Das Saarland und der Bergbau gingen jahrzehntelang Hand in Hand. Nun macht ausgerechnet dieser es dem Bundesland so schwer. Denn die RAG plant schon länger einen kontrollierten Anstieg des Grubenwassers. Illingens Bürgermeister Armin König (CDU) argumentiert bereits seit 2017 dagegen.
Herr König, welche Gefahren sehen Sie durch einen Anstieg des Grubenwassers?
Die wohl größten Gefahren sind die Bodenbewegungen wie Hebungen, Senkungen, Abrisse. Und das mit allen damit zusammenhängenden Gefahren, zum Beispiel für Versorgungsleitungen, Gasleitungen, Wasser- und Abwasserleitungen. Gerade unser Abwassersystem ist ja saarlandweit nicht in bestem Zustand. Wenn die Erde sich so bewegt, dass es zu Schieflagen oder Abrissen kommt, führt es zu erheblichen Schäden. Und die müssen dann wir Kommunen bezahlen und damit die Bürger über ihre Abwassergebühren. Dazu haben wir das Methan-Problem. Das Umweltministerium hatte darauf eine Initiative gestartet, die ich sehr gut finde. Da wurden „Methandetektoren" an die Bevölkerung ausgegeben. Das war ein wichtiger Schritt. Ein sehr umstrittenes Thema ist auch die Einleitung von PCB und anderen Schadstoffen aus dem Grubenwasser in Richtung Flüsse. Was unter Tage noch lagert, weiß keiner genau. Was passiert also, wenn all das, was früher heimlich unter der Erde verbuddelt wurde, durch eine Flutung in unsere Gewässer gerät?
Aber der Anstieg, so die RAG, soll doch insbesondere Umwelt und Flüsse entlasten …
Das ist die Meinung der RAG, das kann man aber auch völlig anders sehen. Einer der Umweltgutachter sieht das auch anders. Die Frage der Temperatur, der Salzfrachten und viele andere sind bisher nicht geklärt. Da sollte eigentlich eine Planung gemacht werden, um Entlastungsbauwerke an der Saar aufzubauen. Bisher ist davon in den Akten nichts zu sehen. Die Belastung unserer Flüsse wird auch ein Schlüsselthema mit Blick auf die Wasserrahmenrichtlinie werden. Das Bergamt hat Bescheide erstellt, dass die RAG das Wasser behandeln muss und die RAG hat dagegen geklagt. Ich bin der Meinung, dass die RAG damit belastetes Wasser einleitet, ohne dass sie eine Rechtsgrundlage dafür haben.
Wie steht es denn seitdem um diese Forderung nach Filteranlagen?
Da ist nichts mehr passiert – auch aufgrund der Klage. In den Akten gibt es einen Hinweis darauf, dass man eine konkrete Planung vorlegen will. Diese Planung ist aber bisher nicht vorgelegt worden. Durch die Klage der RAG gegen diese Auflage des Filterns ist das alles erst einmal auf die lange Bank geschoben worden. Das heißt: Die RAG macht so weiter wie zuvor. Nach wie vor gibt es erhöhte Schadstoffwerte, etwa in Landsweiler-Reden. So stelle ich mir gute Umwelt- und Wasserpolitik nicht vor. Es ist genau das Gegenteil. So weiterzumachen, als könne man mit einer Genehmigung zur Grubenflutung das Problem des Wasserschutzes von selbst aus der Welt schaffen, halte ich für unseriös und nicht zulässig.
Die RAG sagt ja, dass im Falle von Komplikationen das Vorhaben umgehend gestoppt werden könne …
Die gesamte Technik wird ja umstellt werden. Das bisherige Pumpen unter Tage wird durch das Pumpen von „oben" abgelöst werden. Es gibt ernst zu nehmende Hinweise – auch aus den Akten des Ministeriums – die es infrage stellen, ob ein Anstieg dann noch zu stoppen sei. Ich halte es auch für sehr fraglich. Wir haben es hier mit einem Experiment im laufenden Betrieb zu tun, von dem wir noch nicht wissen, was in drei, vier oder zehn Jahren passiert. Der kritische Zeitraum sind die ersten zehn Jahre.
Wenn die RAG also nicht mehr pumpen will, ein Anstieg aber abgelehnt wird – was passiert dann mit dem Grubenwasser?
Zum Pumpen gibt es keine Alternative. Es gibt Feldversuche, wo zum Beispiel hochwertige bestimmte Metalle ausgesondert werden. Es gab auch die Diskussion, mit Grubenwasser regenerative Energie herzustellen. Wärmegewinnung war ein Thema. Von all dem hat man nichts mehr gehört. Es geht nur noch darum, die Pumpen abzuschalten, um Geld einzusparen.
Nicht nur Geld, auch Energie will die RAG einsparen. Schließlich verbrauchen die Pumpen jährlich in etwa so viel Energie wie 17.000 Haushalte …
Das ist eine Abwägungsentscheidung. Ich würde mir wünschen, dass man das an anderen Stellen auch mal so sehen würde. Aber genau das passiert ja in keiner anderen Industrie. Ausgerechnet hier, wo die RAG ihre Belange durchsetzen will, dieses Argument anzuführen – das trägt für mich nicht. Es geht um Profite.
Andersrum gefragt: Sehen Sie überhaupt irgendeinen Vorteil im Anstieg?
Wenn ich auch nur einen Vorteil sehen würde, hätte ich diese bisher sicherlich mit in die Diskussion eingebracht. Ich sehe aber sowohl für Umwelt und Natur, wie auch für die Kommunen und die Anwohner keine. Der einzige erkennbare Vorteil ist der finanzielle. Wobei man da auch sagen muss, dass dieser Teil der beim Kohleausstieg vertraglich geregelt wurde. Das hat die RAG damals schon gewusst. Von der RAG-Stiftung selbst profitiert im Grunde ja auch nur Nordrhein-Westfalen. Das Saarland ist da sozusagen das fünfte Rad am Wagen.
Apropos Geld: Die RAG und auch deren Tochterunternehmen Evonik Industries haben in den vergangenen Jahren teils horrende Summen an CDU und SPD gespendet ...
Ich sehe das extrem kritisch. Ich bin ein Fan der Unabhängigkeit und halte Parteispenden solcher Größenordnungen für ein großes Problem. Ich werde niemandem Korruption unterstellen, ganz und gar nicht. Aber man muss auch sagen, dass die RAG in den vergangenen Jahren so freundlich behandelt worden ist wie kein anderer Privatantragsteller. Die RAG-Stiftung ist eine der größten deutschen Industriekonglomerate und agiert mit weltweiten Beteiligen – und das ohne dass es Kontrollorgane wie einen Aufsichtsrat gibt – nur ein politisches Kuratorium. Das ist kein echtes Kontrollorgan. Ich finde, Politik muss für Menschen gemacht werden. Natürlich ist die Wirtschaft wichtig, aber an erster Stelle steht der Mensch. Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel überhaupt – da kann man keinerlei Kompromisse machen. Ich sage es ganz offen: Nach meiner Einschätzung hätte man diesen Antrag auf Grubenflutung damals zurückgeben müssen, weil er nicht vollständig war, bis heute nicht vollständig ist und die heutige Situation nicht mehr mit der damaligen, bei Antragsstellung, vergleichbar ist.