Sexy, smart und dazu noch super erfolgreich. Das amerikanische Model Kaia Gerber inspiriert neben ihren Catwalk-Looks auch mit ihrem lässigen Street Style.
Sie liest. Nicht, dass andere Models und Influencerinnen das nicht auch täten. Für sie ist dies jedoch so selbstverständlich und lebenswichtig, dass viele ihrer Insta-Fotos sie mit einer Vielzahl an altmodischen, weil gedruckten Büchern zeigen. Dazu kommen Momentaufnahmen aus Buchläden, Buchempfehlungen, und als literarisch-soziales i-Tüpfelchen gründete sie im Lockdown auch noch einen virtuellen Buchclub. Muss man noch erwähnen, dass sie eine Einser-Schülerin ist? Als antike Göttin wäre Kaia Gerber wohl eine Mischung gewesen aus Thot, dem altägyptischen Gott des Wissens, und Aphrodite, der altgriechischen Göttin der Liebe, Lust und Schönheit. Als Kind der Neuzeit kommt sie vom Mode-Olymp. Ihre Mutter ist keine Geringere als Cindy Crawford, eines der Supermodels der 1990er-Jahre. Vater Rande Gerber, ein Unternehmer, der früher auch modelte, hat seinen Teil an Aussehen und Erziehung beigesteuert. Selten wird Schönheit so direkt an zwei Kinder weitergeben wie im Fall von Kaia und ihrem ebenfalls modelnden zwei Jahre älteren Bruder Presley.
So lange ist die 19-jährige US-Amerikanerin noch nicht im Model-Business, dennoch kennt die ganze Welt inzwischen ihr Gesicht. Als Zehnjährige hatte sie ihr erstes Shooting für Versace Kids, der Kinderlinie des italienischen Modelabels. Das aber, so die Entscheidung von Mutter Cindy, war eine einmalige Sache für dieses junge Alter. Danach hieß es wieder Schule und Kind sein – abseits des Rampenlichts, in dem ihre Mutter auch nach der Supermodel-Ära noch immer steht. Mit 13 sollte der Einstieg mit einem Modelvertrag von IMG Models und Editorials von „Teen Vogue" und „Vogue" immer noch die Ausnahme von der Regel sein. Mit 16 dann das Modeln als Paralleluniversum zur Schule und das aus dem eigenen Wunsch heraus, jedoch gut vorbereitet und unter der Fittiche von Cindy Crawford. Ihr Runway-Debüt absolvierte sie bei Raf Simons erster Calvin-Klein-Show. Ein Jahr später, 2018, lief sie mit ihrer Mutter bei der New York Fashion Week. Dazu Werbekampagnen für Marc Jacobs, Calvin Klein, Versace oder Miu Miu sowie Covershootings etwa für die „Vogue". Modeikone Karl Lagerfeld fotografierte sie für Handtaschenkampagnen von Valentino und Chanel.
Im Herbst 2019 gaben sie und ihre Mutter ein gemeinsames Interview auf dem „Vogue"-Panel Forces of Fashion. Eine spannende Zeitreise in die Modewelt, die Cindy Crawford einst als ahnungsloses, ungeschminktes Mädchen aus dem Südwesten der Vereinigten Staaten betrat. Sie kannte niemanden in New York. Anders als Tochter Kaia, die konnte die Fashionwelt, real und via Social Media bereits kennenlernen. Wenn Cindy ihren Job erledigt hatte, konnte sie untertauchen. Für Kaia und die heutige Model-Generation geht das nicht. Man müsse die ganze Zeit performen, sagt sie, nicht nur im Job, auch Privates wollten die Follower erfahren. Kaia weiß, dass ihre Mutter sie immer noch beschützt, auch wenn, und da sind sich beide einig, jede ihre eigenen Erfahrungen im Business machen muss. Cindy begleitet ihre Tochter auf Reisen, etwa nach Paris, auf denen sie ungemein viel Spaß hätten, erzählen beide. Und immer noch lernt Kaia gerne von ihrer Mutter.
Auch privat muss Kaia performen
Es ist erstaunlich, wie die damals gerade 18-Jährige diese Situation gemeistert hat. Gast in einer Talkshow zu sein bedeutet dann doch etwas mehr, als wortlos einen Foto- oder Laufsteg-Job zu absolvieren. Sie spricht überlegt und erwachsen, mit dem Charme einer jungen aber auch reifen Frau. Kaia sagt, die Leute würden über sie sagen, sie sei eine alte Seele in einem jungen Körper. Man glaubt es ihr sofort.
Kaia Jordan Gerbers Auftritte in den sozialen Medien sind nicht laut. Sie ist eine klassische Schönheit mit jeder Menge Ausstrahlung. Die Kindfrau, die weiß, was sie will – und dass ist mehr, als nur ihr schönes Gesicht und ihren schlanken Körper zu vermarkten. Dahinter steckt ein schlaues Köpfchen, gut erzogen und mit wichtigen Werten wie Höflichkeit, Respekt, Empathie und Humor ausgestattet. Mehr als nur ein Grund also, warum sie auf sechs Millionen Follower auf Instagram kommt. Sie postet nicht nur Glamouröses vom Catwalk oder von Shootings, sondern ebenso Familienbilder, Fotos einer unbeschwerten und fröhlichen Kindheit; wie sie mit ihrem Vater Gitarre spielt, wie sie malt, Cookies backt, sie zeigt ihren Hund, den gern auch mit Sonnenbrille, und postet Schwarz-Weiß-Fotos von Filmikonen wie Audrey Hepburn oder Marlon Brando. Als California Girl, geboren in Malibu, dürfen auch Bilder vom Strand und am Pool nicht fehlen. Aber da ist eben auch die schlaue Tochter von Cindy Crawford: Sie hat die Deadlines der US-Bundesstaaten für die jüngste Präsidenten-Wahl gepostet, und immer wieder ist das Thema Literatur präsent, so mit der Novelle „Normal People", einer Empfehlung ihres Buchclubs. Sie liest nicht nur, sie schreibt auch. Kreatives Schreiben sei ihr Lieblingsfach in der Schule gewesen. Auch an der Schauspielerei ist sie interessiert, hat mit 15 Jahren im Film „Sister Cities" mitgespielt. Gerade hat sie ihre erste große Filmrolle in Hollywood klargemacht: In der zehnten Staffel der „American Horror Story" soll sie die Hauptrolle spielen.
Dazu hat sie ein Faible für Musicals und trainiert mehrmals wöchentlich Hip-Hop – also ungemein viel Interesse und Leidenschaft. Sie ist überzeugter und überzeugender Kunstfan, was ihr vor zwei Jahren auch eine besondere „Vogue"-Story eingebracht hat: einen im New Yorker Kunstmuseum Frick Collection gedrehten Spot, Buchszenen inklusive.
„Tochter von" zu sein, reicht nicht
Seit ihrem Model-Start interessieren sich die Medien natürlich auch für Kaias Liebesleben. Die Welt hat ihren ersten Freund kennengelernt, das Model Fenton Merkell. Nun gibt es einen neuen Mann an ihrer Seite, den „Euphoria"- und „The Kissing Booth"-Star und Schauspieler Jacob Elordi. Im November machten die beiden ihre Beziehung auf Instagram offiziell. Ihre Freundinnen, z. B. das bisexuelle Model Cara Delevingne, mit der sie sich händchenhaltend auf einer „Black Live Matters"-Demo zeigte, präsentiert sie ebenfalls der Öffentlichkeit. Die „Tochter von" zu sein reicht dabei nicht, sonst wäre sie längst als Eintagsfliege im Scheinwerferlicht verglüht. Im Gegensatz zum Newcomer-Model von Deutschlands Model-Mama bringt sie alle Voraussetzungen mit. Nummer eins die Größe, 1,77 Meter. Unter 1,70 Metern läuft im Big Business nichts. Dennoch wird Leni Klum trotz ihren 1,68 Metern zumindest wegen ihrer Mutter eine Chance eingeräumt, die anderen hübschen, jungen Mädchen mit diesem Maß verwehrt wird.
Bei Kaia Gerber ist die Liste der schön anzuschauenden Attribute lang. Die markanten Wangenknochen, das ebenmäßige Gesicht, die dunkelbraunen Augen, das glänzende dunkle Haar – ein ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnittenes Schneewittchen der 2020er-Jahre, das jedoch keinen hundertjährigen Schlaf hinlegt, sondern ihr Leben, aktiv mit Spaß an der Sache, Ehrgeiz und Professionalität gestaltet.
In einem Interview hat sie gesagt, dass sie, wenn sie Fotos ihrer Model-Mama im gleichen Alter sehe, nicht finde, dass eine Ähnlichkeit bestehe. Falsche Bescheidenheit? Wohl eher nicht, sondern die Bewunderung einer Tochter für ihre schöne Mutter und echte Bescheidenheit und Stärke, die sie ebenso lange im Mode-Olymp halten könnte wie ihre Mama Cindy Crawford.