Vor 30 Jahren wurde durch Auflösung seiner militärischen Strukturen das Ende des Warschauer Pakts eingeleitet. Drei Monate später stellten auch die politischen Organe des östlichen Sicherheitsbündnisses ihre Arbeit ein.
Mit ihrer am 25. Februar 1991 in Budapest verabschiedeten Resolution, die militärischen Strukturen des osteuropäischen Sicherheits- und Verteidigungsbündnisses zum 31. März 1991 auflösen zu wollen, hatten die sechs übrig gebliebenen Staaten des Warschauer Pakts eigentlich nur noch einen logischen Schlussstrich gezogen. Durch die sogenannte Glasnost-Politik von KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow war längst die Basis für die erzwungene und eigentlich nur noch von kommunistischen Regierungs-Hardlinern befürwortete Mitgliedschaft der Satellitenstaaten unter sowjetischer Führung weggefallen. Durch die innenpolitischen Veränderungen in den meisten Mitgliedsstaaten hin zu demokratischen Regierungssystemen war der Ost-West-Konflikt Geschichte geworden.
Gegründet wurde er am 4. Juni 1955
Am 7. Juni 1990 hatten die Mitglieder des Warschauer Pakts der historischen Entwicklung erstmals Rechnung getragen, indem sie auf einer Tagung in Moskau ihre Absicht zur Umwandlung des Militärbündnisses in eine politische Vertragsgemeinschaft souveräner und gleichberechtigter Staaten bekundet hatten. Die DDR verließ den Warschauer Pakt im Zuge der Wende dann bereits am 24. September 1990, indem sie durch vertragliche Regelung mit der Sowjetunion die Herauslösung ihrer NVA-Truppenverbände aus den Vereinigten Streitkräften des Militärbündnisses erzielte. Das veranlasste Oppositionelle in Staaten wie Ungarn, Polen oder der Tschechoslowakei Ende 1990 dazu, nicht nur den Austritt aus dem Warschauer Pakt, sondern sogar das Unterschlüpfen unter das Schutzschild der Nato zu verlangen. Ein Ziel, das in den folgenden Jahren erreicht wurde, schließlich sind inzwischen alle Gründungsstaaten des Warschauer Paktes – mit Ausnahme des heutigen Russlands als Rechtsnachfolger der Sowjetunion – der Nato beigetreten. Genauso wie die ehemaligen Sowjetrepubliken Lettland, Estland und Litauen.
Entstanden war der Warschauer Pakt am 4. Juni 1955. Als offizielle Begründung für das Militär- und Sicherheitsbündnis wurde damals die im Mai 1955 erfolgte Aufnahme der Bundesrepublik in die schon 1949 ins Leben gerufene Nato und die damit verbundene Wiederbewaffnung Westdeutschlands angegeben. Ein Vorgang, der streng genommen den entsprechenden Vereinbarungen des Potsdamer Abkommens widersprach, weil darin von den Alliierten eine Entmilitarisierung Gesamtdeutschlands vereinbart worden war.
Das lieferte gleichzeitig der Sowjetunion den willkommenen Freifahrtschein dafür, die DDR als einen von acht Gründungsstaaten in das offiziell als „Warschauer Vertragsunion" oder „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand" genannte Bündnis aufzunehmen. Das Bündnis verpflichtete sich zur gegenseitigen Hilfeleistung im Falle eines Angriffs auf einen oder mehrere Vertragspartner.
Aus sowjetischer Sicht war es allerdings nicht nur als Defensivallianz gegen äußere, vermeintlich vonseiten der Nato ausgehende Aggressionen angelegt. Vielmehr war es auch ein wirksames Mittel gegen konterrevolutionäre und damit die kommunistischen Systeme der Satellitenstaaten im Innern gefährdende Umtriebe. Ein Austritt aus dem Bündnis war nicht vorgesehen, folgende Staaten waren beim Start vertreten: Albanien, Bulgarien, DDR, Polen, Rumänien, Sowjetunion, Tschechoslowakei und Ungarn. Dem sakrosankten Kriegshelden Marschall Josip Broz Tito war es nach dem Bruch mit Stalin 1948 in den 1950er-Jahren gelungen, die Unabhängigkeit Jugoslawiens trotz erheblichen sowjetischen Drucks zu bewahren und sein Land an die Spitze der Bewegung der Blockfreien Staaten zu führen.
Sonderstellung Jugoslawiens
Als wichtigstes Instrument zur Bewahrung der dauerhaften sowjetischen Hegemonie und ihres sozialistisch-kommunistischen Systems über Osteuropa wurde das Vereinte Kommando der Streitkräfte geschaffen. Wobei der Oberkommandierende stets ein sowjetischer General sein musste. Auch die starke Präsenz der Roten Armee in sämtlichen Mitgliedsstaaten außer in der Tschechoslowakei bis zum Prager Frühling 1968 sorgte für eine permanente sowjetische Drohkulisse. Die DDR-Truppen der NVA waren komplett dem Vereinigten Oberkommando unterstellt, ebenso die gesamten Luft- und Seestreitkräfte aller Mitglieder, sämtliche sowjetische Heeresverbände in den Mitgliedsstaaten sowie weitere Streitkräfte der Bündnispartner. Von der Arbeit des Politisch Beratenden Ausschusses, der die Aktivitäten des Warschauer Pakts auf oberster Ebene koordinierte, war im Alltag der Mitgliedsstaaten wenig zu bemerken. Immerhin kam das Gremium auch nur einmal jährlich in Moskau zusammen. Ob die Gründung des Warschauer Paktes auch ein gezieltes politisches Manöver im Sinne eines Tauschobjekts gewesen sein kann, wie in der Geschichtswissenschaft häufig vermutet wird, lässt sich mit letzter Sicherheit wohl kaum nachweisen. Der Hypothese zufolge soll Moskau die Auflösung des Warschauer Pakts gegen die Abschaffung der Nato verfolgt und stattdessen mit der Erschaffung eines neuen kollektiven Sicherheitssystems geliebäugelt haben.
Fast gleichzeitig mit der Gründung des Warschauer Pakts hatte Nikita Chruschtschow, Stalins Nachfolger als KPdSU-Generalsekretär, anlässlich eines Staatsbesuchs in Jugoslawien mit seiner „Belgrader Deklaration" für großes Aufsehen gesorgt. Fraglos nur Marschall Tito zuliebe hatte er konzediert, dass es „unterschiedliche Wege zum Sozialismus" geben könne und dass sich die Sowjetunion daher nicht in die inneren Angelegenheiten ihrer verbündeten Staaten einmischen würden. Letzteres war übrigens auch in der Präambel des Warschauer Pakts festgehalten worden. Wie wenig das Versprechen wert war, sollte sich spätestens bei der Niederschlagung des Ungarischen Volksaufstandes Anfang November 1956 durch die übermächtige Sowjetarmee erweisen. Freiheitliche Veränderungen und den von Ungarn am 1. November 1956 verkündeten Austritt aus dem Warschauer Pakt konnte die Sowjetunion nicht dulden. Der Gewaltakt konnte allerdings nicht dem Warschauer Pakt angelastet werden, sondern war einzig und allein eine Militäraktion der Roten Armee.
Nur Drohgebärden gegenüber Polen
Bei der Niederschlagung des von Alexander Dubček initiierten Prager Frühlings dagegen, dem weltweit viel bewunderten liberal-demokratischen Reformprogramm, handelte es sich am 21. August 1968 um eine veritable Intervention von Truppen des Warschauer Pakts. Rund 400.000 Soldaten aus der Sowjetunion, aus Polen, Ungarn und Bulgarien waren an der größten Militäroperation in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges beteiligt. Die NVA durfte am Einmarsch nicht teilnehmen, Rumänien unter Nicolae Ceaușescu verurteilte die Operation auf Schärfste. Albanien hielt sich demonstrativ abseits, sein mächtigster Mann Enver Hoxha kanzelte die Intervention als „Aggression sowjetischer Revisionisten und ihrer Satelliten" ab und erklärte am 13. September 1968 den Austritt seines Landes aus dem Warschauer Pakt. Überraschenderweise ließ die Sowjetunion Albanien gewähren und verzichtete auf einen Einmarsch von Bündnistruppen in den abtrünnigen Staat. Der hatte sich schon seit Anfang der 60er-Jahre immer wieder mit der Sowjetunion ideologisch gestritten und sich China als neuem Verbündeten angenähert.
Möglicherweise zur Kaschierung der gegenüber Albanien gezeigten Schwäche, auf jeden Fall aber als Versuch einer nachträglichen Rechtfertigung der Tschechoslowakei-Intervention, wurde am 12. November 1968 von KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew die sogenannte Breschnew-Doktrin verkündet. Mit dieser formulierte die Sowjetunion ihren Anspruch, künftig im Falle einer „Gefährdung des Sozialismus" in einem der Mitgliedstaaten des Warschauer Pakts militärisch intervenieren zu wollen. Diese Doktrin sollte durch die unerwartete Entwicklung in Polen rund um die Danziger Lenin-Werft und die Solidarność-Gründung 1980/1981 erheblich auf die Probe gestellt werden. Vor allem DDR-Staatschef Erich Honecker versuchte Moskau zu einem harten militärischen Durchgreifen in Polen zu bewegen. Doch die Sowjetunion hatte schon genug an ihrem Afghanistan-Abenteuer zu knabbern. Und eine Intervention im bekannt renitenten Polen hätte günstigstenfalls eine kurzzeitige Beruhigung der politischen Lage, aber auf jeden Fall einen erheblichen internationalen Imageverlust der Sowjetunion zur Folge gehabt.
1989 Ende der Breschnew-Doktrin
Also beließ man es bei Drohgebärden. Und schließlich begann Michail Gorbatschow ab 1985 die Doktrin immer mehr aufzuweichen – alleine schon, weil die Wirtschaft der verbündeten Ostblockstaaten durch das Wettrüsten der Breschnew-Ära am Boden lag. 1989 wurde die Doktrin schließlich offiziell aufgehoben, wodurch nicht nur die Sicherheitsgarantie der Sowjetunion für das ewig Moskau-treue Ostberliner Regime wegfiel, sondern generell der Weg frei wurde für die politischen Umwälzungen in allen anderen Mitgliedstaaten samt dem Abzug aller sowjetischen Truppen. Der Warschauer Pakt war Geschichte, „es war ein schmerzloses Ende", wie es Václav Havel, der Staatspräsident der Tschechoslowakei, treffend formulierte.