Die Boten der Nachrichten sind die Medien. Statt den Verursachern – Politik, Wirtschaft, Wissenschaft – misstrauen viele den Boten und sind verunsichert. Manches, was nicht ganz wahr, aber auch nicht falsch ist, lässt sich aber nicht so leicht entschlüsseln.
Die Verunsicherungen, die Falschmeldungen auslösen können, sind gewaltig. Sie können ganze Gesellschaften spalten, bis zu Gewaltausbrüchen führen und sogar Kriege auslösen. Nicht von ungefähr ist die Rede davon, dass das „erste Opfer jeden Krieges die Wahrheit ist". Das ist bis heute so. Aber so weit muss man gar nicht gehen. Trump war ein Meister der Fake News. Er behauptet einfach, die Präsidentschaftswahl sei Betrug gewesen, obwohl er keinen Beleg dafür hatte. Damit konnte er seine Anhänger mobilisieren – bis hin zum Sturm auf das Capitol.
Zu unterscheiden ist, wenn jemand etwas behauptet, was einfach wirklich falsch ist (Misinformation). Also: Heute ist Sonntag – dabei ist Montag. Und Desinformation. Das ist eine falsche Information, die absichtlich verbreitet wird, um Menschen in die Irre zu führen und ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
In Corona-Zeiten sind Falschmeldungen ein großes Problem, besonders, wenn es um wissenschaftliche Aussagen geht. Das war bei dem Impfstoff Astrazeneca zu beobachten: Erst hieß es, er sei für über 65-Jährige nicht wirksam genug. Dann warnte die deutsche Impfkommission wegen der Thrombosegefahr sei der Wirkstoff für Frauen unter 65 nicht zu empfehlen, sondern nur für Ältere. Am 15. März wurden die Impfungen mit Astrazeneca nach einer Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts in Deutschland ausgesetzt. Zwei Wochen später gab die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) bekannt, dass der Wirkstoff ohne Einschränkungen verimpft werden kann.
Was war da passiert? Wissenschaft und Politik hatten je für sich Untersuchungsergebnisse herausgegriffen und der Öffentlichkeit präsentiert. Gelogen hat niemand, aber desinformiert, weil der Kern der Sache verdeckt wurde: Es ist wesentlich gefährlicher, sich ungeimpft durch Covid-19 anzustecken als geimpft eine Thrombose zu erleiden.
Welches Interesse hat die Nachricht?
Wahr und falsch – die Nachrichtenplattform „Correctiv" hat ein paar Regeln zusammengestellt, nach denen jeder Mediennutzer sich richten kann, wenn er meint, auf Fake News, also Mis- oder Desinformationen – zu stoßen.
• Wer verbreitet die Meldung? Hinter einem Tweed oder Post steckt ein Autor oder eine Organisation. Durch ein paar Klicks im Internet kann ich herausfinden, wer das ist und auch welche Interessen dahinter stecken. Wenn die Nachricht anonym verbreitet wird, ist das schon verdächtig. Die Quelle sollte klar erkennbar sein.
• Webseiten sollten ein Impressum haben, in dem der Urheber und der für die Seite Verantwortliche genannt wird. Wer oder was das ist, lässt sich ebenfalls leicht googeln.
• Und wenn sich eine Nachricht nicht zurückverfolgen lässt, ich aber trotzdem wissen will, was Sache ist? Wenn bei Messenger oder Whatsapp nur ein Text steht, kann man auch den bei Google eingeben und findet so heraus, wo der Text schon mal stand, in welchem Zusammenhang oder wo er abgeschrieben wurde.
• Wie seriös wirken Text und Bild? Gerade gezielte Falschmeldungen (Desinformationen) sollen emotional wirken. Reißerische Aufmachung, spektakuläre Fotos oder Fotocollagen lassen eine Meldung groß und wichtig erscheinen. Auch hier hilft eine Rückwärtssuche nach dem Originalfoto, wenn man das Bild über Google laufen lässt.
• Manchmal ganz simpel: Rechtschreib- und Grammatikfehler lassen darauf schließen, dass die Meldung von einem ausländischen Troll stammen könnte.
• Nicht einem Medium vertrauen – man ist auf der sicheren Seite, wenn mehrere Zeitungen oder Rundfunkanstalten die gleiche oder eine ähnliche Meldung verbreiten.
„Correctiv" hat neben seinen News-Kanälen eine eigene Faktencheck-Redaktion. Sie deckt täglich Falschmeldungen, Gerüchte und Halbwahrheiten auf und veröffentlicht die Ergebnisse kostenlos (https://correctiv.org/faktencheck/).
Aber was ist, wenn Journalisten Nachrichten produzieren, die weder ganz falsch noch ganz richtig sind? Markus Söder hat es so oft gesagt, aber jeder wusste, dass es nicht ganz stimmt: „Mein Platz ist in Bayern". Oder wie steht es damit, wenn Armin Laschet (CDU) über seinen Konkurrenten Söder sagt: „Wir kennen uns, wir durchschauen und wir schätzen uns"? Ist das gelogen?
Kein Wunder, dass da manche Leser genervt abwinken, weil sie das Gefühl haben, nicht ernst genommen zu werden („Die da oben machen ja doch, was sie wollen")? Schnell ist dann von Fake News die Rede, von Falschmeldungen und Desinformation.
In der Politik wird, wie im richtigen Leben, taktiert. Würde sich – anderes Beispiel – Robert Habeck einfach hinstellen und sagen: Ich will Kanzlerkandidat der Grünen werden (was er gewiss will), hätte er sofort die Mehrheit der weiblichen Grünen-Mitglieder verprellt. Wie kann er nur seine Mitstreiterin Annalena Baerbock dermaßen überfahren? Frauenfeindlich wäre noch das mildeste Urteil.
Was die ganze Sache noch unüberschaubarer macht, ist, dass der Kampf um die Kanzler-Kandidatur mit der Strategie der Pandemie-Bekämpfung verknüpft ist. Das tut einer sachlichen Pandemie-Eindämmungsstrategie natürlich nicht gut, wenn einer einen Vorschlag hauptsächlich deswegen macht, um sich zu profilieren (was ist ein „Brücken-Lockdown"?).
Viertel-, Halb- und die volle Wahrheit
Und das Publikum? Wundert sich und reibt sich die Augen. Fake News? Nein. Es wird nicht gelogen, es wird taktiert. Mit Halbwahrheiten, Ankündigungen großartiger Testzentren, schlauen Winkelzügen, dem Verweis auf die besondere Situation im eigenen Bundesland. Dass jetzt ein bundesweites Infektionsschutzgesetz mit verbindlichen Vorschriften für alle kommen soll, ist nicht zuletzt der weit verbreitetem Unzufriedenheit in der Bevölkerung geschuldet.
Einfach mal die brutale Wahrheit aussprechen, dass alles nichts bringt außer einem harten Lockdown, könnte ja das Publikum vergraulen und die Wirtschaft verschrecken. Die Rolle der Mahner überlässt man lieber Christian Drosten oder Karl Lauterbach. Was ist da passiert? Politik wird als Kunst des Möglichen begriffen. In vielen Köpfen hat sich das Mantra eingeschliffen, dass, wer es schafft, es irgendwie allen recht zu machen, die besten Chancen hat, durchzukommen und am Ende wiedergewählt zu werden. Dass dies für die Bekämpfung einer Pandemie nicht das richtige Rezept sein kann, wurde viel zu spät begriffen. Man kann es nicht gleichzeitig dem Bund der Deutschen Industrie, dem Deutschen Fußballbund und den Ärzten und Pflegern in den Intensiv-Kliniken recht machen. Nicht nur Falschmeldungen können die Öffentlichkeit verunsichern. Das schaffen Politiker auch mit zögerlichem Handeln, Halbwahrheiten und taktischen Spielchen.