Wie ein gigantisches Raumschiff ist Tesla in den brandenburgischen Wäldern gelandet. Die Aussicht auf eines der größten Autowerke Europas, Arbeitsplätze ohne Ende und Investitionen in Milliardenhöhe haben die ganze Region schwindlig werden lassen. Was passiert da eigentlich?
In wenigen Monaten sollen die ersten E-Autos von Tesla in Grünheide bei Berlin vom Band laufen. Bis zu 40.000 Arbeitsplätze könnten hier einmal laut Planung entstehen. Zum Vergleich: Bei Daimler in Stuttgart arbeiten 35.000 Beschäftigte. In der Gigafactory sollen jährlich 500.000 Autos produziert werden. Elon Musk, Investor und gewiefter Selbst-Promoter, hat angekündigt, daneben auch noch eine Batterieproduktion hochzuziehen, natürlich die weltgrößte.
Währenddessen sind die Kommunen und das Land dabei, sich auf den Wachstumsschub, der auf die Region zukommt, irgendwie vorzubereiten. So geht es zum Beispiel um den Wasserverbrauch: Ganze 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser wird Tesla in der ersten Ausbaustufe benötigen. Das entspräche dem Verbrauch einer 40.000 Einwohner großen Stadt, schätzt der für die Versorgung zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE). Der Verbrauch könne sogar auf 3,6 Millionen Kubikmeter steigen, was den Grundwasserspiegel im ohnehin trockenen Land Brandenburg weiter absenken und die Trinkwasserversorgung gefährden könnte. Tesla aber bestreitet, dass es durch die Produktion in Grünheide zu Einschränkungen beim Trinkwasser kommen werde und beruft sich dabei auf eigene Gutachten von Experten. Das Potsdamer Umweltministerium will ein tragfähiges Konzept erarbeiten. Ein neues Wasserwerk in der Gemeinde nur für Tesla ist im Bau. Bleibt die Frage, wieso ein solches Werk in einem Wasserschutzgebiet überhaupt gebaut werden darf.
Wachstumsschub und Wassersuche
Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) denkt schon an das fertige Werk. Er rechne damit, dass sich viele Zuliefererbetriebe um die Gigafactory herum ansiedeln werden, meint er. Außerdem kämen womöglich viele der künftigen Tesla-Beschäftigten aus Berlin oder Frankfurt/Oder und müssten täglich pendeln. Umso wichtiger wäre dann eine gute Bahnanbindung: Schon jetzt fährt die Regionalbahn RE1 öfter als früher, im Gespräch ist ein eigener Bahnhof für das Werk.
Aber viele der neuen Tesla-Mitarbeiter werden auch mit Sack und Pack und Familie in die Region ziehen. „Wir haben sprichwörtlich jeden Stein umgedreht, um Wohnungsflächen zu identifizieren", sagt Beermann. Ein Jahr lang habe man an einem Konzept gearbeitet, an dem 22 Brandenburger Städte und Gemeinden sowie auch der Berliner Bezirk Treptow-Köpenick mitgewirkt haben.
„In Summe sind für die Schaffung von neuem Wohnraum mehr als 900 Hektar Bauflächen kurz- bis mittelfristig aktivierbar. Das entspricht bei Zugrundelegung der bestehenden ortsüblichen Baudichten über 40.000 zusätzlichen Wohneinheiten", fasst Beermann zusammen. Je nach Szenario rechne man mit dem Zuzug von 11.600 bis 36.400 Arbeitskräften. Fünf bis sechs Jahre werde die Umsetzung brauchen. Für Brandenburg eine riesige Chance.
Allerdings steht eines nach wie vor noch aus: die Gesamtgenehmigung für das Vorhaben. Der bisherige Bau erfolgt auf Grundlage einzelner Baugenehmigungen, die aber nur auf eigene Gefahr erteilt werden und eine Gesamtgenehmigung brauchen. Sollte die versagt werden, müsste Tesla den ursprünglichen Zustand wiederherstellen. Für dieses Risiko hatte das Unternehmen Anfang des Jahres eine sogenannte Patronatserklärung abgegeben.
Tesla-Chef Elon Musk selbst kritisierte, dass es 16 Monate nach dem Antrag noch keinen Zeitplan für eine endgültige Genehmigung des Baus in Grünheide gebe, und beschwerte sich über das schlechte Image, das Medien über ihn verbreiteten. Das „eklatanteste Problem2 sei, dass Projekte, die den Klimawandel bekämpften, und solche, die ihn beschleunigten, gleich behandelt würden. Sein Werk helfe durch Verbreitung von E-Mobilität gegen die Erderwärmung. Außerdem müsse man lokale negative Folgen für die Umwelt gegen positive Effekte im größeren Maßstab aufwiegen.
Teslas Kritik löste eine breite Debatte aus. So forderte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mehr Tempo bei Genehmigungen. „Komplexe und langwierige Verfahren mit mehrfachen Klageerhebungen und langen Gutachterschlachten sind schon bei überschaubaren Projekten die Regel geworden", kritisiert der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. „Das hemmt die Investitionstätigkeit hierzulande massiv und schreckt Investoren ab." Der BDI fordert unter anderem mehr kompetente Mitarbeiter in den Behörden der Bundesländer sowie eine „Entschlackungskur" für das Planungs- und Umweltrecht.
Widerstände können das Projekt bis jetzt nicht stoppen
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sah sich veranlasst, Nachholbedarf einzuräumen. Die Große Koalition habe in den vergangenen Monaten und Jahren einiges erreicht, sagte er. „Aber eben noch nicht genug." Es sei sicherlich noch viel Luft nach oben. Zugleich betonte er, wie stark die Behörden Musks Pläne unterstützt hätten. „Wir haben in den vergangenen Monaten mehr als einmal auch auf dem kurzen Dienstweg Probleme aus dem Weg räumen können", ergänzte der unmittelbar mit dem Projekt befasste Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU). Mittlerweile lösten alle größeren Bauvorhaben einen Konflikt zwischen Arten-, Umwelt- und Klimaschutz aus. Das heißt, zwischen dem Schutz des Lebensraums der Fledermaus oder der Eidechse und den hohen Klimaschutzzielen abzuwägen.
Dafür ist die Bürgerinitiative Grünheide ein Musterbeispiel. Schon als die ersten Waldarbeiter auftauchten und damit begannen, den schütteren Kiefernwald abzuholzen, standen die Umweltschützer auf den Barrikaden. Auf dem Baugrundstück in Brandenburg würden geschützte Reptilienarten sowie Baumfalken und Fledermäuse siedeln, hatte Nabu-Geschäftsführerin Christiane Schröder im November 2019 gegenüber dem Rundfunk Berlin-Brandenburg erklärt. Für den ersten Bauabschnitt wurden rund 91 Hektar Wald gerodet. Mehr als 300 Hektar sollen insgesamt gerodet werden. Die Naturschützer fürchten nicht nur die Wasserknappheit, auch bei den Luftschadstoffen soll Tesla zu genauen Messungen verpflichtet werden.
Bis zum Fristende, Anfang September 2010, wurden von den Naturschutzverbänden, Bürgern, der Linken und der ÖDP mehr als 400 Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben. So etwas ist Elon Musk offensichtlich nicht gewohnt. Er ist davon überzeugt, dass er der bessere Umweltschützer ist – schließlich produziert er Elektroautos. Ob die Einwendungen zum Baustopp führen könnten, ist unklar; das Landesumweltamt sagt, es sei keine dabei, die das bewirken könne. Jedenfalls wird der Start der Produktion, der für den Sommer geplant war, erst im Herbst kommen. Aber daran ist allein die Corona-Pandemie schuld.