Drei Hitzesommer in Folge. Der Klimawandel setzt auch dem Wasser zu. Seit 2003 gab es keine wirklich nassen Jahre mehr. Hans Jürgen Hahn, Grundwasserökologe an der Uni Landau, warnt vor weiteren Wasserentnahmen ohne zusätzliche intensive Untersuchungen der Entwicklungen.
Herr Hahn, von offizieller Seite heißt es, dass es ums Wasser im Saarland im Grunde gut bestellt ist. Können Sie dem zustimmen?
Ich würde sagen, dass es im Saarland kritisch ist, wenn man nicht sogar schon über den Punkt drüber ist, was die Menge anbelangt. Es gibt ja verschiedene Indikatoren, ob die förderfähige Menge überschritten ist. Man muss unterscheiden zwischen der Grundwassermenge, die neu gebildet wird, und der förderfähigen Menge. Wenn ich über die förderfähige Menge gehe, richte ich Umweltschäden an, die dadurch entstehen, dass Bäche trocken fallen in Bereichen, wo Wasser entnommen wird. Wenn das Grundwasser hoch steht, drückt es in die Bäche und Teiche hinein. Das finden Sie in jedem Lehrbuch. Wenn ich sehe, dass Teiche Wasser verlieren, dann bedeutet das, dass die Grundwasserspiegel sinken und es dadurch zu einer Druckumkehr kommt. Wenn ich den Grundwasserspiegel senke durch Entnahmen oder durch den Klimawandel, weil weniger Grundwasser neu gebildet wird, dann können Sie sich das so vorstellen, als wenn Sie aus der Badewanne den Stöpsel rausziehen. Solche Vorgänge haben wir etwa in der Pfalz massenhaft. Die gleiche Situation haben Sie, so wie ich es gehört habe, stellenweise auch im Saarland. Deshalb zu Ihrer Ausgangsfrage: Ich teile die Aussage des Umweltministeriums nicht so ganz.
Was bedeutet das für das Vorhaben in Kirkel zu einer zusätzlichen Förderung?
Ich stehe dem sehr kritisch gegenüber. Was wir brauchen ist eine Wasserbewirtschaftung, die zukunftsfähig ist, die die Grundwasserneubildung berücksichtigt und wie sich die Dinge durch den Klimawandel verändern werden, und die vor allem berücksichtigt, wie sich der Verbrauch entwickelt. Es gibt auch die Methode einer Gebietswasserbilanz, die sagt, wie viel Oberflächen- und Grundwasser in einem Gebiet verfügbar ist. Solche Gebietswasserbilanzen, wenn es sie überhaupt gibt, sind meist 20 oder 30 Jahre alt und fachlich oft nicht ausreichend. Das heißt, unsere ganze Planung stammt noch Zeiten, als wir deutlich mehr Wasser zur Verfügung hatten als heute. Das gilt nicht nur für das Saarland, das gilt, denke ich, für große Teile Europas. Es gibt langsam ein Umdenken, aber ich geh mal davon aus, man weiß nicht genau, wie viel Wasser im Saarland verfügbar ist und wie viel gebraucht wird. Deshalb würde ich dringend vor solchen Projekten, wie in Kirkel abraten, bis die hydrologischen Rahmenbedingungen geklärt sind.
Wenn die Pläne so alt sind, wie Sie sagen, fragt man sich, warum das so lange keine Thema war. Gab es keinen Anlass, sich größere Sorgen zu machen?
Da ist was dran. Wenn Sie daran denken, dass die Diskussion erst so vor zwei, drei Jahren richtig los ging, als wir die ersten Trockenjahre hatte. Jetzt haben wir, so wie der April aussieht, das vierte vor uns. Das heißt, man hat all die Jahre in dem Glauben gelebt, dass wir eigentlich genügend Wasser haben. Es hieß zwar, wir müssen Wasser sparen, aber eigentlich haben wir genug. Es gab auch keinen größeren Anlass, das alles flächendeckend neu zu betrachten. Wenn man sich das angeschaut hat, dann an kritischen Stellen, etwa in Naturschutzgebieten. Solche Untersuchungen sind teuer und aufwändig, deshalb hat man es wohl nicht gemacht. Wenn man weiß, dass die Situation heute nicht das Ergebnis der letzten zwei, drei Jahre alleine ist, sondern der letzten etwa zwanzig Jahre. Was wir jetzt sehen, ist im Grunde also nicht aktuell sondern geht zurück bis auf das Jahr 2003.
Wieso 2003?
Das war ein extrem trockenes Jahr und seither hat es keine nassen Jahre mehr gegeben, die die Defizite aufgefangen und ausgeglichen hätten. Sie sehen an allen Messstellen, dass es 2003 diesen Bruch gab und danach keine Erholung mehr.
Heißt das, wir müssten erst einmal die Finger von solchen Projekten lassen?
Wir müssen wissen, wie viel Wasser verfügbar ist, wo es verfügbar ist, und wie die Auswirkungen solcher Eingriffe sind. Im Bereich Kirkel kommt das Grundwasser ja zum Teil möglicherweise aus dem Pfälzer Wald; das funktioniert im kluftigen Buntsandstein wie in Rohrleitungen. Also wissen Sie gar nicht, wenn Sie große Mengen abpumpen, wo sich das überall auswirken wird.
Was müsste zu einer Genehmigung geprüft werden?
Es bräuchte Strömungsmodelle. Sie müssen die Geologie kennen, die Landnutzung müsste in die Berechnung mit eingehen, die Verdunstung, und sie müssen das überprüfen, etwa durch Pumpversuche. Oft kommt das Wasser aus einer ganz anderen Ecke als man glaubt. Auch der zeitliche Aspekt spielt eine Rolle, also zu welcher Jahreszeit ich Wasser entnehme. Ich brauche eine nachhaltige Bewirtschaftung, und as heißt auch, Prioritäten zusetzen. Etwa: Trinkwasserversorgung hat absoluten Vorrang, und dann muss ich fragen: Welche Rolle spielt Landwirtschaft, welche Rolle spielt die Industrie. Das muss man entscheiden, und das wird natürlich politisch unbequem.
Die EU hat vor Jahren die Wasserrahmenrichtlinie beschlossen, für gutes Oberflächenwasser und gutes und ausreichendes Grundwasser. Ist das ein richtiger Weg?
Wir haben das schon lang gefordert, das ist genau der richtige Weg, aber die Umsetzung ist schwierig. Der Grundgedanke ist, in der Fläche zu wirtschaften. Der Landschaftswasserhaushalt beschreibt, was mit den Niederschlägen passiert, die auf ein bestimmtes Gebiet fallen, ob sie abfließen, Erosionen verursachen, versickern und Grundwasser bilden oder ob sie verdunsten. Das ist ein wichtiger Punkt: Bäume brachen hunderte von Litern Wasser am Tag und sind gut für’s Klima, aber das Wasser fehlt im Boden. Wenn jetzt die Vegetationszeit länger wird, fehlt diese Zeit für die Grundwasserneubildung. Wir haben knapp einen Monat länger Vegetationszeit als vor rund 30 Jahren. Das andere ist das Einzugsgebiet, also die Fläche von der das Wasser, das einen Fluss oder Bach samt Grundwasser speist, herstammt. Hochwasser entsteht auf der Fläche, nicht im Bach, Grundwasserverschmutzung entsteht auf der Fläche, nicht im Grundwasser. Und genau da hängt es, weil sie mit der Umsetzung in der Fläche tausend Konflikte provozieren.
Was ist eigentlich das Hauptproblem in der Diskussion um unser Wasser: Klimawandel, Nutzung, Verbrauch?
Man kann das nicht voneinander trennen. Wir haben ganz klar eine Verschärfung durch den Klimawandel mit längeren Trockenperioden. Wir haben einen erhöhten Bedarf an Wasser in der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft ist nicht nur Verursacher, sie auch Betroffene. Die Landwirtschaft ist mit der Beregnung der weltweit am schnellsten wachsende Wasserverbraucher. Das Problem haben wir auch in Privathaushalten: Wenn es trocken ist, sprengt man den Rasen öfter. Oder sehen Sie sich mal den steigenden Verkauf von Swimmingpools an. Wir haben auch das Problem der Flächenersiegelung und der Verdichtung, so dass weniger Grundwasser neugebildet wird.
Nach der Auflistung dieser Herausforderungen klingt das nach einer ziemlich unlösbaren Aufgabe. Haben Sie einen Vorschlag zur Lösung?
Ich kann Ihnen auch keine Blaupause liefern, weil es die nicht gibt. Man braucht regional angepasste Konzepte, man muss wissen, wie ist die Geologie, wie ist die Niederschlagssituation, wie ist die Nutzung, wie ist eigentlich der Bedarf, wer braucht eigentlich wieviel Wasser? Man kommt damit immer wieder auf die gleichen Fragen, die man vor Ort beantworten muss.