Prof. Uwe Hartmann hat mit seinem Essay „Saarland 2050" eine Diskussion über Zukunftsszenarien angestoßen. Der frühere Wirtschaftsminister Hanspeter Georgi hält dem „Ein positives Szenario für das Saarland in den nächsten 30 Jahren" entgegen.
Hanspeter Georgi setzt anders als im Szenario von Uwe Hartmann voraus, dass das bisherige Vollzeitparlament zum Teilzeitparlament transformiert wurde. Eine breitere berufliche Repräsentanz habe dazu geführt, dass für politische Entscheidungen sachliche Kriterien, Pragmatik, gesunder Menschenverstand und berufliche Expertisen bestimmend wurden. „Ergebnis: Das Saarland ist in 2050 im Hinblick auf Wohlstand, Beschäftigung, Lebensqualität unter den Bundesländern führend". Voraussetzung seien, so Georgi, folgende Grundsatzentscheidungen:
„Rund um den Campus der Universität und der HTW wurden im Rahmen eines Raumordnungskonzepts Flächen für die Neuansiedlung von Instituten, Entwicklungsabteilungen großer Unternehmen, Start-ups und Spillovers geschaffen. Die Scheer-Group bekam zahlreiche Nachbarschaft.
Dies kam der Innovationsstrategie mit dem Konzept der regionalen Cluster zugute. Als Cluster wurden Automobil, IT, Nano-Bio-Med, Energie, Logistik/Mobilität identifiziert. Die um 2020 vorhandenen Akteure in den einzelnen clustern wie Zema und Autoregio, die Breite an F-und E-Instituten im Bereich der Informatik, HIPS als Zentrum für die Wirkstoffforschung und INM, das Unternehmenscluster der Wasserstofftechnologie wurden konsequent ausgebaut und in der gesamten Wertschöpfungskette – Forschung, Entwicklung, Ausbildung, Unternehmen – unter Einbeziehung der heimischen Wirtschaft und ihrer Strukturen optimiert. Energie-Speichertechnologien, Grüner Stahl und autonomes sicheres Autofahren sind zum Beispiel Ergebnis dieser Cluster-Arbeit.
Optimistischer Blick in die Zukunft
Die öffentlichen Verwaltungen wurden modernisiert. Digitale Services der Kommunen und des Landes – von der Kfz-Zulassung bis zur Baugenehmigung, von der Eintragung ins Handelsregister bis zur Beantragung von Fördermaßnahmen, von den Diensten des Einwohnermeldeamts bis zur Gründung eines Unternehmens – all diese Services erfolgen digital. Einher damit ging eine Verschlankung der öffentlichen Verwaltungen. Die Reform der kommunalen Verwaltungen wurde auf der Grundlage der Empfehlungen verschiedener Gutachten aus den 2010er Jahren umgesetzt. Die freigewordenen Mittel stärkten die Investitionskraft und damit die örtliche Wirtschaft. Auch hat der saarländische Städtetag mit dem Landkreistag und mit Unterstützung des Landes und unter Nutzung der Kompetenzen der heimischen Digitalwirtschaft eine Digitalisierungsakademie gegründet, die die Belegschaften der kommunalen Ebene qualifiziert und weitergebildet hat. Das gut funktionierende Modell wurde auf die Bundesebene übertragen.
Digitale Bildung ist ein saarländisches Erfolgsmodell. Auf Grundlage der Kooperation zwischen der Lernplattform Lernwelt Saar und IMC GmbH wurden innovative, cloudfähige, skalierbare und somit marktfähige Lösungen installiert. Didaktik und Pädagogik haben schnell auf die neuen Lernumgebungen reagiert. Das Verhältnis von Lehrenden und Lernenden hat sich reibungslos – auch infolge passender Angebote an Qualifizierungsmaßnahmen für die Lehrenden – so verändert, dass die Lehrenden ihre neue Rolle als Coaches und Lernbegleiter angenommen haben. Das für alle erfreuliche Ergebnis: Kein Schüler, keine Schülerin verlässt die Schule ohne Abschluss. Auch diese Entwicklung, weil marktfähig, wird seitdem in anderen Bundesländern und europäischen Mitgliedstaaten genutzt. So trägt Bildungspolitik auch auf mehrfache Weise zur wirtschaftlichen Entwicklung bei.
Die beschlossene Europäische Schule hat einen architektonisch herausragenden Neubau erhalten. Sie ist als „Kohl-Mitterand-Schule" ein weltweit sichtbarer Standortfaktor. Für Forschungsinstitute wie Cispa – ein Treiber dieser Einrichtung – und international tätige Unternehmen im Saarland ein Plus, da es die Akquise neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr erleichtert. Ebenso wirkt die Kohl-Mitterand-Schule positiv für die Ansiedlung neuer Forschungseinrichtungen und Unternehmen.
Diese neue Schule hat ebenso wie die digitale Bildung dem Anliegen, die Mehrsprachigkeit zu kultivieren, neuen Schub gegeben. In 2050 erleben wir das Saarland hinsichtlich der Mehrsprachigkeit wie schon heute Luxemburg. Die unterstützenden Maßnahmen, die der „Aachener Vertrag" zur Erlangung der Mehrsprachigkeit angeboten hat, werden voll umfänglich genutzt. Ebenso trägt dazu bei, dass die „grenzüberschreitende" berufliche Ausbildung zum Standard in der Großregion (GR) wird. Das hat bis 2050 eine breite, hoch qualifizierte Fachkräftekultur erzeugt.
Das Projekt „Uni der GR" wird so weiterentwickelt, dass tatsächlich eine europäische Universität mit mehreren Standorten entsteht. Die Angebote dieser GR-Uni ziehen Studierende aus aller Welt an, weil sie das Studium an mehreren europäischen Standorten auf engstem Raum schätzen.
Saarland als führendes Land
Die politischen Entscheidungsträger reagieren darauf mit hierzu passenden Mobilitätskonzepten, und zwar jetzt aus der Perspektive der GR, nicht mehr aus der jeweiligen regionalen Sicht. Hilfreich hierfür ist die Schaffung einer Agentur für den öffentlichen Personennahverkehr. Auch hier war der Aachener Vertrag mit seinen Bestimmungen in Kapitel vier, Regionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit, sehr hilfreich.
Sichtbar und endlich auch auf der touristischen Landkarte wahrgenommen wird die GR als attraktive touristische Destination, was allen Partnerregionen, so auch dem Saarland, zugutekommt. Der Tourismus erhält durch eine gemeinsame GR-Strategie an Dynamik, endlich wird das enorme Potenzial der GR auch aktiviert. Zunächst gewinnt der Binnentourismus, dann aber auch der Außentourismus an Fahrt. Die touristischen unternehmerischen Akteure wurden durch die GR-Strategie der Politik zu innovativen und nachhaltigen Kooperationen animiert. So hat sich gewissermaßen ein weiteres wirtschaftlich tragfähiges Cluster ergeben. Hierdurch wurden die politischen Entscheidungsträger gedrängt, als Cluster-Manager eine Agentur für den Tourismus der GR zu gründen.
Hinsichtlich des Flugverkehrs haben sich die Partner in der GR dahingehend verständigt, dass die Anbindung der GR an den internationalen Flugverkehr über den Flughafen Luxemburg angeboten wird. Das GR-Mobilitätskonzept hat diese Konzentration auf Luxemburg berücksichtigt.
Der GR ist es zudem gelungen, die EU-Kommission für die Realisierung der Schienenschnellverkehrsverbindung Straßburg-Saarbrücken/Metz-Luxemburg-Brüssel zu gewinnen. So ist die GR in 2050 auch im Schienenschnellverkehr gut in das europäische Netz eingebunden mit der genannten Verbindung zwischen Straßburg und Brüssel sowie weiterhin mit der Verbindung Paris-Frankfurt über Saarbrücken mit der Verlängerung bis Berlin, wie es Kohl und Mitterand in dem Vertrag von La Rochelle aus dem Jahr 1992 vorgesehen hatten. Mehrsprachigkeit in der GR als Alltagskultur, hervorragende Anbindung an die nationalen und europäischen sowie internationalen Verkehrsnetze, eine ausgesprochen leistungsfähige Bildungsinfrastruktur, eine Breite und Dichte an Kulturangeboten, hoher Wohn- und Freizeitwert – all das hat dazu beigetragen, dass auch das Saarland den Strukturwandel in den 2020er-Jahren wieder einmal mit Bravour hat meistern können.
Denn all diese europäisch geprägten Faktoren haben zu vielen Neuansiedlungen in Forschung und Entwicklung, in Industrie und Dienstleistung geführt. So hat der an Bedeutung gewonnene Wirtschaftsstandort auch die heimische Wirtschaft gestärkt.