„Sip of Berlin" vereint in seinen Cocktailboxen regionale Craft-Spirituosen fürs betreute Mixen daheim. Izabela Rosiak von der „Bar in a Jar" kreierte sie und liefert sie in ganz Berlin aus.
Der Name ist das Konzept: „Sip of Berlin" – ein Schluck Berlin. „Mindestens eine regionale Craft-Spirituose" solle in den „Home Cocktailing"-Boxen sein, die Izabela Rosiak in den vergangenen Monaten entwickelte. Fünf Boxen für den Hausgebrauch sind es seit dem Start von „Sip of Berlin" Mitte Februar geworden. Vier Portionen für zwei stecken in den Schachteln, die ins Haus geliefert werden. Mal sind die kleinen Flaschen zum Selbstmixen mit Kaffeelikör vom Freimeisterkollektiv, mal mit einem Hibiskuslikör von Markus Freytag aus Berlin, mal mit einer Stork-Rye-Rosé-Kreuzung von Spreewood Distillers aus dem Spreewald befüllt. Immer aber nehmen sie uns auf eine gedankliche und geschmackliche Reise mit, inspirieren zum Wegträumen an ferne Orte in Zeiten, in denen genau das nicht geht.
„Diese erste Serie heißt ‚Voyage, Voyage‘, weil wir alle nichts mehr vermissen als zu verreisen", sagt Izabela Rosiak. So geht es etwa mit dem „Shinkansen" und Sake per Express nach Japan, mit dem „Louisiane Rosé" nach New Orleans oder dem Mahembe Cold Brew Liquor in die „Thousand Hills" nach Rwanda.
Die Idee zu Boxen mit ausgewählten, in regionalen Manufakturen gebrannten Spirituosen habe sie schon lange gehabt, sagt Izabela Rosiak. Bis Corona gab es sie in der kleinen „Spirituosenboutique" in ihrer „Bar in a Jar" auch flaschenweise zu kaufen. Im ersten Lockdown kamen sie in einzelne Drinks und „Jars", die rustikalen Einmachgläser mit Schraubverschluss. Die frisch gemixten Cocktails wurden abends ausgeliefert. Im zweiten Lockdown sollte es mit einer Sorte je Box zum Selbst-Finishen besser handhabbar und vorzubereiten sein. Innerhalb der Stadt fahren Izabela Rosiak und ihre zwei Mitarbeiter wieder persönlich aus. Auch Unternehmen entdeckten das Home-Cocktailing bereits: Mitarbeiter bekommen eine Box nach Hause geschickt, per Zoom wird gemeinschaftlich bei Online-Events getrunken.
39 bis 42 Euro kosten die Boxen inklusive Eis
Bei unserer Probierrunde geht’s mit dem „Thousand Hills"-Set nach Ruanda. Beim Öffnen der Pappschachtel sticht eine getrocknete Birnenscheibe mit schokoliertem Bauch ins Auge, dann die Fläschchen: Rooibos Tincture, Freimeisterkollektiv Mahembe Cold Brew Liquor, Micaela Moscatel Sherry, Angostura Reserva Premium White Rum und ein Rinquinquin-Aperitif. Hört sich unübersichtlich an, ist aber verwechslungsfrei beschriftet und in der Regieanweisung genau beschrieben. Wir brauchen nichts anderes als ein Rührglas oder einen Shaker, einen Rührlöffel, ein Sieb, einen kleinen Messbecher, Pipette oder Teelöffel. Ich habe keinen „Jigger" zu Hause, doch die mittrinkende Freundin bringt den kleinen Bar-Messbecher mit. Eine Mixologen-Ausbildung oder Ausstattung ist wirklich nicht nötig. Gern grabe ich aber bei so einer liebevoll gestalteten Box meine tütigen 90er-Jahre-Martini-Gläser wieder aus!
„Ich möchte die Sets für ganz normale Leute anbieten, die ganz normal trinken wollen", sagt Rosiak. Klar, jemand, der gar kein Interesse an guten Spirituosen hat und daran, was man mit ihnen machen kann, wird eher keine Box für 39 bis 42 Euro, Profi-Eis inklusive, ordern. Aber selbst dann würde es funktionieren. „Was schwierig ist, macht man am Anfang, wie in der Bar." Also erst die Rooibos Tincture vom Löffel tropfen, dann die kleinen und zum Schluss die größeren Mengen Alkohol zugeben. Manchmal müssen wir umrechnen, etwa von den markierten zwei oder vier Zentiliter auf Milliliter. Das klappt nach etwas ehrfürchtigem Denken und anschließendem beherzten Eingießen ruckelfrei.
Der Barchefin ist eines sehr wichtig: „Verwende bitte das Eis, das du mit dem Set erhalten hast, da andere Eissorten zu schnell schmelzen und deinen Cocktail übermäßig verdünnen könnten." So steht es in der Anleitung. Die großen Würfel von „Iceman Berlin" sind kompakter und kühlen erheblich länger als es das Eis aus einer Haushaltsgefrierschale je könnte. „Gebe die Eiswürfel in das Rührglas und rühre für zwölf Sekunden um." Wir zählen runter. Alles ist ordnungsgemäß gemixt, ins vorgekühlte Glas abgeseiht und die Birnenscheibe drapiert. Wow, das sieht aus wie beim Profi!
Und es schmeckt auch so: mild, weich und rund. Der Kaffeelikör ist ein zarter Geschmacksträger, spielt sich nicht dominant nach vorne. Er verschmilzt sanft mit Sherry, Rum und Rinquinquin. Der Cold-Brew-Likör aus der Mahembe Red-Bourbon-Bohne ist einer von Rosiaks Lieblingen: „Kaffee ist noch etwas unentdeckt in Cocktails." Das ändere sich mit den „Third Wave"-Kaffees, bei denen viel Wert auf Lage, Klima, Direktanbau und schonende Verarbeitung gelegt wird. „Kaffee kann superleicht, fruchtig und elegant sein."
Selbst bei genauem Ausgießen und Bemessen der Spirituosen bleibt immer ein „Extra" übrig. Das passgenaue Ertüfteln der Mengen für vier Portionen war die größte Herausforderung, die Rosiak gemeinsam mit Piotr Sajdak, einem befreundeten Bartender aus der „Salut! Bar", bei der Entwicklung der @home-Drinks zu bewältigen hatte. „Es dürfen nicht 120 Milliliter für vier Drinks herauskommen. Die Flaschen gibt es für 100 oder 200 Milliliter." Wenn ein Probierschluck bleibt, ist das erwünscht. Aber unüberlegt oder verschwenderisch soll es nicht wirken. „Die Vorbereitung in Flaschen für zu Hause ist eine ganz andere als die für einzelne Drinks in der Bar. Alles muss sicher funktionieren und verständlich sein."
Auswahl aus 30 Craft-Spirituosen
Bald soll es noch Youtube-Videos geben. Ein Mixologen-TV mit Tutorial hätten wir bei unserer zweiten, der „Louisiane Rosé"-Box, an einer Stelle gut gebrauchen können. Nachdem wir L’Extreme d’Absenthe Bitters, Peychaud’s Bitter, Benedictine, Taylor’s Chip Dry Port und Stork Rosé Rye Aperitif „zehn bis zwölf Sekunden gerührt" und ins Glas gegossen haben, kommt die Pampelmusen-Zeste ins Spiel. Sie hatte mich im Vorfeld ins Schwitzen gebracht. Habe ich etwas im Karton übersehen? Versehentlich weggeworfen? Nein, ich muss „Zesten der Pampelmuse" organisieren. Gar nicht so einfach, eine echte einzelne Pampelmuse in meiner Hood, geschweige denn in Bio, zu finden! So wird es lediglich eine rosa Grapefruit, und ich beschließe, dass wohl eine Spalte gemeint sein soll, die wir ordnungsgemäß über dem Glas ausdrücken. Die „aromatischen Öle" haben wir damit sicher nicht herausgelöst, aber den markanten Saft. Cocktail-Anarchie in Kreuzberg!
In der zweiten Runde stellen wir fest, dass der Drink noch besser wird, wenn wir die Maraschino-Kirsche vorher abtropfen lassen. Das Getränk bleibt dann klar und ansehnlicher. Wir trinken uns in mehreren Schichten um die Kirsche herum. Je tiefer wir gelangen, desto süßer wird es, endet aber nicht zuckrig. Die Berliner Verwandte des klassischen „A La Louisiane", der im gleichnamigen Hotel in New Orleans kreiert wurde, fällt lieblicher als das Original aus. Das liegt schon allein daran, dass der von Spreewood Distillers gebrannte Roggen-Whiskey durch die wild anmutende, aber harmonische Mischung mit Rosé-Wein zu einem leichten Aperitif fein geschliffen wurde. Tolles Zeug, gern auch demnächst pur auf Eis! Wie schön, dass der Probierschluck übrig bleibt! „Eine Blend von Whiskey und Roséwein ist verrückt, aber die drei von Spreewood Distillers wissen genau, was sie machen", sagt Izabela Rosiak. Finde ich auch. Der „Rosé-Rye" zählt, so fancy er klingt, definitiv zu den anfängertauglichen Aperitifs und eignet sich perfekt für den Aufbau einer heimischen Kleinbar. Trinkt sich gut weg, bleibt nuanciert und macht nur auf Eis selbst beim corona-konformen „Sipping" im kleinsten Kreis was her.
Izabela Rosiak hat an die Orders fürs Erneut-Trinken oder zum Selbst-Mixen gedacht: 30 Craft-Spirituosen sind über „Sip of Berlin" online bestellbar. Damit die Boxen nicht langweilen, soll alle sechs Monate eine neue Edition aufgelegt werden. Ein Button „Not Alcohol & Still Great" ist bereits sichtbar und wird gewiss bald mit ausgewählten Botanicals und „Ohne"-Spirituosen fürs reuelose Vergnügen gefüllt. Ob komplette Box oder einzelne Flaschen – das Konzept, gedanklich in die Ferne zu schweifen, lädt so paradoxerweise zu geschmackssicheren regionalen Entdeckungen ein. Es ist bestens für das baldige terrassen- und balkontaugliche gepflegte Trinken geeignet. Die situationsbedingte Vorsicht wird ein Übriges tun, das Sofa oder den Liegestuhl weiterhin als attraktiven Ort wahrzunehmen. „Sip of Berlin" liefert die passenden Hauptstadt- und Umland-Spirituosen sowie die Drinks dazu – eine Win-win-Situation für die Bar-Besitzerin und die @home-Gäste gleichermaßen. Weitere Informationen über Sip of Berlin finden Sie unter www.sipofberlin.de.