Sieben von zehn Formel-1-Teams starten am Sonntag, 28. März, in Bahrain mit einer neuen Fahrerpaarung in die Saison. Einen radikalen Kahlschlag hat der US-Rennstall Haas gemacht: Mit zwei Neulingen, dem Deutschen Mick Schumacher und dem Russen Nikita Mazepin, hat sich das Team neu aufgestellt.
Rennfahren ist das, wovon ich träume. Es ist anstrengend, es ist schwierig, es ist herausfordernd, es ist kompliziert. Es ist einfach nur super", schreibt Mick Schumacher auf seiner offiziellen Website. Der Formel-1-Neuling hat sich mit 21 Jahren seinen Traum erfüllt. Der Sohn des Siebenfach-Weltmeisters Michael Schumacher (91 GP-Siege) und Neffe des sechsmaligen GP-Siegers Ralf Schumacher führt die Familientradition fort. 2.928 Tage nach dem letzten Rennen seines Vaters – dem Grand Prix von Brasilien 2012 – wurde Schumi Junior zu einem Formel-1-Piloten befördert.
30 Jahre nach dem Debüt seines Vaters (25. August 1991 Spa/Belgien) steht nun wieder ein Pilot aus der Schumacher-Dynastie vor seinem ersten Grand Prix. Dass der Junior ein Cockpit im US-amerikanischen Formel-1-Team Haas von Teamgründer Gene Haas zugeteilt bekam, bestimmten die Ferrari-Strategen. Es hat aber nichts damit zu tun, dass Micks Vater Michael elf Saisons (1996 bis 2006) Ferrari-Pilot war und den Italienern als erfolgreichster Pilot fünf WM-Titel und 72 Siege bescherte. Seit seinem Debüt 2016 ist der Haas-Rennstall ein Kundenteam von Ferrari. Das Auto verwendete zahlreiche Komponenten der Roten. Neben dem Motor kaufte Haas auch das Getriebe, die Aufhängungen, Radträger, Hydraulik, Lenkung und den Fahrersitz bei den Italienern ein. Die Teamleitung spricht von „übergreifender technischer Unterstützung". Beobachter bezeichnen Haas als „Ferraris B-Team". Hinzu kommt, dass Mick Schumacher seit 2019 Teil des Nachwuchs-Förderprogramms von Ferrari ist, also Mitglied der Formel-1-Ferrari-Academy, dem Ferrari-Ausbildungsrennstall für angehende Formel-1-Studenten, ist. „Ich freue mich, im Haas-Team untergekommen zu sein. Es ist eine gute Situation, um mich dort weiterzuentwickeln", gesteht Mick Schumacher.
Auf dem Auto sind die Farben der russischen Flagge
Den ersten „Stallgeruch" seines Teams lernte Schumi Junior bei einem Testtag nach dem Finale in Abu Dhabi kennen. Bei den dreitägigen Wintertestfahrten (12. bis 14. März in Bahrain, nach Redaktionsschluss) dürfte Mick neue Erkenntnisse gewonnen und neue Erfahrungen mit seinem Dienstfahrzeug VF-21 gemacht haben. Der Name resultiert laut Unternehmer Haas aus einer Abteilung seiner ersten mit Haas Automotive vertriebenen Maschine, „very first one", kurz „VF-1", und die „21" steht für die Jahreszahl der aktuellen Saison. Gene Haas gehört der große kalifornische Werkzeugmaschinenhersteller Haas Automation. Obwohl Haas ein US-Rennstall ist, kommt der VF-21 auffallend russisch daher. Das dürfte daran liegen, dass mit Nikita Mazepin ein Russe einen zahlungskräftigen Sponsor mitbringt. Sein Vater Dmitry Mazepin ist Düngemittel-Milliardär und Chef des Uralchem-Konzerns. Neuer Namenssponsor ist nämlich das russische Bergbauunternehmen „Uralkali".
Die Lackierung des Hauptsponsors auf den Haas-Autos sorgte bei der Farbpräsentation für große Augen. Der Schumi-Renner präsentierte sich im Russen-Look. Die Farben der russischen Flagge – Weiß, Blau und Rot –, die sich quer über das amerikanische Auto ziehen, erklären sich so: Wegen des russischen Dopingskandals bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi hat der Internationale Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne vergangenen Dezember entschieden, dass russische Athleten 2021 und 2022 nicht unter russischer Flagge an internationalen Wettkämpfen teilnehmen dürfen. Darunter fällt auch Formel-1-Pilot Nikita Mazepin, der zwar an der WM teilnehmen darf, aber nicht unter russischer Flagge und nicht mit russischer Lizenz. „Aber man könne sehr wohl die Farben Weiß, Blau und Rot, die auch identisch mit der US-Flagge sind, verwenden", heißt es in einer Haas-Pressemitteilung. Die Farben des Uralkali-Logos waren ursprünglich Rot und Grün. Weiter heißt es: Das CAS-Urteil besagt konkret, dass „auf Kleidung, Ausrüstung oder persönlichen Gegenständen" russischer Sportler „weder ein nationales Emblem noch ein anderes nationales Symbol der Russischen Föderation" abgebildet sein dürfen. Die Haas-Teamleitung stellt klar: „Es ist der Athlet, der die russische Flagge nicht zeigen darf, und nicht das Team. Das Team ist ein amerikanisches Team. Auf Nikitas Gürtelschnalle wird die russische Flagge nicht zu sehen sein und auch am Auto nicht. Aber die Farben der Lackierung kann man nicht limitieren." Die Fia (Automobil-Weltverband) hat keinen Einspruch erhoben.
Voller Fokus auf die Saison 2022
Egal, wie der neue Look des Haas-Boliden aussieht, allzu viel können Schumacher und Mazepin von ihrem Dienstwagen nicht erwarten. Teamchef Günther Steiner hat bereits angekündigt, dass während der Saison 2021 keine nennenswerte Weiterentwicklung stattfinden wird. Der volle Fokus gilt stattdessen der großen „Reformrevolution" für 2022. „Wir werden uns voll auf das 2022er-Auto konzentrieren", so der Südtiroler Teamchef. Aber die Chancen, die sich uns dieses Jahr bieten, die müssen wir nutzen."
Und die Chancen, die sich Mick Schumacher bieten, will auch der Jungstar nutzen. „Wenn wir auch keine oder nur eine geringe Weiterentwicklung des Autos haben, werden wir versuchen, vorne oder halt im Mittelfeld mitzufahren, jedenfalls weiter nach vorne zu kommen als 2020", so der gebürtige (Wahl-)Schweizer kämpferisch. Zur Erinnerung: 2020 hatte Haas in 17 Formel-1-Rennen gerade zweimal gepunktet und dabei insgesamt drei Pünktchen erobert. Kevin Magnussen wurde im dritten Rennen in Ungarn Zehnter (ein WM-Punkt) und Romain Grosjean im elften Rennen auf dem Nürburgring Neunter (zwei WM-Punkte). Unterm Strich bedeuteten die drei WM-Pünktchen Platz neun unter zehn Teams in der Markenwertung – vor Williams, das komplett ohne WM-Zähler ausging. Vor diesem Hintergrund schaut Schumi Junior wohl vor allem auf sich selbst, um in seinem Premierejahr in der Formel 1 persönliche Fortschritte zu machen. „Es wird wichtig sein, diese Lernkurve zu haben, dass ich mich stetig verbessere, dass wir von Runde zu Runde mehr Erfahrung sammeln", erklärt er. „Damit wir dann ins Rennen gehen und keine Fragezeichen mehr haben." WM-Punkte (bis Platz zehn) werden eher aussichtslos sein, da die Entwicklung der Autos stagnieren wird. „Vielleicht ergeben sich ja ein paar verrückte Rennen wie im vergangenen Jahr, dann könnten wir ein paar Pünktchen sammeln", hofft der Rookie (Neuling) dennoch. Sein Teamkollege Nikita Mazepin (22) ist für Mick kein Unbekannter. Beide kennen sich aus den Nachwuchsklassen, in denen Schumacher Mazepin im Griff hatte. Das Image des Russen ist allerdings nach seinem inakzeptablen Busengrabscher-Video auf Instagram stark ramponiert. Der Sexismus-Skandal um die „Grapschaffäre" hätte ihn beinahe die Karriere gekostet. Mick Schumacher war nie ein Frühzünder. Ob ihm in der Formel 1 seine „Spätzünder-Zeiten" wie in den unteren Klassen eingeräumt werden, bleibt abzuwarten. In der Tat benötigte Mick immer eine Saison, um sich wirklich an Auto und Umfeld zu gewöhnen und sich in einer Klasse zurechtzufinden. Aber dann zeigte er stets starke Leistungen, sei es mit dem Vizetitel in der Formel 4, der Meisterschaft in der Formel 3-EM oder dem Titel 2020 in der Formel 2.
Mick Schumacher war nie ein Frühzünder
Vor seinem Debüt am Sonntag, 28. März, in Bahrain (17 Uhr Sky) steht jedenfalls fest: Ein junger Fahrer mit der Strahlkraft des Namen Schumacher bringt dem Haas-Rennstall große Aufmerksamkeit. Als junger Mann mit Top-Manieren weiß der Rookie, wem er seinen Aufstieg zu verdanken hat. „Ich möchte mich bei Haas, Ferrari, meinen Partnern und meinen Eltern bedanken. Ich verdanke ihnen alles. Ich habe immer daran geglaubt, meinen Traum wahr werden zu lassen. Jetzt ist es passiert", so ein stolzer Schumi Junior, der sich für die Startnummer 47 entschieden hat.