Die international erfolgreiche Designerin Lena Hoschek (39) begeistert mit femininer, an vergangene Jahrzehnte erinnernde Mode. Im Interview spricht die Österreicherin über die „Faszination Vintage", Veränderungen durch die Corona-Krise, Social Media, und sie verrät, was sie sich für die Zukunft der Modebranche wünscht.
Frau Hoschek, wie haben sich Ihr Leben und Ihr Alltag durch die Corona-Krise verändert?
Seit dem vergangenen Jahr hat sich viel für mich verändert. Vor allem aber auch, weil ich im Mai mein zweites Kind bekommen habe, das eine riesige Bereicherung für mein Leben ist. Es ist ein Mädchen geworden, und ich habe daher auch nicht meine Finger davon lassen können, eine Mini-Me-Kollektion zu machen, die gerade gelauncht wird. Ich würde sagen, ich bin seit der Corona-Krise noch ein bisschen härter im Nehmen geworden und auch bei mir in der Firma selbstständiger und unabhängiger von Fashion Weeks und Messen. Wir haben einiges umstrukturiert bei uns im Unternehmen und waren damit Gott sei Dank sehr erfolgreich.
Mussten viele Dinge verschoben werden – etwa Fotoshootings?
Die Fotoshootings waren nicht so einfach, da unsere Modelauswahl etwas eingeschränkter war als sonst. Wegen der Quarantänebestimmungen waren diesmal nicht alle Models innerhalb Europas verfügbar. Also die Model-Bookings waren tatsächlich ein großes Thema … Wir hatten dann aber trotzdem ganz, ganz tolle Mädchen und sind sehr glücklich mit den Bildern, die entstanden sind. Wir sind auch nicht gereist und haben stattdessen alles inhouse oder knapp vor den Toren Wiens produziert.
Was vermissen Sie in diesen Zeiten am meisten?
Am meisten fehlt mir mittlerweile wirklich der freundschaftliche Körperkontakt zu anderen Menschen. Hände reichen, wenn man jemanden kennenlernt. Wenn man Termine mit Kunden in der Firma hat und man ihnen nicht mehr die Hände schütteln kann, dann finde ich das auch sehr schade.
Sind durch die Krise wesentlich mehr Bestellungen über Ihren Onlineshop eingegangen?
Ja, wesentlich mehr.
Haben Sie auch Werbung vermehrt in den Onlinebereich verlagert und neue Maßnahmen des Onlinemarketings umgesetzt?
Das haben wir als Strategie ohnehin schon vor Corona verfolgt und waren deshalb auch nicht überrumpelt von Corona und den Shop-Schließungen. Wir waren eigentlich schon lange auf diesem Pfad, der sicherlich in die richtige Richtung weist und uns auch geholfen hat, dieses Jahr gut durchzukommen, ohne jemandem kündigen zu müssen.
Nutzen sie gern Social-Media-Kanäle oder sind diese nur ein notwendiges Übel?
Ich würde sagen, dass ich zu den Ersten zähle, die Social Media als Werbeplattform erkannt haben, vor über 13 Jahren.
Was sind Vor- und Nachteile von Facebook, Instagram und Co. für Sie?
Früher war Facebook eine Seite, auf der jeder, der dir folgte beziehungsweise Fan deines Unternehmens war, regelmäßig auf dem Laufenden gehalten wurde. Einfach nur, weil er dir gefolgt ist. Die Algorithmen, die mittlerweile eingebaut wurden, dienen nun aber dazu, dass Unternehmen fast gezwungen sind, platzierte Werbung zu bezahlen, um Sichtbarkeit zu erlangen. Das ist sehr schade, das hat sich zu unserem Nachteil verändert.
Sie bezeichnen sich lieber als Geschäftsfrau und Handwerkerin statt als Künstlerin. Warum?
Weil ich finde, dass ein Künstler sich selbst genügt, und ich habe auch einen unglaublichen Anspruch mein Unternehmen so zu führen, dass wir alle davon gut leben können. Wobei es natürlich auch Künstler gibt, die Unternehmer sind …
Vintage-Mode und -Interior lagen in den vergangenen Jahren stark im Trend. Was macht für Sie die „Faszination Vintage" aus?
Ich war immer schon begeistert und inspiriert von historischer Mode. Nicht nur von den 50er-Jahren, sondern auch von Mode, die weiter zurückreicht. Vor allem, weil ich auch ein großer Fan von Korsetts bin und einfach diese Linie, die Frauen früher getragen haben – Gott sei Dank müssen wir das heutzutage nicht mehr – liebe. Schneiderhandwerk, wie es das früher gegeben hat, ist heute schon fast verschwunden. Die Qualität, mit der Mode früher verarbeitet wurde, um auch lange haltbar zu sein, wird heute oft dem Design zuliebe weggedacht. Deshalb bin ich ein großer Anhänger von Schneiderhandwerk und Mode, wie sie früher einmal war, und habe mich auch deshalb dieser Art von Produktion voll und ganz verschrieben.
Ist Ihr Zuhause auch vintage eingerichtet?
Ich liebe Tapeten … Ich habe extrem viele alte Möbel, das reicht von Sachen vom Flohmarkt bis hin zu schönen Antiquitäten. Eigentlich habe ich fast gar keine neuen Möbel. Ausnahme: Stokke Kindersessel. Ich überlege gerade, was bei mir nicht alt ist … Also ja, es ist eigentlich von oben bis unten alles vintage, muss ich gestehen. Ich liebe ja Tapeten, und das Haus, in dem wir wohnen, ist ein Jugendstilhaus. Mir war es extrem wichtig, mit Tapeten von Morris zu arbeiten, um den Jugendstil auch auf den Wänden hineinzubringen, um dem Stil des Hauses gerecht zu werden. Und der Rest ist eigentlich ein wilder Mix aus allem Möglichen, alles was sich über die Jahre hinweg bei mir angesammelt hat.
Wo kann man interessante, gut erhaltene Vintage-Möbel entdecken? Können Sie ein paar Tipps geben?
Ich finde einiges auf Kleinanzeigen, Willhaben in Österreich, Catawiki, und für Sammelobjekte auf hohem Preisniveau ist Pamono sehr gut.
Um wieder zur Mode zurückzukehren… Was lässt ein Vintage-Outfit authentisch wirken?
Wir leben ja nicht mehr in den 40er- oder 50er-Jahren, aber wenn das jemand für sich als Stil entdeckt hat und das lebt, finde ich das eigentlich herausragend und ganz faszinierend. Vor allem, dass die Leute auch die Frisuren im Griff haben. Das ist nämlich wirklich eine Herausforderung für uns heutzutage, über Nacht mit Lockenwicklern zu schlafen und sich die Haare richtig in Form zu legen. Also was für ein Aufwand früher mit Haaren betrieben wurde… unglaublich. Ich persönlich gehöre nicht zu denen, die das können. Weil ich auch leider nicht die richtige Haarstruktur dafür habe. Früher hätte ich mir die Mühe viel öfter gemacht, aber das sieht bei mir leider nicht so aus, wie es aussehen soll. Ich finde es toll, wenn man Stile aus verschiedenen Epochen für sich und seinen Körper entdeckt, in denen man sich wohlfühlt und dem Ganzen dann seine eigene Interpretation verleiht, um die eigene Persönlichkeit zu unterstreichen statt zu versuchen, in irgendein Klischee oder in irgendeine Schublade hineinzupassen.
Wo kaufen sie persönlich Vintage-Accessoires wie Taschen oder Hüte?
Ich gehe wahnsinnig gerne vor allem in Berlin in Vintage-Läden. Gerade zu den Fashion Weeks habe ich auch immer geschaut, dass ich es zwischendurch mal in die Läden schaffe, um ein bisschen zu shoppen.
Wie ist die typische Lena Hoschek-Kundin? Gibt es die überhaupt?
Ich würde nicht sagen, dass es die gibt. Ich glaube aber, was all unsere Kunden gemeinsam haben, ist der sehr hohe Qualitätsanspruch und dass sie zu ihrer Weiblichkeit stehen und auch deshalb bei uns einkaufen, weil sie gesehen werden wollen.
Wovon lassen Sie sich aktuell gerne inspirieren?
Aktuell inspiriert mich Reiselust, kein Wunder. Vergangenes Jahr war es die Natur zum Lockdown Nummer eins, und jetzt kommt die Reiselust.
Haben Sie Lieblingsstücke in Ihrer aktuellen Sommerkollektion?
Das Angelique Dress ist eines meiner Lieblingskleider, und ich freue mich auch irrsinnig auf die Mini-Me-Outfits mit meiner Tochter. Die Bänderröcke für Mama und Tochter und auch die vielen Kleider, die man matchy-matchy tragen kann.
Worauf dürfen wir in der Herbst-/Winterkollektion gespannt sein?
In einer Zeit, in der man Bedürfnisse nicht offen ausleben kann, scheint man in einen tiefen Tagtraum zu versinken, der das Verlangen im Privaten ungebremst entfacht.
In der „Biedermeier"-Kollektion spiele ich genau mit diesen Spannungen und Gegensätzen – das vermeintlich Biedere bedeckt den Rebellen.
Was würden Sie sich für die Zukunft der Mode-Branche wünschen?
Viel mehr Nachhaltigkeit! Das Thema ist zurzeit zwar Gott sei Dank in aller Munde, aber meistens ist es noch ein Werbewort und nicht wirklich echte, gelebte Nachhaltigkeit. Das würde ich mir sehr wünschen und eben auch viel mehr Bewusstsein beim Konsumenten. Was kaufe ich? Brauche ich das?
Und eben diesen Gedanken sollten Kunden nicht nur bei Mode haben, sondern sich auch überlegen welche Firmen, Geschäfte, Jungdesigner, welche Läden möchten sie in Zukunft noch auf der Bildfläche sehen, in einer Altstadt zum Beispiel. Und genau diesen Unternehmen das Geld geben statt den Großkonzernen.
Womit sind Sie aktuell beschäftigt?
Aktuell bin ich damit beschäftigt, in Wien ein neues Geschäft zu eröffnen. Unser Flagship Store zieht in ein größeres Geschäftslokal in der Wiener Innenstadt.