Er wollte nur, dass die Welt weiß, dass er existiert – dies ist ihm nun gelungen. „Dolemite Is My Name" ist die komödiantische Biografie über Rudy Ray Moore. In der Netflix-Produktion überzeugt Eddie Murphy auf ganzer Linie.
Er war Komiker, Schauspieler, Musiker und Filmproduzent: Rudy Ray Moore. Der 1927 in Arkansas geborene Schallplattenverkäufer versuchte sich in den 60er-Jahren bereits als Sänger – erfolglos. Anfang der Siebziger entwickelte er als Stand-up-Komiker die Rolle des Dolemite, einen derb fluchenden, gewalttätigen Zuhälter. Die in seinem Wohnzimmer aufgenommenen Platten entwickeln sich zu kleinen Erfolgen und ermutigen das Improvisations-Genie. Geradezu berauscht möchte er seinen Pimp auf die große Leinwand bringen. Das ist die Ausgangssituation für die Netflix-Eigenproduktion „Dolemite Is My Name". Zwar wird Hauptdarsteller Eddie Murphy derzeit nicht müde zu betonen, dass sein gerade erschienener Amazon-Streifen „Der Prinz aus Zamunda 2" sein Comeback sei. Doch bereits für die Rolle des Dolemite unterbrach er eine mehrjährige Pause – und trumpft furios auf. Es ist einfach mitreißend, wie er als mittelprächtig begabter Darsteller seine komplette Crew antreibt, um seinen Traum zu verwirklichen. Völlig unverständlich, dass er für diese Leistung nicht für einen Oscar nominiert war.
Mittelprächtig begabt, aber willig
Rudy Ray Moore scheint der Einzige zu sein, der genau weiß, was sein Publikum möchte: Gewalt, Vulgarität und nackte Tatsachen. Das alles gibt er seiner wachsenden Fangemeinde in seinem Debüt „Dolemite". Der Weg von den Dreharbeiten zum fertigen Film folgt narrativ der Formel von ähnlichen Filmen wie „Ed Wood" von Tim Burton oder „The Disaster Artist" von und mit James Franco. Jedem Problem wird mit unerschütterlichem Glaube an sich selbst und jeder Menge Improvisationskunst sowie nicht enden wollendem Optimismus begegnet.
Die Dreharbeiten finden in einem Hotel statt, das man nicht bezahlen kann? Man verspricht den Eigentümern ganz einfach, die dort lebenden Junkies zu vertreiben und ordentlich aufzuräumen. Außerdem kündigt Rudy Ray Moore seine Wohnung, um nach den Drehs dort zu leben. Die Steckdosen funktionieren nicht? Dann muss halt jemand aufs Dach krabbeln und den Strom vom Verteiler abzwacken. Niemand hat Schauspielerfahrung? Egal, Enthusiasmus hat schon so manche verzwickte Situation ins Gute kippen lassen.
Ins Gute kippt da beispielsweise auch die angespannte Beziehung zwischen dem Hauptdarsteller und Regisseur D’Urville Martin. Dieser wird grandios von Wesley Snipes gespielt, der bei den Oscars ebenfalls sträflich vernachlässigt wurde. Der blasierte, aufgeblasene Charakterdarsteller, der in einigen Filmen achtbare Erfolge feierte, wird in einem Nachtclub als Regisseur Für „Dolemite" engagiert. Er kümmert sich jedoch eher wenig um seine Aufgabe, da er sich offensichtlich schämt, dabei zu sein. Nur am Ende, wohl selbst durch die Euphorie am Set angesteckt, gibt er seinem Hauptdarsteller eine Regieanweisung. Vielleicht auch nur, weil er dann als Darsteller selbst eine Szene mit ihm hat.
Eine Liebeserklärung an Moores Werk und beste Rolle
Wie auch immer, der Film „Dolemite" wird nach Anlaufschwierigkeiten unerwartet doch noch ein ziemlicher Erfolg. Die selbst organisierte Vorstellung in einem Mitternachtskino läuft so gut, dass sich ein richtiger Filmverleih dem Streifen annimmt und ihn landesweit in die Vorort-Kinos bringt, wo fast nur Afroamerikaner wohnen. Diese sind von den Obszönitäten und dem großmäuligen Auftreten von Rudy Ray Moore als Dolemite begeistert.
Bis Anfang der 2000er-Jahre schlüpfte Moore noch mehrmals in die Rolle und verewigte sie auch auf einigen Liedern. Mit 81 Jahren starb er 2008 an einer Diabetes-Erkrankung. Die fulminante Liebeserklärung an sein Werk und vor allem an seine Person hat er also leider verpasst. Sicher hätte es ihn gefreut, wie nuanciert Eddie Murphy ihn darstellt. Wie er beispielsweise die Wut auf seinen Vater aufzeigt, der ihn immer nur als Nichtskönner dargestellt hat. Oder wie er seine Augen leuchten lässt, als er – das Großmaul! – wegen der völlig ausverkauften Premiere schlicht sprachlos ist.
Gerade die vulgäre Gossensprache in den manchmal schiefen Reimen hat zahlreiche Künstler beeinflusst. So sehr sogar, dass Moore auch als „Godfather of Rap" bezeichnet wird. Die unaufgeregte und fokussierte Regie führte Craig Brewer, der bereits in „Hustle & Flow" eine äußert gelungene Aufsteigergeschichte inszenierte – und mit Eddie Murphy danach auch in „Der Prinz aus Zamunda 2" zusammenarbeitete. Der Soundtrack überzeugt mit funkigen Grooves. Ausstattung, Kostüme und Make-up sind ebenfalls top.