Das Zuhause auf Rädern erlebte im Corona-Urlaubssommer 2020 einen Boom. Wer in diesem Jahr noch sein Wunsch-Wohnmobil mieten möchte, sollte schnell handeln. Erste Buchungsengpässe drohen.
Stellen wir uns das mal vor: Wir fahren hinter einer riesigen Glasfront, sozusagen der Gesichtsmaske des Wohnmobils, durch hübsches Land. Berge, Küsten, Bauten ziehen vorbei – Urlaub ohne Infektionsrisiko! Unsere Dusche haben wir an Bord – wir kommen erst gar nicht in die Verlegenheit, unser Bad zu teilen. Und am Büfett mit anderen um die Tiger Prawns rangeln? Im Konzept der Wohnmobilreise nicht vorgesehen. Viele Fahrzeuge sind zwar lang wie Selbstbedienungstische, aber in der Bord-Küchenzeile kocht man sein eigenes Essen.
Kurzum: Wohnmobile erweisen sich als die perfekten Pandemie-Gefährten für den Urlaub. Caravaning sei „besonders sicher und besonders gut für die aktuelle Situation geeignet, da man weitestgehend individuell und autark verreist", sagt Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer beim Caravaning Industrie Verband (CIVD). Diese Vorzüge sahen wohl auch Tausende Urlauber im Corona-Sommer 2020, als die Nachfrage nach Mietmobilen ab Anfang Mai mit den Lockdown-Lockerungen so exponentiell stieg, wie zuvor mancherorts die Infektionszahlen. „In rund 15 Prozent der Fälle konnten wir den Kunden zwischen Juli und September 2020 (…) kein Wohnmobil mehr bestätigen, weil die Nachfrage so riesig war", sagt Björn Esperling, Marketing-Manager bei CU Camper, einem Vermittler, der große Vermieter wie McRent, Apollo oder DRM im Programm hat.
Und dieses Jahr? Es kristallisiert sich heraus, dass Urlaubs-, Reise- und Unterkunftsformen, die es einem mit den Kontaktbeschränkungen einfach machen, wieder stark nachgefragt sein werden: Ferienhäuser, Wandern und auch Wohnmobile. Buchungsengpässe drohen jetzt schon wieder.
Zeitliche Flexibilität erhöht die Chancen
Die aktuelle Buchungslage: Wohnmobile werden knapp, das zeichnet sich aktuell ab. Inke Rasmussen, Leiterin von Tui Camper, einem der Marktführer in Deutschland, benennt erste Engpässe in der Tui-Flotte: Große Camper für Familien seien an bestimmten Terminen in den Sommerferien ab beliebten deutschen Anmietstationen wie München bereits ausgebucht. Björn Esperling von CU Camper pflichtet ihr bei: Vor allem in den Metropolen könne die Buchungssituation „schnell kritisch" werden. Ähnliches vom ADAC, ebenfalls einer der großen Anbieter: Noch im Frühjahr werde die Nachfrage nach Wohnmobilen und Campingplätzen „sprunghaft" ansteigen: „Als bevorzugtes Reiseziel dürfte Deutschland wieder hoch im Kurs stehen", heißt es in einer Mitteilung. Beim Verbund unabhängiger Wohnmobilvermieter (RMP), unter dessen Dach sich rund 150 kleinere Vermieter bündeln, beobachtet man derzeit zwar noch gegenläufige Tendenzen: „Viele Leute warten, weil sie unsicher sind. Es buchen aber auch viele, weil sie verstanden haben, dass Flugreisen eher unmöglich sein werden", sagt Geschäftsführer Thomas Kretschmer. Je nachdem, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt und Kontaktbeschränkungen gelockert werden, erwartet er einen „extremen Run".
Wann und wo bekommt man noch ein Wohnmobil? „Wer eine Reise in den Sommerferien plant, sollte jetzt buchen", empfiehlt Tui-Mitarbeiterin Rasmussen. Auch der ADAC rät aufgrund der „aktuell sehr guten Buchungslage", frühzeitig Nägel mit Köpfen zu machen, „da die Verfügbarkeiten speziell zur Hauptsaison eingeschränkt sein werden". Der Club berichtet bereits von Lieferverzögerungen der Reisemobilhersteller, der Traffic auf der Website der ADAC Reisemobilvermietung steigt aktuell stark an. Das bedeutet: Vor allem Familien, die an die Schulferien gebunden sind und einen Wohnmobilurlaub planen, sollten handeln – zumal auch die Auswahl von passenden Fahrzeugen mit mehr als zwei Schlafplätzen sich laut CIVD schnell ausdünnen könnte. Wer aber außerhalb der Sommerferien reisen oder auf die Nebensaison ausweichen und auch spontan noch buchen kann, hat bessere Karten. Mit Flexibilität beim Anmietzeitraum, finde man „auch im Juli und August noch den passenden Camper", sagt Rasmussen. Hat man sein Wunschmobil verpasst, könnten die auf Wachstumskurs fahrenden Sharing-Anbieter wie Paulcamper oder Yescapa den Camper-Urlaub retten. Deren Angebot wächst mit neuen Privatanzeigen stetig und umfasst in Deutschland derzeit 6.000 beziehungsweise 900 Fahrzeuge. „Wir sehen aktuell, dass die Buchungen deutlich ansteigen und hoffen, dass wir durch mehr und mehr neue Vermieter Engpässe vermeiden können", sagt Katrin Witt von Paulcamper. Das Unternehmen vermittelt Fahrzeuge in Deutschland, Österreich und den Niederlanden und plant im zweiten Quartal, ein weiteres europäisches Land ins Angebot aufzunehmen. Andere Plattformen sind Indiecampers (in über 40 Städten in Europa vertreten) und Rentandtravel.de (Angebot des Herstellers Knaus Tabbert mit 2.200 Fahrzeugen an 190 Anmietstationen in Deutschland). Dessen Sprecher empfiehlt, sich ebenfalls frühzeitig um Stellplätze zu kümmern. Sollte es auf dem Campingplatz eng werden, kann womöglich Roadsurfer weiterhelfen. Der Münchner Anbieter mit europaweit 2.500 Miet-Campingbussen im Aufgebot launcht im März eine Privat-Stellplatz-Plattform für Camper.
Die Übergabe erfolgt kontaktlos und virenfrei
Sind Miet-Wohnmobile teurer geworden? Der Verbund RMP geht von Preissteigerungen von rund fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr aus – aufgrund der 2020 verloren gegangenen Vorsaison. Beim CIVD hingegen heißt es, die Preise seien weitestgehend stabil geblieben. Wie auch immer – ein Schnäppchen ist das Wohnmobil schon lange nicht mehr. In der Hauptsaison sind Tagesmieten von 140 Euro nicht selten. Günstiger wird es in der Vorsaison. Bei Tui Camper kostet eine Woche im Mai ab/bis Berlin in einem Campervan mit Dusche/WC und Küche derzeit ab 770 Euro. Zur Fahrzeugmiete kommen hinzu: Camping- oder Stellplatzgebühren. Auch Kosten fürs Tanken und gegebenenfalls Mautgebühren oder Fährfahrten sollten eingeplant werden, rät der ADAC.
Die Fahrzeugübergabe – virenfrei und kontaktlos: Viele der Wohnmobilverleiher setzen im Kampf gegen Viren und Bakterien spezielle Maschinen ein, die den Innenraum mit Kaltnebel oder Ozon reinigen. Beide Verfahren versprächen fast hundertprozentige Virenfreiheit, sagt Markus Herrmann vom Bundesverband Fahrzeugaufbereitung. Das gesundheitsgefährdende Ozon erfordere langes Lüften nach der Anwendung. Partner von Tui Camper etwa bilden Mitarbeiter in Schulungen zum Thema „richtige Reinigung" aus. Auch Distancing ist angesagt: Bei Yescapa schicken viele Vermieter den Mietern vor der Übergabe ein Video, in dem sie Fahrzeugfunktionen erläutern – von der Heizung bis zur Toilette. Vorteil der Sharingplattformen: Der Buchungsprozess läuft komplett digital per Website oder App ab. Gemäß ihrer Richtlinien müssen Vermieter die Mobile ebenfalls desinfizieren – dürften dabei aber wohl kaum auf professionelle Maschinen zurückgreifen. Was passiert bei Positivtest, Quarantäne oder anderen coronabedingten Einschränkungen? Grundsätzlich hätten sich die Vermieter schon im Vorjahr bei durch Corona bedingten Stornierungen „sehr entgegenkommend" gezeigt, sagt CIVD-Chef Onggowinarso. „Wir glauben, dass es gerade in diesen Zeiten extrem wichtig ist, unseren Kunden flexible Stornierungsbedingungen und damit mehr Sicherheit zu bieten, auch wenn sich die Maßnahmen kurzfristig ändern sollten", heißt es zum Beispiel bei Indie Campers.
Bei gesetzlich erlassenen Reisebeschränkungen sind kostenlose Umbuchungen und Stornierungen in der Regel problemlos möglich, bis 30 Tage vor geplantem Reisebeginn, teilweise auch kurzfristiger: die ADAC Autovermietung wirbt etwa damit, dass dies bis unmittelbar vor Mietbeginn kostenfrei möglich sei. Doch sollte man im Einzelfall prüfen, welche Bedingungen gelten, wenn man kurz vor der Reise an Covid-19 erkrankt, positiv getestet wird oder in Quarantäne muss. Weil viele Reisekostenrücktritts- und Reiseabbruchversicherungen den Pandemiefall ausschließen, haben einige Gesellschaften Covid-19-Ergänzungsversicherungen aufgelegt. Robert Bartel von der Verbraucherzentrale Brandenburg rät Reisenden, die unterschiedlichen Angebote zu prüfen und miteinander zu vergleichen. So tritt die Versicherung meist nicht ein, wenn die Reise in ein Land geht, für das eine Reisewarnung besteht oder Behörden Quarantänemaßnahmen erlassen haben.
Moderne Technologie sorgt für Sicherheit
Führerschein- und Fahrtipps: Wohnmobile gibt es in verschiedenen Gewichtsklassen – vom VW Bus bis zur großen rollenden Wohnung mit Heckgarage für Fahrräder oder gar Kleinwagen.
„Für Anfänger eignen sich am besten kompakte oder schlanke Wohnmobile – wie die beliebten Kastenwagen", sagt Marion-Maxi Hartung vom ADAC. Weil sie in die Gewichtsklasse bis 3,5 Tonnen fallen, darf man sie mit dem normalen Autoführerschein der Klasse B fahren. Wer ein Mobil bis 7,5 Tonnen mieten möchte, muss einen Führerschein der Klasse C1 vorweisen oder einen vor 1999 ausgestellten Pkw-Führerschein der Klasse 3.
Aber: Wohnmobile fahren sich anders, der hohe Aufbau ist windanfällig, das Bremsverhalten oft ungewohnt. Wer nicht nur eine Proberunde auf dem Parkplatz drehen, sondern sich unter Anleitung vorbereiten möchte, kann an einem Wohnmobil-Fahrsicherheitstraining teilnehmen, wie es Autoclubs aber auch Fahrzeughersteller anbieten. In modernen Wohnmobilen sorgen zudem Technologien wie ABS, ESP, Brems- und Spurwechselassistenten laut CIVD für „ein Maximum an Sicherheit".
Für die Sicherheit in Sachen Corona müssen Wohnmobil-Urlauber allerdings selbst sorgen.