Mercedes-Superstar Lewis Hamilton hat Red-Bull-Herausforderer Max Verstappen zum Formel-1-Auftakt in Bahrain auf der letzten Rille niedergerungen. Sebastian Vettel erlebte in seinem grünen Aston Martin mit Platz 15 ein rabenschwarzes Wochenende. Debütant Mick Schumacher beendete das Rennen im Haas-Boliden als 16. und Letzter.
Mercedes-Boss Toto Wolff konnte es nicht fassen, reckte vor dem Fernseher in der Box immer wieder beide Arme mit geballten Fäusten in die Höhe und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Ja", sagte er, „der Sieg von Lewis hing am seidenen Faden." Und da hing in der Tat Hamiltons 96. Triumph und sein fünfter Erfolg in Bahrain. Der Brite rettete in einem atemberaubenden Duell-Krimi mit Herzschlagfinale auf der letzten Rille seine Haut – 0,7 Sekunden vor Max Verstappen im Red Bull. Eigentlich ist es doch wie immer – in der Vergangenheit: Am Ende gewinnt ein Mercedes. Valtteri Bottas wurde im Flutlicht am Persischen Golf Dritter und sicherte sich mit der schnellsten Rennrunde einen Zusatzpunkt. „Persönlich ist das Ergebnis für mich nicht zufriedenstellend, bei meinem langsamen Boxenstopp mit mehr als zehn Sekunden haben wir viel Zeit verloren, aber zumindest als Team haben wir mehr Punkte als Red Bull geholt", so der Finne.
„Er hing mir am ende im Getriebe und im Genick"
Für Hamilton „brauchte es etwas sehr Spezielles, um Max zu schlagen. Er hing mir am Ende im Getriebe und im Genick, das hat mir gereicht. Ich konnte ihn gerade so hinter mir halten. Das war eines der härtesten Rennen, die ich zuletzt gefahren bin", so der Brite nach seinem Sieg bei Sky. Dieser Wüsten-Triumph hatte aber eine „wüste" Vorgeschichte. Die 53. von 56 Runden war entscheidend. In Kurve vier kämpfte sich der „fliegende Holländer" Verstappen nach fulminanter Aufholjagd auf der Außenbahn an Hamilton vorbei, räuberte mit allen vier Rädern über die weiße Linie (Track Limits) und war bei seinem ungestümem Überholmanöver außerhalb der Rennstrecke – was im Rennen verboten ist. Damit hatte sich Verstappen einen unerlaubten Vorteil verschafft. Von seinem Kommandostand wurde er angewiesen, den Vorteil zurückzugeben. Der „Bulle" gehorchte und ließ Hamilton vorbeiziehen. „Das hat Max schlussendlich das Rennen gekostet", analysierte Toto Wolff. Für den Mercedes-Boss machte die Strategie den Unterschied aus. „Wir haben am Anfang eine mutige Entscheidung getroffen, um die Führung zu übernehmen, und am Ende waren die Renngötter auf unserer Seite", so Wolff in der Presseaussendung. Ex-Formel-1-Pilot und Experte Mark Surer urteilte glasklar: „Wenn ein Überholmanöver nur klappt, wenn man die Strecke verlässt, hat man einen unfairen Vorteil." Hamilton habe kühlen Kopf bewahrt und seine fahrerische Klasse bewiesen. „Der Champion gewinnt auch Rennen, die er nicht gewinnen sollte", so der Schweizer.
Verstappen sieht das Positive: „Wir konnten gegenhalten. Dieses Jahr können wir endlich von Anfang an mit Mercedes um den Sieg kämpfen. Ich denke, wir als Team sind noch nie so gut vorbereitet in eine Saison gestartet." Der Niederländer schnappte sich die erste Eröffnungs-Pole des Rennstalls seit 2013 in Australien. Dass der „Bullen"-Bolide Potenzial hat, bewies Sergio Perez. Der mexikanische Neu-Kollege von Verstappen wühlte sich nach Elektronikproblemen nach seinem Boxenstart durchs Feld auf Platz fünf.
Vettel war in viele Zweikämpfe verwickelt
Tragischer Held dieses Nachtrennens war Sebastian Vettel. Der 33-Jährige erlebte bei seinem Aston-Martin-Debüt ein Rennen zum Vergessen. Er machte dort weiter, wo er in seiner Pleitensaison 2020 bei Ferrari aufgehört hatte. Begonnen hatte das verkorkste Wochenende schon mit der Qualifikation. Nach seiner schnellen Runde hätte er nach doppelter gelber Flagge eigentlich abbrechen müssen – was er aber nicht tat. Das Ignorieren kostete ihn drei Strafpunkte und Rückversetzung auf den letzten Startplatz 20. Im Rennen machte er schnell sechs Plätze gut, lag zeitweise sogar in den Punkten. Seine Qualitäten bewies der „alte Seb" gegen Formel-1-Rückkehrer Fernando Alonso, als er den F1-Veteran (39 Jahre) in seinem blauen Alpine-Renault mit einem sehenswerten Manöver nach einem spektakulären Konter in die Schranken wies. Vettel war aber auch in viele Zweikämpfe verwickelt, war zeitweise Langsamster im Feld, deutlich langsamer als Debütant Mick Schumacher, und leistete sich in Runde 44 einen kapitalen, haarsträubenden (Anfänger-)Fehler. Im Kampf um Platz 13 zog Esteban Ocon im Alpine auf der Start-Ziel-Geraden an Vettel im Aston Martin vorbei. Vor Kurve eins stieg Vettel beim Anbremsen viel zu spät in die Eisen, rauschte dem Franzosen völlig unnötig ins Heck und beschädigte sich den Vorderflügel. Für diesen Blackout brummten ihm die Kommissare eine Zehn-Sekundenstrafe auf, was am Ende Platz 15 bedeutete. Zudem erhielt er noch zwei Strafpunkte, sodass Vettel mit insgesamt fünf Punkten auf dem Strafenkonto aus der Wüste düste. Zur Erinnerung: Bei zwölf Strafpunkten gibt es eine Rennsperre. Sein Teamkollege Lance Stroll, Sohn von Aston-Martin-Teilhaber und Multimilliardär Lawrence Stroll, heimste als Zehnter einen WM-Punkt ein. „Es war ein schwieriges Rennen. Ich denke nicht, dass Punkte realistisch waren", analysierte der viermalige Weltmeister Vettel. Er glaube aber, dass „wir jede Menge gelernt haben und wissen, wo wir uns verbessern können." Offen bekannte er nach seiner mauen Vorstellung nach seinem ersten Wochenende in Grün bei Sky: „Ich fühle mich nicht zu Hause im Auto, viele Dinge kämpfen da gegen mich, sodass ich mich nicht aufs Fahren konzentrieren kann. Es gibt noch vieles, was meinen Rhythmus bricht. Das macht es schwierig, was das Gefühl im Auto angeht und das Gefühl, was ich als Fahrer brauche, um schnell fahren zu können." Er sehe sich mit dem neuen Auto bei weniger als 50 Prozent, „es gibt viele Dinge, um die wir uns kümmern müssen", so die Erkenntnis des 53-maligen Grand-Prix-Siegers.
In Imola gibt es mehr 90-Grad-Kurven
Unauffällig und unspektakulär verlief der Formel-1-Einstand von Mick Schumacher. Trotz eines Drehers in Runde vier befreite sich der Debütant aus dem Kiesbett und hechelte dem Feld hinterher. Immerhin aber sah der 22-Jährige in seinem unterlegenen Haas-Boliden als 16. und Letzter die Zielflagge. „Ich bin natürlich nicht so happy, wie ich sein könnte, weil ich einen Fehler gemacht habe", gesteht der Rookie. Er sei zu „enthusiastisch" gewesen, „aber ich habe definitiv etwas gelernt, habe viel mitgenommen, worauf ich aufbauen kann", so der Jung-Schumi. Er sei aber zu 95 Prozent zufrieden. „Ich bin froh, dass ich das Rennen zu Ende fahren konnte." Im Gegensatz zu seinem Stallrivalen Nikita Mazepin. Dessen F1-Debüt war schon nach 24 Sekunden beendet. Der Russe (22) rutschte nach 500 Metern in einen Reifenstapel und musste mit seinem beschädigten Auto aufgeben. Im Duell der beiden Haas-Rookies steht es also 1:0 für Schumacher. Haas wird 2021 bestenfalls um den vorletzten Platz kämpfen. Teamchef Günther Steiner: „Wir werden maximal mit Williams kämpfen können. Ich bin da sehr realistisch." Das Wichtigste aber sei, die Fahrer und ihre Autos für 2022 vorzubereiten. „Dann sollen die Jungs bereit sein", so der markige Südtiroler.
Mehr als Erfahrung können die Haas-Fahrer von Bahrain nach Imola nicht mitnehmen. An diesem Sonntag, 18. April, um 15 Uhr (RTL/Sky) findet dort der Große Preis der Emilia Romagna statt. In Imola herrschen wieder ganz andere Bedingungen als in der Wüste, wo Sand, Wind und die Lichtverhältnisse das Rennen erschwerten. Die beiden Strecken sind komplett unterschiedlich. In Bahrain gibt es viele langsame Kurven, in Imola sind es Hochgeschwindigkeitskurven, mehr 90-Grad-Kurven. Die hat im vergangenen Jahr Lewis Hamilton in seinem Mercedes am besten gemeistert – und das Rennen gewonnen. Rekordsieger auf dieser Strecke ist Michael Schumacher mit sechs Erfolgen. Mit Hamilton gegen Verstappen geht in Imola das Krimi-Duell in die nächste Runde. Der 36-jährige Siebenfach-Weltmeister ist voll und ganz darauf fokussiert, mit seinem achten WM-Titel alleiniger Rekordhalter zu werden. Und Herausforderer Verstappen (23) strebt in seinem siebten F1-Jahr seinen ersten Titel an. Für Superstar und Überflieger Hamilton könnte es eng werden. Soviel steht fest: Ein Selbstläufer wie in den vergangenen Jahren wird es für die Siegmaschine nicht.