„Als ich Rio Reiser zum ersten Mal gehört habe, war ich auch zum ersten Mal überhaupt tief berührt von deutschsprachigem Songwriting. Ich habe viel Dylan, Elvis Costello und David Bowie gehört, aber wenig Deutschsprachiges. Es hat mich total mitgenommen, dass man auf Deutsch so schreiben kann", sagt Judith Holofernes von Wir sind Helden. Ihre 2003er-Live-Version von „Halt dich an deiner Liebe fest" hat entsprechend viel Herzblut – und Ehrfurcht.
Sie ist eine von insgesamt 19 Coverversionen kultiger Rio-Reiser- und Ton- Steine-Scherben-Songs, die sich auf diesem bemerkenswerten Tribute-Sampler befinden. „Wir müssen hier raus" versammelt neben einem Dutzend bereits veröffentlichter Ehrerweisungen auch acht exklusive Aufnahmen. Tatsächlich ist es ein Großteil der „Crème de la Crème der politischen Popkultur" Deutschlands, die ihr engagiertes Stelldichein gibt. Nicht alle können überzeugen (Bosse und Jan Delay zum Beispiel), auf jeden Fall aber: Die genialen Fehlfarben mit „Nicht noch mal". Ohnehin kam diese Combo dem Scherben-typischen Furor schon mit ihrem eigenen epochalen Debüt „Monarchie & Alltag" (1980) so nah wie niemand sonst seither. Großartig geriet auch das von Die Sterne sehr eigenwillig interpretierte „Wenn die Nacht am tiefsten". Wie nebenbei konnte die Band hier ihren Namen im Text aufgreifen. Das weniger bekannte „Morgenlicht" wird von Rocko Schamoni mit wuchtiger Soul-Grandezza aufgeladen. „Ich bin müde" erfährt durch Fettes Brot ein erfreulich uncooles Pop-Upgrade. „Schritt für Schritt ins Paradies" wird von Die Höchste Eisenbahn wunderbar uneitel und unaufgeregt zugleich raffiniert präsentiert. Auch Patrick Richardt gelingt mit einer mutigen Wahl („Der Traum ist aus") ein Volltreffer. Zart klingt das Album aus: Lina Maly entführt Rio Reisers „Zauberland" in Pop-Jazz-Gefilde, bevor dieser selbst den Reigen mit einer zeitlos berückenden Piano-Version von „Der Krieg" beschließt.
Der beste Beitrag von „Wir müssen hier raus"? Zweifellos der Originalsong von Ton Steine Scherben! Schließlich hat nie jemand wieder seinen Frust so zwingend und poetisch rausgehauen und -gebrüllt.