touristisches Angebot ab Saarbrücken gemacht haben, und auch die Reiseveranstalter alle noch da sind, und dass die sagen: Saarbrücken ist für uns weiter ein interessanter Markt. Das Sommerangebot, wann immer es startet, entspricht dem Sommerangebot von 2019, also dem Jahr vor der Pandemie. Ich glaube, dass das alleine schon ein Erfolg ist. Da gibt es einige Flughäfen im näheren und weiteren Umfeld, die da mehr Schwierigkeiten haben. Das Problem Corona wird uns aber weiterhin beschäftigen: Leider haben nicht alle Veranstalter und Fluggesellschaften die Krise wirtschaftlich durchgestanden, die weitere Entwicklung wird aber auch davon geprägt sein, wie die Situation vor Ort ist: Haben die Hotels und Restaurants, die Geschäfte und Bars in den Destinationen die Lockdowns überlebt?
Trotz der Ungewissheit gibt es ein zusätzliches Angebot. Wie geht das?
Schuck: Wir haben als neues Ziel Hurghada, ein Ganzjahresziel, das auch stark nachgefragt war. Die Destination wird uns bei dem Bemühen helfen, den Sommer-Winter-Unterschied im Flugangebot ein wenig auszugleichen. Ein weiterer Punkt ist die weitere Stabilisierung des Angebots. Wir haben eine sehr stabile Kundensituation und einen relativ hohen Anteil an Kunden, die sagen: Wenn wir fliegen, dann von Saarbrücken. Und wir haben ein leicht höheres Durchschnittsalter der Fluggäste als andere vergleichbare Flughäfen. Zudem haben wir gute Voraussetzungen auch für Kunden, die weniger mobil sind: In Saarbrücken sind sie ebenerdig unterwegs; wir haben Parkraum im Freien geschaffen. Kurz gesagt: Es ist stressfrei bei uns.
Barke: Dass die Airlines bei uns fliegen wollen, ist auch eine Frage der Managementqualität. Wir haben ein sehr agiles Team, das dafür wirbt, dass hier Geschäft gemacht wird. Das prägt die ganze Atmosphäre hier am Flughafen.
Schuck: Wir sind ein Flughafen, der die Passagiere individuell betreut. Damit sind wir natürlich kein Standort für die absolute Low Cost Airline. Mit Subventionen schlagen uns andere immer, aber das ist nicht unser Segment. Was wir als Dienstleistung für die Kunden und die Airlines anbieten, hat einen Wert, aber auch einen Preis. Deshalb passen zu uns Veranstalter, die diesen Qualitätsstatus zu schätzen wissen. Nehmen Sie die DAT mit der Berlin-Verbindung. Das ist ein Familienunternehmen mit einer Reaktionsgeschwindigkeit für Entscheidungen von einem Tag. Ein solches Unternehmen passt zu uns.
Barke: Die kommen mit ihrer Reaktionsfähigkeit auch super durch die Krise. Und das ist das Gute an der Größe unseres Standorts: Wir sind auch sehr flexibel und reaktionsfähig. Ich nenne ein Beispiel: Nachdem Luxair die Flüge über Saarbrücken nach Hamburg im Januar ausgesetzt hatte, haben wir mit DAT gesprochen. Eben erfahren wir, dass die Airline, die ja schon nach Berlin fliegt, kurzfristig auch Hamburg bedienen wird – dreimal wöchentlich zu akzeptablen Preisen. Da ist unser Verständnis von Flexibilität und von Reaktionsschnelligkeit und das der Airline deckungsgleich.
Also wird es absehbar keine Ryanair oder ähnliche Angebote ab Saarbrücken geben?
Barke: Die können bei uns fliegen, wenn sie das wollen, aber wir werben nicht wie andere aktiv dafür mit Konditionen, die für uns nicht akzeptabel sind. Wir wollen uns nicht in unheilvolle Abhängigkeiten begeben, da kann man von anderen ja auch lernen. Im Übrigen: Es gibt ein Wettbewerbsrecht, an das wir uns halten.
Wie sehen dann die Perspektiven aus?
Barke: Wir brauchen zweierlei Geschäft: Wir brauchen die Linien in Deutschland mit Hamburg und Berlin, damit wir ein Ganzjahresflughafen sind. Auch München wäre dabei wichtig. Das Thema haben wir nicht ad acta gelegt. Das ist aber auch eine Frage an die Unternehmer im Land: Haben wir die Linie nicht, klagen alle, haben wir sie, ist sie kaum ausgelastet. Aus unserer Sicht macht München nur Sinn im Code-Share mit Lufthansa, also hier einsteigen und dann über das Drehkreuz München in die Welt. Das Fluggerät muss ebenfalls passen.
Wie haben sich die Perspektiven für die Ferienfliegerei durch Corona verändert?
Schuck: Was wir im vergangenen Sommer erlebt haben, waren vorrangig ausgebuchte Flüge. Sobald ich eine Reisemöglichkeit habe, mit allen Rahmenbedingungen und Sicherheitsvorkehrungen, werden die Buchungen auch jetzt ganz schnell anziehen. Ich glaube, das wird auch eine ganze Zeit anhalten. Das touristische Reisen wird sich jedoch ein Stück weit verändern. Die Pauschalreise erlebt ein Revival, weil sie Sicherheiten bietet. Auch die Beratung im Reisebüro wird immer noch gesucht: Informieren im Internet, aber persönliche Beratung. Da sind wir mit den vielen kompetenten Reisebüros in der Region sehr gut aufgestellt – auch mit Blick auf den französischen Markt, den wir intensiv bearbeiten. Wir hatten einen Anteil französischer Passagiere von gut 30 Prozent, bei touristischen Zielen sogar von über 50 Prozent. Und in diesen unsicheren Zeiten sucht man vielleicht auch eher näher erreichbare Ziele als die Fernreisen. Städteverbindungen sehe ich ähnlich. Wir haben alle von Zoom, Webex und den Onlinemeetings genug, man will sich wieder persönlich sehen. Wobei wir hier nicht über Hunderttausende Passagieren reden, wohl aber über Destinationen, die über alternative Reisemöglichkeiten nicht so ganz gut erreichbar sind. Die Distanz zwischen Saarbrücken und Berlin wird nicht kleiner, da ist das Flugzeug das Transportmittel der Wahl, das gilt für Hamburg genauso und eben möglicherweise für zwei, drei weitere Ziele auch.
Was ist mit der Prognose, dass die digitale Konferenzwelt Reisen überflüssig macht?
Schuck: Mein Eindruck ist, dass Videokonferenzen eher das Telefonieren ablösen. Dass es ein wirklicher Ersatz für das Reisen ist sehen wir so nicht.
Barke: Im politischen Raum machen wir Konferenzen, etwa der Verkehrsminister, völlig digital. Aber wir merken: das unmittelbare Feedback fehlt. Wenn jetzt argumentiert wird, dass man alles über Videokonferenzen machen könnte und Fliegen gar nicht sein müsste, auch unter Klimaschutzgesichtspunkten, dann steht bei einigen dahinter, dass sie das Fliegen eigentlich ganz verbieten wollen. Wenn das so ist, dann sollen sie das offen sagen, und dann gehen wir auch in die Diskussion. Dass Flughäfen grüner werden müssen, dass wir über alternative Kraftstoffe nachdenken, ist klar. Dass Flüge nach ‚Malle‘ für neun Euro angeboten werden, da bin ich auch dagegen. Aber wer das Fliegen generell verbieten will, der wendet sich gegen die hart arbeitenden Menschen im Land.
Welche Rolle spielt der Flughafen beispielsweise in der Ansiedlungspolitik des Landes, aktuell beispielsweise bei SVolt?
Schuck: Es ist Fakt, dass Berlin eine neue Zentralität in Deutschland geschaffen hat. Bei der räumlichen Distanz, die wir dazu haben, muss es ein adäquates Angebot geben, das ist gar keine Frage. Das gilt auch für Hamburg. Und dann merken wir – auch schon vor Corona – die zunehmende Bedeutung von Privatfliegern. Der Bereich General Aviation hat mit Corona noch deutlich zugenommen.
Barke: Für eine Ansiedlung wie SVolt ist es immer eine Frage, wie man mit Metropolregionen verbunden ist. Also wie komme ich nach Berlin, Hamburg, München. Bei solchen Ansiedlungen steht immer „Flughafen" auf der Checkliste. Kein Flughafen – kein Haken auf der Liste; das heißt Standortnachteil. Ob das Ganze dann genutzt wird, ist dabei zunächst gar keine Frage.
Wenn jetzt die nächsten Lockerungsschritte kommen: Wie schnell kann es am Flughafen wieder richtig losgehen?
Schuck: Das Hochfahren des Angebots ist kein Problem: Die Maschine steht draußen und die Crew ist hier. Das Problem ist eher, wie ich mit Vorbuchungszeiten umgehe. Wir gehen davon aus, dass vier bis sechs Wochen im Anlauf nötig sind, wobei die Airlines sehr flexibel geworden sind bei den Buchungen und der Aufnahme des Flugbetriebs.