Ohne die saarländischen Grundwasservorkommen würde bei uns kein Wasser aus den Trinkhähnen fließen. Umweltminister Reinhold Jost (SPD) über das bestüberwachte Lebensmittel, seine wirtschaftliche Nutzung und den „Masterplan Wasser".
Herr Minister Jost, Sie sind seit 2014 Umweltminister des Saarlandes. Welche Bedeutung spielt das Thema Grundwasser für Ihre tägliche Arbeit?
Grundwasser ist für uns die Grundlage unserer Wasserversorgung, denn nahezu das gesamte Trinkwasser im Saarland kommt aus unterirdischen Vorkommen. Das unterscheidet uns von vielen anderen Regionen in Deutschland, wo Trinkwasser auch aus Oberflächenwasser gewonnen werden muss. Das bedeutet, dass unser Trinkwasser besonders rein und qualitativ hochwertig ist, da gerade Grundwasser aufgrund der sogenannten Deckschichten – eine Bodenpassage, durch die das Regenwasser durchsickern muss – relativ gut gesichert und von äußeren Einflüssen geschützt ist.
„Nichts, was man von der Stange kaufen kann"
Dass ohne Wasser kein Leben möglich ist, unterstreicht, wie wichtig der Gewässerschutz für uns ist. Rund um das Thema Gewässerschutz ist mein Haus auch vollumfänglich für die Überwachung im Sinne eines Monitorings zuständig. In den zurückliegenden Jahrzehnten haben wir dazu ein dichtes Netz von Beprobungsstellen eingerichtet. Nicht zuletzt dadurch ist unser Trinkwasser das bestüberwachte Lebensmittel, denn wir sind in der Lage, schnell und zielgerichtet zu reagieren, wenn es denn äußere Einflüsse gibt, die die Qualität verschlechtern würden. Ein Beispiel hierfür ist die Nitratbelastung des Wassers durch das Düngen in der Landwirtschaft. Im Vergleich mit anderen Bundesländern stehen wir zwar gut da, haben aber lokal auch ein paar Probleme. So mussten wir im Sinne des vorsorgenden Grundwasserschutzes in der Region um die Leuk aktiv werden. Dort haben wir ein sogenanntes rotes Gebiet ausgewiesen, da der entsprechende Grenzwert von Nitrat, der bei 50 Milligramm pro Liter liegt, im Grundwasser überschritten wurde. Zudem haben wir ein weiteres rotes Gebiet bei Lisdorf Richtung Überherrn ausgewiesen. Zu betonen ist aber in diesem Zusammenhang, dass dadurch keine Wasserversorgung betroffen ist.
Sie und Ihr Ministerium arbeiten schon seit Längerem an einem „Masterplan Wasser", der neben der Beschreibung der aktuellen Lage auch den Blick in die Zukunft wagen soll. Dieser Plan sollte zunächst 2020 erscheinen und wurde dann aber immer weiter nach hinten, mittlerweile auf Anfang 2023, verschoben. Wo traten Probleme auf, die zu dieser Verzögerung geführt haben?
Der „Masterplan Wasser" ist nichts, was man einfach von der Stange kaufen kann, sondern ein maßgeschneiderter Designeranzug, um mal einen Vergleich anzustreben. Dabei muss eine ganze Reihe von Eckpunkten berücksichtigt werden. Außerdem arbeiten wir nicht allein als Land daran, sondern stehen im engen Austausch mit den Wasserversorgern, mit den Städten und Gemeinden und weiteren Institutionen, die im Themenbereich Natur- und Umweltschutz aktiv sind.
Und die Liste der Frage, die wir abarbeiten wollen, ist ambitioniert und lang. Wie hat sich die Gewässergüte und -menge in den letzten Jahren verändert? Welche Investitionen im Bereich der Wasserversorgung werden in den nächsten Jahren dringend notwendig? Wie entwickelt sich die jährliche Wasserneubildung?
Gleichzeitig gilt es, all das Wissen nicht bloß zusammenzuführen, dass wir jetzt seit Jahrzehnten zusammentragen, sondern es auch prognostisch, mit Blick auf sich verändernde Rahmenbedingungen, einzuordnen. Das beste Beispiel hierfür sind Folgen durch den Klimawandel, die wir zurzeit für eine Langzeitprognose nur sehr schwer abschätzen können. In den letzten drei Jahren haben wir schon einige Veränderungen zu spüren bekommen. So hatten wir sehr heiße und trockene Sommermonate. Diesen folgten zum Glück im Winterhalbjahr von Oktober bis März ausgiebige und starke Niederschläge, die dann unsere Grundwasservorkommen wieder aufgefüllt haben. Der Vegetation und den Wäldern hilft dieser Regen aber nicht, wenn zwischen April und September die bodennahen Flächen austrocknen, weil den Bäumen kein Bodenwasser mehr zur Verfügung steht.
Also noch mal zurückkommend auf den Masterplan: Schon die richtige Analyse der Ausgangslage ist nicht einfach. Zweitens findet man auch nicht auf Anhieb die richtigen Fachleute für diese wichtige Aufgabe. Drittens werden zurzeit noch Gutachten erstellt, die wir gern in unsere Arbeit einfließen lassen würden. Außerdem müssen wir europaweit ausschreiben, was den gesamten Prozess ebenfalls verlängert. Natürlich hätte ich das alles gern schneller, aber lieber gründlich als zu schnell. Ich kann aber sagen, wir sind an dem „Masterplan Wasser" dran, und ich bin guten Mutes, dass wir diesen erfolgreich zum Abschluss führen können.
Wichtig ist mir Folgendes: Auch wenn der „Masterplan Wasser" noch nicht vollendet ist, bedeutet das nicht, dass wir nicht wüssten, worüber wir beim Thema Wasser im Saarland sprechen. Wir haben sehr valide Daten und operieren seit über zehn Jahren mit einem Grundwassermodell, welches zuletzt 2016 aktualisiert wurde.
Was wird aktuell noch getan, damit die Wasserversorgung bei uns stabil bleibt und wir nicht irgendwann auf dem Trockenen sitzen?
Wir sind zum Beispiel mit anderen Bundesländern in dem Projekt Klimaveränderung und Wasserwirtschaft, kurz KLIWA, aktiv. Dabei geht es darum, die Auswirkungen von Klimawandel im gesamten Bereich der Gewässerbewirtschaftung im Blick zu behalten. Außerdem haben wir in den 90er-Jahren das ökologische Wasserversorgungskonzept, kurz ÖWAV, was damals das Nonplusultra war, auf den Weg gebracht. Wenn man so will, werden wir dieses ÖWAV jetzt mit dem schon angesprochenen „Masterplan Wasser" zur Version 2.0 weiterentwickeln.
Abseits des wichtigen Faktors Klimawandel haben sich in den letzten 30 Jahren schließlich auch andere Elemente verändert, die für uns eine Rolle spielen, beispielsweise der Wasserverbrauch. In den 90er-Jahren war der individuelle Verbrauch von Wasser im Saarland wesentlich höher, als das heute der Fall ist. Das ist eine Feststellung, die man im ersten Moment begrüßen kann. Das hat aber ganz entscheidende Auswirkungen auf die vorzuhaltende Infrastruktur, also Zuleitungen, Entsorgungsleitungen und die Vorhaltung von Kläranlagen.
„Wir haben genug Wasser im Saarland"
Außerdem haben wir mittlerweile andere Möglichkeiten und Notwendigkeiten bei dem Thema der Wasseraufbereitung. Was in den 90ern optimal oder auskömmlich war, ist heute schon nicht mehr State of the Art, sondern oftmals überholt. Ein Stichwort ist hier die vierte Reinigungsstufe für Kläranlagen.
Noch mal: Es gilt jetzt, Wissen und Daten, die wir haben, sorgfältig auszuwerten und darauf basierend die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es geht nicht um die Fragen: Haben wir genug Wasser oder verbrauchen wir zu viel? Wir haben genug Wasser im Saarland. Es ist sogar so, dass von den 100 Millionen Kubikmetern Grundwasser, welche wir ökologisch nutzen können, aktuell nur circa 70 Prozent brauchen.
Also ist genau diese Angst, dass die Grundwasservorkommen jetzt schon unter dem Klimawandel leiden und wir deshalb aufpassen müssen, was wir mit unserem Grundwasser machen, unbegründet? Diese Sorge wird derzeit zum Beispiel bei der Ansiedlung von SVolt und bei der möglichen privaten Brunnenbohrung im Taubental in Kirkel geäußert.
Wie schon gesagt, wir haben eine valide Datengrundlage. Außerdem liegt unserem Ministerium bislang überhaupt kein Antrag zur Förderung in Kirkel vor. Mich stört es, wenn hier Konflikte aufgemacht werden, die es aktuell noch gar nicht gibt. Solange uns nichts zur Prüfung vorliegt, können wir keine Aussage darüber treffen, ob es geht oder nicht. Dass der Getränkehersteller Mitteldeutsche Erfrischungsgetränke GmbH & Co. KG, die MEG-Gruppe, eine Probebohrung durchgeführt hat, ist erst mal unproblematisch. Auch wir haben ein Interesse zu wissen, wie sich die Grundwassersituation an der einen oder anderen Position konkret darstellt. Sollte es zu keiner Förderung an der Bohrstelle kommen, hätten wir davon den Vorteil, diesen Punkt in unser Grundwassermessnetz integrieren zu können.
Dass von Einzelpersonen der Eindruck erweckt wird, wir würden zulassen, dass den Menschen das Wasser abgegraben wird, ärgert mich. Das ist Humbug! Wir haben kein Problem mit der Trinkwasserversorgung im Saarland. Selbst wenn es einmal so weit kommen würde, ist im saarländischen Wassergesetz ganz klar geregelt, dass die öffentliche Wasserversorgung immer vorgeht. Das bedeutet, dass kommerzielle Fördergenehmigungen ausgesetzt oder zurückgenommen werden müssten.
Auf dieser rechtlichen Grundlage ist es auch absurd zu fordern, dass man die kommerzielle Förderung und Nutzung von Wasser untersagen sollte. Das bedeutet nichts anderes, als zum Beispiel den Saarländern das Ur-Pils zu verbieten. Denn das ist nichts anderes als eine kommerzielle Nutzung und Veredelung von Trinkwasser.
Was in der Causa Probebohrung in Kirkel ebenfalls bemängelt wird, ist die Kommunikation. Sowohl der Gemeinderat, als auch die Bürger hätten sich zeitigere Informationen gewünscht. Gab es dabei Fehler vonseiten des Umweltministeriums?
Ich kann nur das offen kommunizieren, was ein tatsächlicher Sachverhalt ist. Was in Kirkel passiert ist, ist eine Probebohrung, eine Versuchsbohrung. Wenn es eine Niederbringung einer Hauptbohrung gewesen wäre, aus der jetzt schon dauerhaft Wasser gefördert würde, könnte ich diesen Vorwurf ja verstehen. Aber diese Probebohrungen haben nun mal den Charakter, dass sie nicht öffentlich laufen, weil es ein Vorverfahren ist. Vergleichbar ist das mit jemandem, der Interesse hat, ein Bauvorhaben in seiner Gemeinde zu verwirklichen, und deswegen eine unverbindliche Bauvoranfrage tätigt.
Sobald nun aber ein ordentlicher Antrag, ein Antrag zum dauerhaften Zutagefördern von Grundwasser, eingereicht wird, werden wir ein transparentes und offenes Verfahren nicht nur als Ziel anstreben, sondern wir würden es auch garantieren, weil es in unser aller Interesse ist. Genau das habe ich den entsprechenden Bürgermeistern und Vertretern von kommunalen Gremien ausdrücklich angeboten.
„Wir werden Verfahren transparent machen"
Die Leute jetzt unnötig aufzustacheln, zum Beispiel mit dem schon erwähnten Ruf nach einem Verbot der kommerziellen Wassernutzung, bringt niemandem etwas. Wer mit offenen Augen in den Lebensmittelmarkt geht, der wird feststellen, für wie viele Getränkeprodukte, die dort verkauft werden, eine private Wassergewinnung notwendig ist. Wir wollen und werden, wie in der Vergangenheit, die Verfahren transparent machen und mit Formaten, bei denen sich die Öffentlichkeit beteiligen kann, begleiten. Ich bin froh, dass Städte und Gemeinden, zuletzt die Stadt St. Ingbert, überlegen, gemeinsam mit und finanziert durch uns Gutachten anfertigen zu lassen, um zu wissen, worüber man redet. Ich habe die Hoffnung, dass solche Gutachten dabei helfen, bei zukünftigen Maßnahmen der Grundwassernutzung die Akzeptanz zu stärken, sofern alle Voraussetzungen stimmen. Und ich hoffe auch, dass diejenigen, die diese Gutachten nun fordern, am Ende auch die Ergebnisse akzeptieren werden – auch dann, wenn ihre Klischees nicht bedient wurden.
Welche Maßnahmen erwarten uns denn noch in den nächsten Jahren, und gibt es Möglichkeiten für Bürger, sich in diesen Prozessen mit einzuschalten?
Der dritte Bewirtschaftungsplan der Wasserrahmenrichtlinie, der bis 2027 verfolgt werden soll, ist noch bis zur Mitte dieses Jahres in der Offenlegung. Das heißt, da kann sich jeder mit Diskussionen und Anregungen einbringen. Das geht zum Beispiel über unser Informationsportal wrrl.Saarland.de. Wir wollen alle mitnehmen und informieren, um Missverständnisse zu vermeiden. Deswegen legen wir solche Pläne proaktiv aus. Ebenso verfahren wir mit dem Hochwasserrisikomanagementplan, der sich ebenfalls bis Juni 2021 in der Anhörung befindet. Dabei geht es nicht nur um Maßnahmen außerhalb der Siedlungsflächen, wie zum Beispiel die Renaturierung von Gewässern, sondern auch um Thematiken, die innerorts relevant sind. Also unter anderem Starkregenereignisse und das Händeln selbiger. Da spielen einige Faktoren zusammen, wie die Topografie, die Siedlungsstruktur oder der Zustand der Kanalisation.
Beim Thema Entsiegelung von Bodenflächen, damit Wasser auch im Siedlungsraum wieder ins Grundwasser sickern kann, sind wir ebenfalls aktiv geworden. Hier haben wir aktuell unser Förderprogramm Aktion Wasserzeichen weiterentwickelt, das neben Städten und Gemeinden künftig auch Privatbesitzer dabei unterstützen soll, Projekte zur Entsiegelung zu starten.