Matthias Maurer ist der nächste Deutsche im All. Voraussichtlich im Herbst wird der 51-jährige Saarländer zur Raumstation ISS fliegen. Im Interview spricht er über seine aktuelle Mission, seine Aufgaben im All und künftige Herausforderungen.
Herr Dr. Maurer, zunächst einmal Glückwunsch, dass Sie im Herbst dieses Jahres zur ISS fliegen werden. Gibt es bereits ein genaues Terminfenster?
Das Zeitfenster ist der gesamte Herbst. Genauer geht es nicht. Das liegt daran, dass wir mit neuartigen amerikanischen Kapseln starten. Die sind noch ein bisschen in der Erprobungsphase. Da gibt es noch Schnittstellen zwischen Space X und der Nasa. Denn Space X verwendet auch wiederaufbereitete Raketen. Mein Kollege Thomas Gautier Pesquet wird im April starten, dann auch mit einer recycelten Kapsel. Sowohl die Rakete, die erste Stufe, als auch die Kapsel waren schon mal im Weltraum. Die sind refurbished worden, wie man es nennt. Das führt natürlich dazu, dass die Nasa nochmal extra auf die Sicherheit schaut, und deshalb kommt es zu einer leichten Verzögerung in der Planung. Aber sobald Thomas im April oder vielleicht etwas später Anfang Mai gestartet ist, weiß ich dann auch genau, wann ich starten werde. Das wird dann ziemlich genau sechs Monate später sein.
Der Flug wird mit einer Rakete des privaten US-Unternehmens Space X erfolgen. Also nicht mit einer russischen Sojus-Rakete mit ihrer bewährten Technik. Was ist bei Space X anders?
Na gut, Space X ist 50 Jahre moderner. Sojus ist sehr erfolgreich, sehr robust, aber natürlich von der Technik von den Anfangszeiten her geprägt. Die Crew hat dort sehr viel Interaktion. Es gibt sehr viele mechanische Elemente, die die Crew bedienen muss. Die Ausbildung ist länger. Die Kapsel ist enger, und es passen nur drei Astronauten oder Kosmonauten in die Sojus-Kapsel. Die Space-X-Kapsel ist ganz hochmodern, fliegt eigentlich vollautomatisch. Die Astronauten müssen nur noch die Systeme überwachen und können dann entscheiden, wann sie manuell eingreifen möchten. Das ist natürlich auch möglich. Die Kapsel ist größer. Sie hat Platz für vier Astronauten. Nachteil der Space-X-Kapsel ist, dass sie nur im Wasser landen kann, also nicht an Land. Aber das, sage ich mal, ist nur ein kleiner Nachteil für die Astronauten. Eine Landung an Land ist natürlich angenehmer. Man kommt ja nach sechs Monaten aus dem Weltraum zurück, wird ganz schön durchgeschüttelt und muss sich erstmal an die normale Schwerkraft auf der Erde gewöhnen. Wenn man im Wasser landet, dann kommt noch der Zusatzeffekt hinzu, dass man vielleicht seekrank werden kann. Und das braucht man eigentlich nicht, wenn man sich gerade wieder an die Schwerkraft gewöhnen muss.
Sie haben sich für Ihre Mission das Motto „Cosmic Kiss" ausgewählt. Was wollen sie damit ausdrücken?
Ich möchte damit ausdrücken, dass die Menschen schon seit jeher fasziniert sind vom Weltraum. Die Menschen schauen in den Nachthimmel, schauen auf die Sterne, auf den Mond und stellen sich seit Jahrtausenden immer wieder die gleichen Fragen: Wie ist das alles da draußen entstanden –
das Universum? Wie ist das Sonnensystem entstanden, der Mond entstanden? Gibt es Leben da draußen, und wieso gibt es jetzt speziell Leben auf der Erde? Diese Fragen, das wissen wir zum Beispiel anhand der Himmelsscheibe von Nebra, sind seit 4.000 Jahren bei den Menschen im Gespräch. Und das ist für mich ein ganz klarer Beleg, dass diese Faszination für den Weltraum schon immer dagewesen ist. Ich möchte dieses Erlebnis, dieses Gefühl, diese Emotion, was ich erleben darf, nämlich in den Weltraum zu fliegen, das möchte ich mit den Menschen teilen. In den Interviews werde ich immer wieder darauf angesprochen und gefragt: Wie fühlst du dich? Und ich erkenne daraus, dass die Menschen für sich selbst erkennen wollen: Wie würde ich mich fühlen, wenn ich im Weltraum wäre?
Sie haben Ihr Trainingsprogramm mehr oder weniger abgeschlossen. Was kommt jetzt noch bis zum Start?
Das Trainingsprogramm für die Internationale Raumstation ISS habe ich mehr oder weniger abgeschlossen. Aber es steht noch ein bisschen Kapseltraining an. Dazu noch ein Training zum Thema Außenbordeinsatz an der Raumstation. Und dann natürlich auch das Wichtigste und der Hauptgrund, warum ich in den Weltraum fliege: die Wissenschaft, die Experimente, die ich dort durchführen werde. Diese Experimente werden üblicherweise in den letzten sechs Monaten vor dem Start trainiert, damit das ganz frisch im Kopf ist. Damit man genau weiß, was man macht. Aber auch, weil sich die Auswahl der Experimente immer nochmal verändern kann.
Können Sie einige Beispiele für diese Experimente nennen?
In der Regel haben wir eine Teilnahme von 100 bis 150 Experimenten. Das sind Experimente im Bereich Werkstoffwissenschaften, das ist ja mein Kerngebiet als studierter Werkstoffwissenschaftler. Dann Lebenswissenschaften, also Medizin und Biologie. Denn besonders unter Schwerelosigkeitsbedingungen passiert ja sehr viel im menschlichen Körper. Außerdem Flüssigkeitsphysik, also Strömungen von Flüssigkeiten in der Schwerelosigkeit. Aber auch Verbrennungen unter Schwerelosigkeit. Wichtig ist auch, neue Legierungen bei Schwerelosigkeit zu erschmelzen, um später auf der Erde optimale Legierungen zu erzeugen für effizientere Motoren im Auto, aber auch im Flugzeugbau. Mit dem Ziel: stabiler und leichter.
Blicken wir in die Zukunft. Die Nasa will 2024 wieder Astronauten zum Mond bringen. Wäre das ein Traum von Ihnen, irgendwann dabei zu sein?
Natürlich. Der Mond ist ein großes Ziel aller Astronauten. Damals 1969 auf dem Mond zu landen ist auch für unsere heutige Generation immer noch spannend. Wir möchten aber heute im Unterschied zu damals nicht nur hinfliegen und eine Flagge aufstellen, sondern nachhaltig auf dem Mond bleiben. Wir möchten auf dem Mond lernen, die Ressourcen, die wir dort finden, zu nutzen, um zum Beispiel Treibstoff für Raketen zu erzeugen, um Atemluft zu erzeugen, um Trinkwasser zu erzeugen und um Baustoffe für unsere Mondstation zu erzeugen. Das alles müssen wir auf dem Mond lernen. Das wird nicht leicht, aber nur dann können wir den Mond nachhaltig erkunden. Das nächste Ziel nach dem Mond wird der Mars sein. Der kürzlich gelandete Rover der Nasa hat schon Experimente dabei, die auch für die bemannte Mission ganz wichtig sind. Der Rover hat ein Experiment dabei, das heißt Moxie und zielt darauf ab, in der Atmosphäre vom Mars, die ja nicht für Menschen geeignet ist, zu atmen, Sauerstoff herauszuziehen, den wir später für Astronauten nutzen können.
In welchen Zeitdimensionen muss man nach Ihrer Meinung denken, bis Menschen zum Mars fliegen können?
Wir sind vor mehr als 50 Jahren auf dem Mond gelandet, und dass wir seitdem nicht mehr dort waren, liegt nicht daran, dass es zu kompliziert ist, sondern dass es schon ein gewisses Budget erfordert, dorthin zu fliegen. Das wurde von den Regierungen in den vergangenen Jahrzehnten leider nicht zur Verfügung gestellt. Deshalb ist hier wenig Fortschritt erzielt worden. Wir sind jetzt an einer Wende. Wir hoffen, dass in den 20er-Jahren bei dem jetzigen Budget eine Landung auf dem Mond bis 2028 erfolgen wird. Dann haben wir dazu auch noch die Privatindustrie. Visionäre wie Elon Musk mit Space X, der ja den Transport für Astronauten und auch Nachschub zur ISS ermöglicht. Und er baut jetzt auch schon neue Raumschiffe, mit denen er dann zum Mars fliegen möchte. Er hat vor Kurzem in einem Interview gesagt, er möchte in sechs Jahren bemannt zum Mars fliegen. Ich halte das für extrem ambitioniert. Ich persönlich denke, dass wir darauf noch mindestens 20 Jahre warten müssen, aber dass ich das definitiv noch zu meinen Lebzeiten erleben werde. Aber als aktiver Astronaut gehe ich eher davon aus, dass ich oder meine Kollegen noch die Möglichkeit haben, zum Mond zu fliegen und auf dem Mond zu landen. Die Erkundung des Mars ist dann eine Frage für die nächsten Astronautengenerationen.
Zum Schluss noch eine saarländische Frage. Die Saarländer haben über ein ISS-Menü für Sie abgestimmt: Rehragout mit Rahmwirsing und eine Riesling-Kartoffelcreme-Suppe. Wie muss man sich das vorstellen. Ist das letztlich dann doch ein Granulat, das in Wasser aufgelöst wird?
Das Essen, das wir oben haben, ist meist ein bisschen feucht, ich will nicht sagen pampig, damit es zusammenhält. Das Essen kommt entweder getrocknet an, also gefriergetrocknet in einem Beutel. Dann fügen wir Wasser hinzu, danach können wir es löffeln. Das gute saarländische Essen ist aber in der finalen Konsistenz in Dosen verpackt. Es geht bereits Mitte des Jahres hoch, und dann wird das oben in einem Food Warmer erhitzt. Danach kann ich die Dose rausnehmen und das Gericht aus der Dose löffeln. Das ist vom Flair her so ein bisschen wie in Schülerzeiten beim Camping mit einer Dose Ravioli. Aber in diesem Fall mit super Essen aus dem Saarland.