Wenn die Restaurants nicht bald wieder öffnen dürfen, wird vielen Gastronomen die Luft ausgehen. Manche haben bereits aufgegeben. Wie schlimm es teilweise um viele Betriebe steht, zeigen wir am Beispiel von Simo Bourouis und seinem „Galicia Tapas" in Saarbrücken.
Es ist nun mehr als ein Jahr her, dass die Gastronomie aufgrund der Corona-Pandemie schließen musste. Auch die kurzzeitige Öffnung in den Sommermonaten vergangenen Jahres half den meisten Gastronomen nicht wirklich. Sie verhinderte zwar den Absturz einer ganzen Branche, eine echte Perspektive fehlt aber noch immer. Die versprochenen staatlichen Hilfen – zwar gut gemeint – sind bei vielen noch immer nicht angekommen. Für die betroffenen Gastwirte eine Katastrophe.
Ich habe in den vergangenen Wochen viele Gastronomen getroffen. Manche sind deprimiert und schlagen sich mehr schlecht als recht durch die Krise, anderen steht die Hoffnungslosigkeit tief ins Gesicht geschrieben. Wie soll man seriös ein Geschäft führen, wenn es seit Monaten keine verlässlichen Einnahmen mehr gibt? Wie soll man so die eigene Familie finanzieren, Mitarbeiter bezahlen? Wie die Miete? Fragen über Fragen, auf die seitens der Politik bis heute eine verlässliche Antwort fehlt.
Einer, dem das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals steht, ist Simo Bourouis. Er betreibt die Tapas-Bar „Galicia Tapas" in der Bliesstraße auf dem Saarbrücker Rastpfuhl, die wir vor knapp eineinhalb Jahren an dieser Stelle schon einmal vorgestellt hatten. Über Jahre lief sein Laden ordentlich. „Wir waren zwar nicht jeden Tag komplett ausgebucht, aber wir hatten unsere feste Kundschaft", erzählt er. „Unsere frischen Produkte und unsere Liebe zur Küche wurden von unseren Kunden geschätzt." Nicht nur spanische Freunde schwören normalerweise auf seine Kochkünste. Auch Deutsche, die die Tapas-Kultur lieben, verkehrten hier zahlreich. Simos Kochkunst ist beliebt, jeder Kunde hier weiß, dass er auf Qualität der Produkte setzt. Doch derzeit ist nichts mehr normal.
Der Lieferservice ist der letzte Rettungsanker
Seit Monaten kämpft Simo Bourouis inzwischen verzweifelt ums Überleben seiner Gaststätte. Er musste mittlerweile alle seine Mitarbeiter entlassen, die Miete fürs Lokal hat ihm sein Vermieter gestundet. Die Miete für seine Wohnung überweist ihm seine Familie aus Spanien, bei der inzwischen auch seine Frau ist. Der Anblick, der sich mir bei meinem Besuch bietet, ist ein trauriger. Im Nebenzimmer sind alle Stühle hochgestellt, das Telefon bleibt an diesem Morgen stumm. Wie so oft in letzter Zeit. Sieben Tage die Woche stehe er hier, erzählt Simo Bourouis. Er müsse ja jetzt alles alleine machen.
Schon im Sommer, nach dem ersten Lockdown, lief es für ihn schlechter als zuvor. „Die Leute hatten Angst, wussten noch zu wenig über dieses neue Virus. Viele mieden die Bars und Restaurants." Er hatte kaum die Möglichkeit, für den nächsten Winter und den zu erwartenden zweiten Lockdown vorzuarbeiten. Gleichzeitig musste er im Herbst aber tief in die Tasche greifen, um etwa die von der Politik geforderten Trennscheiben zwischen den Tischen einzubauen. Um dann im November ein zweites Mal schließen zu müssen – bis heute.
Die Ersparnisse sind aufgebraucht, der Umsatz komplett eingebrochen. Trotzdem kommt er täglich ins Lokal. Jeden Tag hofft er auf Anrufe. Doch das Telefon klingelt nur selten. Dabei würde jede Bestellung, jeder Euro helfen.
Seit Kurzem hat er seinen Lieferservice eröffnet. Der Ruhetag ist abgeschafft, abends wird geliefert oder die Kunden holen ihr Essen ab. Allerdings ist das Angebot kleiner als früher, denn viele seiner Produkte bezieht er sonst aus Spanien und Frankreich. Als ich ihn vor eineinhalb Jahren in meiner Gastro-Kolumne vorstellte, schrieb ich damals: „Den Einkauf macht er selbst. Fisch bezieht er über einen Großhändler in Metz. Der Fisch, den er braucht, kommt aus dem spanischen Baskenland und aus Galizien." Heute aber sind de facto die Grenzen wieder zu. Viele Restaurants im Saarland kaufen aber Fisch und alles aus dem Meer in Frankreich. Simo Bourouis etwa will die großen spanischen Muscheln. Oder Taschenkrebse, Schwertmuscheln, Calamari und die kleinen Sardellen. Die findet er in Deutschland nicht. Oder wenn, dann doppelt so teuer wie in Frankreich. Das würde den Preis sprengen und wäre auch den Kunden nicht zu vermitteln. Bourouis lehnt es dennoch ab, mit tiefgefrorenen Viktualien zu kochen. Er koche mit Liebe, und das gehe nur mit frischen Produkten.
Einmal hat er bislang eine Überbrückungshilfe bekommen, das sei im November gewesen. Seitdem nichts mehr. Zwischenzeitlich hatte die Bundesregierung weitere Auszahlungen sogar wegen einiger Betrügereien komplett gestoppt. Ein neuerlicher Tiefschlag für alle ehrlichen Gastronomen, die verzweifelt auf die Hilfen warten. Immerhin werden die Zahlungen jetzt wieder fortgesetzt.
„Ich kämpfe bis zum Schluss"
Noch immer hofft Bourouis darauf, bald wieder öffnen zu dürfen. „Ich kämpfe, egal, wie die Situation ist. Wenn wir wieder öffnen dürfen, kommen auch unsere Kunden wieder. Davon bin ich überzeugt", erklärt er. Doch eines ist auch ihm bei allem Kampfesgeist klar: „Wenn es ohne Öffnungsperspektive so weitergeht, werde ich im Mai absperren. Für immer!"
Das Oberverwaltungsgericht in Saarlouis kassierte kürzlich die Entscheidung der Landesregierung über die Öffnungsbedingungen des Handels im Saarland ein. Das bringt eine bessere Situation für viele Geschäfte, nicht aber für die Gastronomiebranche. Der Dehoga verurteilte dies scharf in seiner Stellungnahme und fordert eine Neubewertung der Situation auch für die Gastronomie und Hotellerie. Ein wichtiger Aspekt in der Beschlussbegründung zielte auf die vom Robert Koch-Institut definierte Risikobewertung einzelner Segmente oder Branchen, die sich an den Kriterien des individuellen Infektionsrisikos und des Anteils am Gesamtinfektionsgeschehen orientieren. Hier wird der Einzelhandel als „niedrig" eingestuft. Und genau diese Risikoeinstufung gilt auch für die Hotellerie und für Zusammenkünfte im Freien. Gleichwohl findet eine solche validierte Erkenntnis aktuell keinerlei Niederschlag in dem von Bund und Ländern festgelegten „Öffnungsszenarien", die frühestens am 22. März mit der Außengastronomie beginnen sollen.
Eine fatale Entwicklung, nicht nur für Simo Bourouis und sein „Galicia Tapas". Alle Gastronomen brauchen schnellstmöglich eine echte Perspektive, denn längst nicht jeder hat die Möglichkeit, dann auch wirklich eine Außengastronomie anzubieten. Es müssen schleunigst Konzepte auch für innen her.
Aus dem ganzen Saarland kommen derweil Meldungen, dass für einige Gastronomen bereits jede weitere Hilfe zu spät kommt. Etwa der „Salzbadkeller" und die „Essbar" in Mettlach, die „Weinpost" in Orscholz, der „Fischweiher" in Differten, „La Küsine" und der Gasthof „Alter Markt" in Losheim haben aufgegeben, um nur einige zu nennen. Es werden nicht die einzigen bleiben, wenn sich nicht schleunigst etwas ändert. Deshalb sollten wir alle betroffenen Gastronomen mit unseren Bestellungen unterstützen, wann immer wir können. Sonst werden wir alle auch nach dem Ende des Lockdowns wohl bei vielen dauerhaft vor verschlossenen Türen stehen.